Der Chefredakteur namens Krach (!, SZ, Paywall) ist sauer auf den Bundeskanzler und seine Koalition: “Scholz’ Ampel löst in der Ukraine bis heute Verstörung und Wut aus. So ist es völlig unverständlich, dass die Regierungskoalition praktisch keine Bundestagsabgeordneten nach Davos geschickt hat, um dort ihre Politik zu erklären.” Das heisst, deutsche Leitmedien sind echt sauer über den Amtseid des Bundeskanzlers. Denn der lautet ärgerlicherweise: “Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.” Dä.
Sie stören sich nun seit Wochen daran, wie der Kerl “kommuniziert”. Er liefert ihnen zuwenig. Sie wollen Stoff von dem, zu dessen Amtspflichten es doch – meinen sie – gehören sollte, sie kontinuierlich zu füttern. Denn wie sollen (oder wollen?) sie zu seiner Wiederwahl beitragen, wenn er sie verhungern lässt? Nur mal ein schönes Beispiel: “Sensenmann”, im Original “MQ-9 Reaper”, das sind Namen, das sind Bilder, das lässt es medial krachen. Es ist doch total wichtig, dass solcher technischer Fortschritt auch mal getestet werden muss, damit es nicht zu schrecklichen Fehlinvestitionen führt. Oder was meinen Sie? Wieviele von sowas totgehen, davon hatte ein gewisser Julian Assange einst Bilder ins Netz stellen lassen. Das will “niemand” sehen. Alle wissen, wie es ihm bis heute ergangen ist. Weitere über 150 Jahre sollen folgen.
Allensbach-Chefin Renate Köcher, eine wichtige Beraterin Angela Merkels und der CDU/CSU, schreibt heute in der FAZ (Paywall): “‘Frieden schaffen ohne Waffen’ – dieser Slogan der Friedensbewegung drückt heute noch mehr als in den 80er-Jahren das aus, was sich die Bevölkerung von Herzen wünscht. Gleichzeitig wird diese Vision jedoch heute von der Mehrheit als utopisch bewertet. Die Bevölkerung ist alles andere als bellizistisch gestimmt. Sie ist heute jedoch mit einem erbarmungslosen Angriffskrieg konfrontiert, der keinen Raum für Hoffnungen lässt, dass alle Seiten auch aus eigenem Interesse an Friedenssicherung und dem Wohl der Menschen interessiert sind.” Schon wieder: Dä. Lesen die denn keine Zeitung, glotzen die keine Talkshows?
Olaf Scholz kann lesen. Mit grossem Interesse gewiss solche Berichte von Alexander Dubowy/Berliner Zeitung: “Wenn man Wladimir Putin auf Misserfolge im Krieg anspricht, dreht er durch – Der Krieg in der Ukraine kommt nicht voran. Im Hintergrund wächst der Druck auf Putin. Die Antwort des russischen Präsidenten? Wut.” Es ist wichtiger denn je, die Gegenseite nicht nur zu kennen, sondern auch zu verstehen – egal, in welchen Redaktionsstuben das als “Verrat” an den Guten betrachtet wird. Darum telefoniert er mit dem Kerl. Und versteht auch meistens, was er liest. Bei manchen Chefredakteuren und Super-Kolumnisten bin ich mir da weniger sicher. Und bei Scholzens Koalition auch nicht.
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