Oskar Lafontaine und Gerhard Schröder: Es scheint, als habe eine unsichtbare Hand das Leben von zwei Größen der deutschen Politik aneinandergekettet. Ihren Aufstieg, ihre Erfolge und ihre Machtkämpfe – bis zum bitteren Ende. Beide geboren während des Zweiten Weltkrieges, beide als Halbwaisen aufgewachsen. Lafontaine, streng katholisch erzogen, machte das Abitur in einem Bischöflichen Konvikt in der Eifel und schloss – gefördert vom katholischen Cusanuswerk – das Studium der Physik ab. Schröder, in ärmlichen Verhältnissen lebend, musste über den zweiten Bildungsweg gehen: Volksschule, Lehre, Abendabitur, Jurastudium, Rechtsanwalt. Altersbedingt hätten sie zur Apo-Generation gepasst. Sie fühlten auch links. Doch Mitmischen an Studentenprotesten war nicht die Sache der beiden Sozialdemokraten, die fest entschlossen waren, oben anzukommen. Schicksalhaft mussten sich ihre Wege kreuzen.
Aus Anti-Helmut-Schmidt-Kombattanten wurden erbitterte Kontrahenten, die sich im Wege standen. Lafontaine konnte rhetorisch mobilisieren wie keiner sonst. Niemand war taktisch versiert wie Schröder. Volksnah-populistisch waren beide.
Als Schröder in den Bundestag kam, war Lafontaine längst Oberbürgermeister in Saarbrücken. Lafontaine führte die Saar-SPD zu absoluten Mehrheiten und wurde 1985 Ministerpräsident. Schröder in Niedersachsen dann fünf Jahre später. „Enkel Willy Brandts“ wurde die im Krieg geborene SPD-Generation genannt – zunächst mit Lafontaine als Wortführer. Neben Schröder zählten Herta Däubler-Gmelin, Björn Engholm, Rudolf Scharping und Heide Simonis dazu. In Ausscheidungskämpfen schoben Lafontaine und Schröder – noch gemeinsam – 1995 auf dem Parteitag in Mannheim Scharping beiseite. Mit harter Hand und immer noch gemeinsam organisierten sie im Bundesrat eine Blockadepolitik gegen Helmut Kohl.
Bald änderten sich die Verhältnisse. Öffentlich sagten Lafontaine und Schröder, zwischen sie passe nicht einmal ein Blatt Papier. Nichtöffentlich redeten sie schlecht übereinander. Trickreich gewann Schröder. 1998 wurde er Bundeskanzler. Lafontaine aber unterwarf sich nicht. Er verließ das Kabinett, die Fraktion und trat auch als SPD-Chef zurück. Schröder regierte. Lafontaine opponierte von links. Schröder gewann 2002 eine zweite Bundestagswahl und modernisierte das Land mit der Agenda 2010. Lafontaine schrieb Anti-Kanzler-Artikel in der Bild-Zeitung.
Schröder zog 2005 die Bundestagswahl vor. Lafontaine trat aus der SPD aus und wollte es noch einmal wissen. In einem Wahlbündnis mit PDS und westdeutschen Linken kandidierte er für den Bundestag und verhinderte einen dritten Wahlsieg Schröders. Angela Merkel wurde Bundeskanzlerin, Schröder Putins Gazprom-Lobbyist und Lafontaine Ko-Chef der neuen Linkspartei im Bundestag. Daheim an der Saar wurde „der Oskar“ mit mehr als 20 Prozent Oppositionsführer im Landesparlament. Vor der Landtagswahl jetzt verließ er ein zweites Mal eine Partei – und riss sie in den Abgrund. Lafontaines Freunde waren entsetzt. Schröders Freunde sind es auch. Am Ende ihres lebenslangen Ringens stehen zwei Titanen vor den Trümmern ihrer Arbeit.
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