Elektronisches Stellwerk: Baustelle ist auch, wenn gar nicht gebaut wird
Vieles hätte mich misstrauisch machen müssen vor meiner Fahrt von Beuel nach Ehrenfeld. Am Bahnhof Beuel ist optisch fast alles weg, ausser dem Hauptgebäude, das verständlicherweise niemand mehr haben will, nachdem die Bahn es zu einer Bruchbude hat verkommen lassen – aber angeblich immer noch Geld dafür will. Die Bahnsteige sind abgedeckt, ein paar Holzverschläge als Unterstände installiert. Statt der Unterführung gibt es eine gerüstartige Überführung. Wer sich beim Aufstieg eine interessante Aussicht auf die Baustelle erhofft, sieht sich oben mit Brettern zugenagelt. Ist bestimmt für die Sicherheit. Merkwürdig: die S13-Baustelle ruhte auf der gesamten Strecke – kein arbeitender Mensch zu sehen. Frühschicht von 6-14 h?
Unten angekommen fahren tatsächlich Bahnen. Die nach Koblenz mit 5 Minuten Verspätung, meine nach Köln fast pünktlich. Innen freie Platzwahl, in der Rushhour zwischen 17 und 18 Uhr kaum ein Mensch unterwegs. So freue ich mich auf einen netten Abend in Ehrenfeld – bis wir vor der Einfahrt nach Deutz zum Stehen kommen. Der echte Lokführer, nicht die Automatenstimme, erklärt es mit einer “Weichenstörung”, mutmassliche Wartezeit 5 Minuten. 7 waren es dann wirklich. Ich erinnere mich an die Strassenbahnen meiner Kindheit im Ruhrgebiet: der Strassenbahnfahrer stieg genervt mit einem massiven Eisenstab bewaffnet aus, und stellte die Weiche von Hand: Nettozeitaufwand damals ca. 30 Sekunden, das Längste war sein Ärger vorher. Ein Lokführer, der heute sowas machen würde, beginge eine Straftat.
Im Schritttempo fuhr der Regional-“Express” in den Bhf. Deutz ein. Dort erneute Wartezeit. Normal. Hohenzollernbrücke. Wer kennt das nicht. Dann im Hbf. hätte theoretisch die Chance bestanden, die Verspätung zu vermindern, weil der Fahrplan dort grosszügige Wartezeiten wohlweislich vorsieht. Haha, kleiner Scherz. Am Ende dann in Ehrenfeld eine gewöhnliche Viertelstunde Verspätung, eingefahren aber erst ab Deutz. Wenn nicht zu Fuss, wäre das auf dieser Distanz mit dem Fahrrad übertreffbar.
Rückfahrt-Abenteuer
Nach einem schönen lauen Sommerabend pünktlich den Bahnsteig im Bhf. Ehrenfeld erreicht. Knapp, denn ein Fahrkartenautomat nahm keine Münzen an. Die “gemütliche” Unterführung von Pfützen übersät, obwohl es seit vielen Wochen nicht geregnet hat. Oben angekommen nähern sich bereits drei Scheinwerfer einer Lok. Leider ein Güterzug. Ich bemerkte noch – positiv denkend – dass der, im Vergleich zu Beueler oder Bonner Gewohnheiten “sehr rücksichtsvoll” langsam fahre. Ich Dummchen. Er blieb nach der Einfahrt stehen. Den Geräuschen zufolge danach zwei bis drei Anfahrtversuche – gescheitert. Verdacht: der Lokführer, allein mit dem Monstrum, versuchte einen “Neustart” seines Zugsystems. Die Waggons enthielten zahlreiche Tanks aus Belgien. Gefahrgut? Meine Begleiterin und Ehrenfelder Gastgeberin glaubte nicht, dass die “sowas” durch ihren Personenbahnhof fahren. Ich lachte sie aus. Die fahren auch Atommüll durch Beuel, dauernd, selbstverständlich ohne “uns” oder auch nur der Stadt vorher Bescheid zu sagen. Und haben die nicht in Belgien mehrere kaputte AKWs?
Endlich verliess der Güterzug im Schritttempo den Bhf. Ehrenfeld. Wir dachten, hoffentlich fährt der jetzt nicht vor meiner Regionalbahn her, was denkbar wäre. Aber der würde in Köln über die Südbrücke geleitet, und dürfte an jedem Bahnhof ohne Halt durchfahren (erst ab Troisdorf auf den gleichen Gleisen).
Mit 10 Minuten Verspätung erreichte meine Regionalbahn den Kölner Hbf. Das war jedoch nur der Anfang. Es ging nicht mehr weiter. Eine Information gab es auch nicht. Schichtwechsel beim Lokführer? Keine Ablösung da? Der Spekulation stehen alle Türen offen. Auch sonst ein merkwürdig leerer Hauptbahnhof für eine Millionenstadt.
In Deutz stieg dann tatsächlich Publikum zu, das die Bahn mit Atmosphäre füllte, dass der Eindruck von Betrieb entstehen konnte. Das junge Publikum war wohl bei Felix Lobrecht in der Kölnarena, und der war um 22 Uhr schon fertig mit seinen Zugaben. Weiter ging es trotzdem erstmal nicht. Obwohl: irgendwann dann doch. Verspätung in Beuel: knapp 30 Minuten.
Fazit: Nettofahrzeit von Bhf. zu Bhf. fast so lang, wie ich zwischen 1990 und 2002 für Bonn-Düsseldorf und zurück benötigte. Das war die Zeit, als das Pendeln noch Spass machte.
Bleibt die Frage: warum? Warum nur? War da nicht was mit einem Elektronischen Stellwerk, mit dem alles besser werden sollte? Waren dafür nicht wochenlang Pendler*innen zwischen Bonn und Köln gequält worden, mit Streckenstilllegungen, Schienenersatzverkehren, Umleitungen usw.? Jaja, so war das.
Und ich naives Kindchen glaubte, es sei vorbei? Wie ḱann mann denn so blöd sein? Das Elektronische Stellwerk ist immer noch in Bau. Und zwar bis 2025! Mindestens.
Und am 1. kommt noch das “9-Euro-Ticket” dazu. Mein Aufruf: tun sie es nicht!
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