Und: Schwarmintelligenz und Mediathekperlen gegen die Mafia
Aus dem Fussballbusiness weiss ich, dass es professionelle Agenturen gibt, die ökonomisch davon leben können, heteronormative Ehen für Profifussballer zu arrangieren. Die Bräute sehen alle sehr ähnlich aus: in der Regel professionalisierte blonde Hungermodels, die nach Möglichkeiten des Aufstiegs in ihrer brutalen Branche suchen. Für solche Agenturen gibt es selbstverständlich keinen einzigen Grund, ihr erfolgreiches Tätigkeitsfeld nicht auf andere Fachgebiete und Regionen auszudehnen. Und einen Fachreporter dafür gibt es auch schon: niemand geringeres als Stefan Niggemeier.
Sein in der was-mit-Medien-Branche hoch angesehener und respektierter Dienst uebermedien hat an manchen Tagen scheinbar ein Problem veröffentlichungsreife Themen zu finden. Aber eins geht immer: Ehen, ihre Schliessung, ihre Krisen, ihre Trennungen – und vor allem der deponieartig grosse Müllberg an Lügen, der davon in deutschen Massenmedien ausgeschüttet wird. Nichts an dem, was Niggemeier z.B. hier und hier (s. zu Letzterem auch Küppi) berichtet und analysiert, ist falsch. Aber hat er früher nicht über Wichtigeres geschrieben?
Ich meine nicht, dass es falsch ist, den Yellowpress-Müll auseinanderzunehmen. Allerdings gibt es im deutschen Medien-System doch eigentlich vieles, was wesentlicher erscheint. Oder nicht? Ich denke da ans Zusammensparen und Auflösen journalistischer Kompetenz und Qualität vom Lokalen bis zur Geopolitik; die faktische Abschaffung von unabhängigem Sportjournalismus. Die Oligarchenhaftigkeit der privaten Konzernmedien. Und die Langweiligkeit, intellektuelle und politische Bräsigkeit der öffentlichen Medien. Die Notwendigkeit und verbreitete Unklarheit, dazu qualitative Alternativen aufzubauen. So wie es uebermedien ja schliesslich auch selbst versucht.
Andererseits sind diese Geschichten auch nicht irrelevant. In dem vermachteten Politik- und Mediensystem gibt es Handelnde. Nur weil das System fies ist, sind sie nicht freizusprechende Opfer, sondern Verantwortliche, also persönlich zu adressieren. Nicht spricht dagegen sie – publizistisch! – an die Wand zu nageln. Bei Christian Lindner bin ich da besonders gerne dabei. Aber jetzt schweife ich ab …
Schwarmintelligenz gegen die Mafia – am Sonntag in Mediathekperlen
Theresa Reinold/Blätter, ein akademisches Licht im gar nicht so dunklen Ruhrgebiet, erinnert und analysiert den Politik-und Kulturwandel (“Basta Mafia!”), der seit besonders spektakulären und brutalen Mafiamorden 1992 ganz Italien, und sogar seinen Süden, umgewälzt hat. Ein wahnsinniger historischer Fortschritt, von denen die deutsche Öffentlichkeit bis heute keine realistische Vorstellung hat. Frau Reinold hat sie, darum lesen Sie das!
Sie arbeitet zutreffend heraus, wie wenig die internationale Grosskapitalwaschanlage Deutschland daran interessiert ist, an diesem Wandel, der die italienische Christdemokratie und das damals existierende restliche Parteiensystem fast komplett zerstört hat, teilzunehmen. Aber dann Lektionen in Haushaltspolitik erteilen, und Mittelmeerflüchtlinge und -Ertrinkende konsequent ignorieren. In solchen Disziplinen ist Deutschland dann doch Weltmeister. 1982, 2006, egal – wir sind die Guten; am Mittelmeer sind die Faulenzer.
Wenn Sie nicht zu den Ignoranten wollen, sondern mehr wissen, bietet Ihnen ARTE am Sonntag eine Alternative zum Tatort (aus dem sich die gute Meret Becker verabschieden wird) – und vor allem zum Anne-Will-Labertrash! “Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra” von Marco Bellocchio (Italien 2019) ist schon in der Mediathek und bleibt dort bis zum 28.5. (nächste Woche Samstag). Die am Sonntag nachfolgende Dokumentation “Es war einmal … ‘Il Traditore – Als Kronzeuge gegen die Cosa Nostra'” von Olivia Mokiejewski bekommt eine längere Mediathekverfügbarkeit bis zum 27. Juni.
Danach werden Sie bedeutend weniger dumm sterben.
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