Beueler-Extradienst

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Browser

Cyberabwehr darf auf drängendes Bitten der Unionsfraktion nicht aus dem 100 Milliarden Hilfstopf der Bundeswehr finanziert werden. Diese Art der Defensivverteidigung ist den IT-Spezialisten der Union nichts wert. Was soll schon passieren, es funktioniert ja alles. Bleibt auch die Frage, warum soll ich mir einen anderen Browser installieren – der geht doch, mit dem, den ich hab und ich finde alles, was ich brauche.

Wer den Film Metropolis noch erinnerlich hat – übrigens ist das der erste Film der ins Weltkulturerbe aufgenommen wurde, war 1927 ein Flop im Kino, Mainstream war damals also auch nicht besser – kennt ganz bestimmt noch eine der ersten Texttafeln, die da lautet: “Väter, für die jede Umdrehung einer Maschine Gold bedeutete, hatten ihren Söhnen das Wunder der Ewigen Gärten geschenkt” und gleich danach werden Arbeiter von einem Moloch verschlungen. Heute sehen wir allmächtige Väter:innen des Internets, vergleichen wir “jede Umdrehung einer Maschine” mit dem Setzen eines Cookies, könnten (!) wir erkennen, welches Gold dort zutage kommt.

Leider fehlen die finanziellen Mittel für ein passendes Remake von Metropolis, bleibt der Guerilla-Kampf David gegen Goliath. Auch wenn wir als Einzelkämpfer:in nicht gewinnen werden, ergibt sich ein beachtenswerter Erkenntnisgewinn und ein alternativer Browser auf dem Desktop oder Smart-Device.

Blicken wir zuvörderst auf das, was uns die allmächtigen Väter:innen digitaler Träume – so uneigennützig wie ihnen möglich – auf den Bildschirm spielen: Google-Chrome und Edge stehen in der ersten Reihe, zwei Namen, aber unter der Haube läuft bei Google und Microsoft der gleiche Motor: Chromium. Gemein ist den beiden Browsern, dass sie bestens in die Betriebssysteme integriert und zum Datentransport abgerichtet. Und, kleiner Spaß am Rande: selbst Edge von Microsoft gibt es für Linux, blendender Einfall!

Wer den Apfel benutzt, der findet mit Safari einen perfekt eingepassten Browser. Apple entwickelt die “Maschine darunter” selbst, was nicht gerade wenig Kosten verursacht, Microsoft hat das aufgegeben, zu teuer. Im gleichen Zug sollte jedem Firefox bekannt sein, ein eigenständiges OpenSource-Projekt, das den Platzhirschen Paroli bietet. Mehr Motoren fürs Internet stehen nicht zur Auswahl: Chromium, Mozilla-Firefox und unter MacOS Safari – alles andere ist “nur” Verpackung.

Welchen Browser sollen wir nehmen? Sollen wir überhaupt wechseln? Klare Antwort: Ja, sofort!

Was uns im Wege steht, ist der Convenience-Faktor, der Lock-In-Effekt und die eigene Unfähigkeit. Letzteres lässt sich schnell beheben, die Bequemlichkeit leidet nur einmal kurz – ganz am Anfang – danach wird es sofort besser. Bleibt der Lock-In-Effekt: einmal gefangen in einem System und ich bleibe da, weil auch alle anderen da sind. Und die Internet-Giganten sorgen, vorzugsweise mit den eigenen Produkten dafür, sich immer und dauerhaft einzuloggen. Egal, was wir machen, denn das steigert die Qualität des Datenschatzes, nährt die “Ewigen Gärten”.

Beispiel Google, mit einem Android-Gerät sind wir sowieso mit Google verheiratet. Auf einem iOS-Gerät wollen wir ein youtube-Video ansehen (…bitte kein Katzenvideo, lieber etwas über “Schlangenöl”). Sofort sollen wir uns mit einem Google-Account anmelden, ein Klick, die Sache ist erledigt. Jetzt werden unsere Gewohnheiten nicht nur bei Apple gespeichert, sondern auch Google bekommt eine exklusive Leitung zu allen unserer Aktivitäten und Geräten.

Kein Problem, denkt sich der Laie, logge ich mich danach einfach wieder aus, wenn ich das nicht will. Pech gehabt, wer danach sucht, der wird nichts finden, einmal drin, immer drin. Die oder der geneigte Nutzer:in muss sich die Mühe machen und im Internet nach einer Lösung suchen, um zu erfahren, dass es ganz einfach ist: Die oder der angehende Datenpurist:in loggt sich auf einem Desktop-Rechner mit dem Google-Account ein und wird erst in den Tiefen der Einstellungen fündig, um das Login auf dem iOS-Gerät rückgängig zu machen. Wer mehr als ein Gerät mit iOS beschäftigt, ist damit erstmal beschäftigt. Nicht besser wird es, wenn wir auf Android-Geräten den Facebook-Browser los werden wollen. All das und noch viel mehr ist nicht das Ende aller Qual – zeigt nur anschaulich, wie unsere Daten zu Schatztruhen werden. An diesen Stellen ist es offensichtlich – doch lange nicht alles.

Weil Friedensverhandlungen nicht möglich sind, wäre die bedingungslose Kapitulation der vernünftigste nächste Schritt – so, wie es schon viele vor uns getan haben, Lemminge eben.

Lassen wir einfach alle Daten raus, was solls, die nehmen es sich doch irgendwie. Ja – dennoch sei die Frage erlaubt: muss ich unbedingt selbst die Tür weit aufsperren? Nein. Es passiert genug, dazu müssen wir intimste Daten nicht noch hinterher werfen.

