Ab 1. Juni gibt es einen Benzinrabatt, wahrscheinlich eines der unsinnigsten Gesetze der Ampelkoalition, durchgedrückt von der FDP. Wissenschaft, Politik, Gewerkschaften und Fachverbände, selbst der Tankstellenverband, üben Kritik. Wenn der Staat den Sprit ver­billigt, erhöht er die Bereitschaft zum Autofahren und damit zum Verbrauch fossiler Brenn­stoffe. Profitieren werden in erster Linie Vielfahrer mit sprithungrigen Fahrzeugen, also die Gut- und Besserverdienenden. Wer kein Auto hat oder nur selten damit fährt, finanziert diese Subventionen über seine Steuerzahlungen.

Laut Süddeutscher Zeitung sehen vor allem Ökonomen die Rabatt-Idee skeptisch. “Davon halte ich nichts”, wird Clemens Fuest zitiert, der Chef des Münchener Ifo-Instituts: “Hilfen sollten nur dort gewährt werden, wo die Lasten nicht tragbar sind, also bei einkommens­schwachen Haushalten oder sehr energieintensiven Unternehmen.” Letztlich trügen künfti­ge Steuerzahler die Last dieser Subvention – denn der Staat müsse sich dafür verschul­den.

Ob und inwieweit die Mineralölgesellschaften den Steuernachlass an die Endkunden wei­tergeben, ist fraglich. Ihr bisheriges Verhalten gibt Anlass zu Zweifeln. Offenkundig werden die Benzinpreise jetzt noch schnell erhöht, bevor der Rabatt in Kraft tritt. Zudem fließt der Staatszuschuss anteilig in den Einkauf des Mineralöls und damit auch in Putins Kas­sen. Erstaunlich ist letztlich, dass gerade die FDP einen staatlichen Eingriff in die Preisbil­dung durchgesetzt hat. Ansonsten fordert sie doch stets, den Markt entscheiden zu lassen.

Konkret wird die Energiesteuer befristet für drei Monate auf das europäische Mindestmaß abgesenkt. Das macht bei Benzin 30 Cent je Liter und bei Diesel 14 Cent aus. Die Entlas­tung bei Diesel ist geringer, weil dieser Treibstoff bislang schon geringer besteuert wurde. Insgesamt wendet der Staat für diese Subvention 3,15 Mrd. € auf.

Wie stark der Benzinverbrauch bei einer Preissenkung steigt, zeigt uns die ‘Preiselastizität der Nachfrage’. Bei Benzin ist sie nicht allzu hoch, da viele Autofahrten unabhängig vom Benzinpreis gemacht werden (müssen). Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung geht von einer Elastizität von 0,13 aus. Demnach senkt ein Preisanstieg von 10 % den Verbrauch um 1,3 %. Es ist anzunehmen, dass diese Elastizität auch bei Preissenkungen gilt (bei Diesel gibt es eine andere Preiselastizität).

Ein Benzinrabatt von 30 Cent auf den aktuellen Preis von rund 2,10 € entspricht etwa 14,3 %. Eine Elastizität von 1,3 % führt dann zu einem Verbrauchsanstieg von knapp 1,9 %. Es wird 1,9 % mehr gefahren, die CO2-Belastung durch Benzinmotoren steigt um 1,9 % und die Mineralöl­konzerne müssen 1,9 % mehr Rohöl besorgen. Da sie ihre anderen Bezugs­quellen bereits weitgehend ausgereizt haben, werden sie wohl in Russland kaufen müssen und dort die Erlöse aus Mineralöllieferungen steigern.

Wahrscheinlich werden sich am 1. Juni die Autos vor den Tankstellen stauen. Wer unsere Mitbürger/innen beim Hamstern von Klopapier und Sonnenblumenöl erlebt hat, kann sich sogar vorstellen, dass sich die ersten Warteschlangen schon lange vor der Öffnung der Tankstellen bilden. Keiner will sich das Benzinschnäppchen entgehen lassen. Nachmittags ist dann wahrscheinlich kein Benzin mehr da.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.