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Wer reitet das ZDF?

mit Update nachmittags + Update 1.6.

Die Titelfrage scheint einfach zu beantworten. Es sind die hier. Intendant Himmler war zuvor schon 10 Jahre Programmdirektor. In manchen Häusern sind das die “heimlichen Intendanten”. Kein Neuling also, sondern ein alter Hase. Der hier zu behandelnde Mist hat für ihn also kein unbekanntes Odeur.

Keine Mediathekperle

Gestern um 22.15 h (bis 0.45 h) strahlte das ZDF Quentin Tarantinos Meisterwerk “Once Upon a Time in Hollywood” aus. Mit begrenztem Publikumserfolg: 1,4 Mio., 10,7% Marktanteil, sollen zugeguckt haben, das ist weniger, als samstagsnachts das unaktuelle Sportstudio einschalten. Eine berechtigte Hymne zu dem Film lieferte Marc Hairapetian/FR. Ich verrate Ihnen im Gegensatz zu ihm auch das Ende: wie es sich für Hollywood gehört, haben am Ende die Guten gewonnen, und wenn sie nicht gestorben sind … Sie wissen schon. In der wahren Geschichte waren sie alle tot.

Was reitet nun die ZDF-Reiter, das nicht in der Mediathek anzubieten? Der Herr Himmler wird es wissen. Denn den Deal wird er selbst abgeschlossen haben. Ein immer wiederkehrendes Ärgernis.

Skandal-Champions

Mehr als ein Ärgernis, journalistisch betrachtet ein Skandal, war die ZDF-Leistung am Samstagabend bei seiner Berichterstattung zum Champions-League-Finale der Männer in Paris. Wie es seit Jahrzehnten üblich ist, ist die gesamte – von uns bezahlte – Infrastruktur darauf ausgelegt, das Produkt der Mafiaorganisation Uefa zu präsentieren. Unabhängiger Journalismus ist gar nicht vorgesehen – von der Veranstalterin geradezu unerwünscht. Der Fussballjournalismus setzt hier die Massstäbe hinab in die unterste Etage, und wirkt damit als Avantgarde für Kultur-, Wirtschafts-, Demokratie- und Politikjournalismus.

Lesen Sie, welche Fakten René Martens/MDR-Altpapier zu diesem Vorgang zusammengetragen hat. Dann erkennen Sie auch ohne Fussballkompetenz: das ZDF hat gar keine Mitarbeiter*innen dabei, die sich in der Umgebung des Stadions umsehen. So bleibt die Deutungsgewalt streng obrigkeitlich allein bei Regierung, Polizei und Uefa. Die betroffenen Menschen, Zehntausende, sind uninteressant. Haben nichts zu sagen, keine Stimme, obwohl sie es sind, die Einrichtungen wie das ZDF finanzieren.

Dass die ARD-Tagesschau, wie Martens es richtig schreibt, nur Agenturtrash vorliest (das ARD-Studio Paris verantwortet der WDR), ist nur die sauer gewordene Schlagsahne auf diesem ungeniessbaren Kuchen. Geht Euch schämen!

Update nachmittags: wesentlich milder urteilt über den gleichen Vorgang Andrej Reisin/uebermedien. Das mag daran liegen, wie er es im Disclaimer unter seinem Text selbst offenlegt, dass er mit den Kritisierten in Zukunft noch gedenkt zusammen zu arbeiten – das ist nicht nur legitim, sondern OK. Gleichzeitig verrät er eine gewisse Gewöhnung mit dem Missstand, wenn er freundlich referiert: “Auch darüber, von Anfang an eine:n Fanreporter:in vor dem Stadion zu haben, denke man intensiv nach.” Dä. Und wann wollen sie damit fertig sein? Mit dem nachdenken?

Dazu noch ein konstruktiver Hinweis: warum gibt es kein Netzwerk der European Broadcasting Union, über die ggfls. in Echtzeit Informationen und Live-Bilder ausgetauscht werden? In welchem Jahrhundert soll damit angefangen werden?

Update 1.6.: ein einzelner SZ-Redakteur schafft es doch auch, Kompetenz, Recherche und daraus ein Top-Kommentar von Javier Cáceres.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

3 Kommentare

  1. Karin

    Lieber Martin, ich teile voll und ganz Deine Kritik am ZDF bezüglich des Champion-League-Finales. Deine Kritik am ZDF in Bezug auf “Once Upon A Time in Hollywood” (ein in meinen Augen sehr guter, aber bei weitem nicht der beste Tarantino-Film) und die Mediathek allerdings halte ich für unberechtigt. Ich kenne natürlich den Vertrag des ZDF mit Sony-Verleih nicht, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ein Erwerb für die – kostenlose – ZDF-Mediathek keine vertragliche Option war. Schließlich kann der Film bei zahlreichen Anbietern für 3 bis 11 Euro gekauft oder geliehen werden. Für das ZDF blieb also die Wahl, den Film einmalig analog auszustrahlen oder ihn gar nicht zu zeigen. Ehrlich gesagt war ich sehr überrascht, dass das ZDF den Film überhaupt gezeigt hat, da die öffentlich-rechtlichen Sender kaum mehr US-amerikanische Filme im Programm haben. Die kommerziellen Sender scheinen diesem Trend zu folgen: https://web.de/magazine/unterhaltung/tv-film/streicht-prosieben-kuenftig-hollywood-blockbuster-sonntagabend-36861566

    • Martin Böttger

      Faktisch hast Du sicher Recht. Strategisch ist jedoch meine These: “Fernsehen” ohne Mediathekangebot ist eine aussterbende Art. Die Einschaltquote deutete das bereits an.

  2. Christian Wolf

    Die Tagesschau liest nur Agentur-Trash vor? Hmm, das ist der Aktualität geschuldet und die Tagesschau wird von allen Rundfunksendern beliefert, die Beiträge werden so gesendet, wie sie angeliefert werden. Daraus eine Nachrichtensendung zu stricken, die in 15 Minuten informiert ist eine tägliche Herausforderung und Leistung, bei dem auch die Meinungspluralität gewährleistet ist, weil jeder Sender dazu beiträgt. Weltweit gibt es keine zweite Nachrichtensendung, die das von sich behaupten kann.

    Naja, und wenn das ZDF etwas zukauft, dann kostet es eben extra, wenn die Inhalte auch in der Mediathek verfügbar sein sollen.

    Vielleicht sollte in diesem Fall mal wieder – ganz gegen den Mainstream – ein Live-Angebot beworben werden. Dann wüsste jeder gleich, das gibts nur einmal.

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