Inzwischen mehren sich die Anzeichen dafür, dass es im Bundestag nicht nur eine Parla­mentsopposition gibt, sondern auch eine Koalitionsopposition. Immer wieder zwingt eine kleine, aber durchsetzungsfähige Gruppe ihre Koalitionspartner, Entscheidungen zu treffen oder zumindest zu billigen, die ihnen überhaupt nicht passen.

Sollte sich dieser Trend bestätigen, könnte das politische und juristische Probleme aufwer­fen. Während die Rechte der parlamentarischen Opposition durch Satzungsregelungen oder Gewohnheitsrecht definiert sind, ist das Phänomen einer Koalitionsopposition Neu­land.

Im Grenzfall entsteht womöglich Klärungsbedarf, welche von zwei Oppositionen Vorrang hat, die Parlamentarische Opposition (PO) oder die Koalitionsopposition (KO). Zum Bei­spiel bei der Kontrolle der Regierung. Das ist bekanntlich die wichtigste und ehrenvollste Aufgabe der PO. Was soll man tun, wenn sich die KO ungefragt vordrängelt.

Dem Chef der stärksten Oppositionsfraktion steht die Rolle der Oppositionsführung zu. Er/sie darf nach Regierungserklärungen oder bei Haushaltsdebatten als erste/r auf die Re­gierung antworten. Kommt dann die KO als nächste Rednerin dran? Oder bekommt die KO ein eigenes Redezeitkontingent?

Erhält sie auch eine gesonderte Finanzausstattung? Und ein eigenes Pressebüro? Wel­che Konsequenzen sind zu erwarten, wenn PO und KO immer enger zusammenarbeiten und womöglich mehrheitsfähig werden. Müssen dann der Restekoalition neu zu schaffen­de Minderheitenrechte eingeräumt werden?

Auf jeden Fall ist eine erhebliche Verwirrung bei den Wahlberechtigten zu befürchten. Künftig müssen sie nicht nur zwischen verschiedenen Parteien, Fraktionen, Koalitionen und Regierungen unterschieden, sondern auch noch zwischen mehreren Oppositionen. Ganz nebenbei: Was macht eigentlich die APO (Außerparlamentarische Opposition)?

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.