Die Erklärung von Ministerin Spiegel zeigt – außer dem, was sie konkret zum Sachverhalt sagt – auch viel vom alltäglichen Innenleben der Politik. Politik ist ein extrem nerven- und geradezu lebensaufreibender Job. Diejenigen, die sich einige Zeit in Ministerämtern u.ä. halten, sind dabei schon so etwas wie die „Endauswahl“. Ein „normaler“ Mensch hätte da schon längst abgewunken: Ein bisschen Glamour und das Gefühl der Wichtigkeit – schön und gut. Aber dafür Hörsturz, Dauermigräne, Depression, Herzinfarkt, Burn Out, Schlaganfall u.s.w. riskieren – alles Dinge, die ich beim handelnden Personal sozusagen aus geschäftlicher Nähe beobachten konnte – das ist schon heftig. Leider ist es so, dass manche, die das alles spielend wegstecken („Nur die Harten kommen in den Garten“ – ich habe ungefähr drei bis vier Gesichter aus dem Betrieb vor dem inneren Auge, die sich an solchen Sätzen hochziehen), nicht unbedingt die sind, die man sich in solch verantwortlichen Positionen wünscht. Und andere, sehr authentische Menschen, denen man sagen möchte: „Halt durch, das ist wichtig und richtig, was Du machst“, gehen wirklich an ihre Grenzen und darüber. Anne Spiegel gehört für mich zu denjenigen, von denen ich mir wünschen würde, dass sie das alles durchhält, wenn es irgendwie geht.

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Über Reinhard Olschanski / Gastautor:

Geboren 1960, Studium der Philosophie, Musik, Politik und Germanistik in Berlin, Frankfurt und Urbino (Italien). Promotion zum Dr. phil. bei Axel Honneth. Diverse Lehrtätigkeiten. Langjährige Tätigkeit als Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Referent im Bundestag, im Landtag NRW und im Staatsministerium Baden-Württemberg. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Politik, Philosophie, Musik und Kultur. Mehr über und von Reinhard Olschanski finden sie auf seiner Homepage.