Jeder der ein Bild von sich ins Netz gestellt hat, gerne als Profilfoto zu einem Account, den hat auch Clearview mit Namen und anderen Daten gescannt. Letzten Zahlen zufolge sind rund 10 Milliarden Porträts bereits einverleibt. Das treibt nicht nur Sicherheitsbehörden die Datenlust in die Glieder, sondern zum Beispiel auch Versicherungen/Finanzdienstleister oder der russischen Mafia. Denn wer einmal auf einem Bild erkennbar war, ist es auf allen anderen Bildern mit seinem Konterfei ebenfalls. Für Clearview – und seine Kunden – sind wir alle gleich, immer und überall – erkennbar. Viel Phantasie ist nicht notwendig, um sich vorzustellen, was in Kombination mit anderen Datensätzen zusätzlich möglich ist. Dazu müssen wir nicht darauf warten, dass die Gematik (mit den Gesundheitsdaten aller Bundesbürger) gehackt wird. Das Verfahren hat unbestreitbar enorme Vorteile: der Arzt weiß schon vor meinem Erstbesuch, mehr über mich, als ich selbst. Aber leider nicht nur der.

So aussichtslos der Kampf gegen Giganten ist, ein paar Stolpersteine können wir auslegen. Nicht nur um den Datenabfluss etwas einzudämmen, sondern es hat auch Vorteile der Bevormundung zu entgehen – manch einer mag sogar schon von Souveränität sprechen. Eine Übersicht über alle Browser gibt es bei “Wikipedia”, in diesem Zusammenhang sollen zwei Browser von Bedeutung sein: Einmal “Firefox” und “Brave”. Das Projekt von Mozilla mit “Firefox” sollte bekannt sein, die Installation ist denkbar einfach.

Einen ähnlichen Ansatz, vom Grundsatz her sehr datensparsam und höchst innovativ, ist die Alternative “Brave”, die bereits ganz ohne Ad-Blocker umfangreich Werbung ausleitet, zudem übersichtlich anzeigt, wie viel Bandbreite/Zeit gespart wurde und in welcher Anzahl sie Tracker für Werbung blockieren konnte. Im Gegensatz zu Firefox, der einen eigenen Motor hat, nutzt Brave das Internetbesteck von Chromium, an dem sich auch Google-Chrome und Edge bedienen – allerdings in einer wesentlich umweltfreundlicheren “Verpackung”. Eine grundlegende Besonderheit bietet Brave mit einer eigenen Suchmaschine, die nicht die Ergebnisse bei Google oder Bing zusammenklaubt.

Andere Suchmaschinen können bei Brave natürlich auch  bevorzugt genutzt werden, ebenso bei Firefox, was wir in jedem Fall tun sollten, denn die Standardsuchmaschine ist dort Google. Ein kleiner Ausflug zu den Suchmaschinen schadet nicht, zu finden hier: “Wandel durch Handel”.

Die Alternativen lesen alle Lesezeichen und Passworte aus der Standard-Konfiguration oder von einem anderen Browser aus, so geht ein unterbrechungsfreier Übergang schnell und unkompliziert über die Bühne. Außer, wenn die oder der gepeinigte User:in Kunde von Microsoft ist. Aber auch wer die Pest an Bord hat, dem öffnet Microsoft ein kleines Stückchen die Tür, nachzulesen unter “Microsoft vereinfacht Standardbrowser-Wahl in Windows 11”. Bei allen anderen Betriebssystemen ist der Wechsel des Standardbrowsers beim ersten Start mit einem Klick nach der Installation erledigt.

Alles was das Leben erleichtert ist schnell als Add-On nachgerüstet, z.B bei Firefox dieses “Tool” oder im Chrome-Web-Store für Brave diese “Erweiterung”. Sie gehören im Web zu meinen persönlichen Favoriten und korrigieren auf jeder Webseite automatisch den Stuss, der oben steht, als von den “allmächtigen Väter:innen” die Rede war.

Beide Kandidaten bieten – wie mittlerweile üblich – einen “privaten Modus”, mit dem es möglich ist, viele Informationen zu unterdrücken. Brave geht noch einen Schritt weiter, gestattet mit nur einem Klick die entdeckungsreiche Reise durchs Tor-Netz, ein eigener Zwiebelschalen-Browser ist in diesem Fall nicht unbedingt notwendig. Wer jetzt nicht mitkommt und das Gemüsemesser zur Seite legt, weil die Worte Tor-Netz und Zwiebelschalen gefallen sind, der installiert erst einmal einen der alternativen Browser, bis beim nächsten Mal die Türen zum Darknet weit geöffnet werden und ein prickelnder Abstecher bevorsteht – ich höre es schon knistern.

Über Christian Wolf:

Christian Wolf (M.A.) ist Autor, Filmschaffender, Medienberater, ext. Datenschutzbeauftragter. Geisteswissenschaftliches Studium (Publizistik, Kulturanthropologie, Geographie), freie Tätigkeiten Fernsehen (RTL, WDR etc.) mit Abstechern in Krisengebiete, Bundestag Bonn und Berlin, Dozent DW Berlin (FS), Industriefilme (Würth, Aral u.v.m), wissenschaftliche und künstlerische Filmprojekte, Projekte zur Netzwerksicherheit, Cloudlösungen. Keine Internetpräsenz, ein Bug? Nein, Feature. (Digtalpurist)

4 Kommentare

  1. MarS

    Datenschutz hin, Datenschutz her. Ist ja alles schön und gut, aber wieso kann man nicht vernünftig und trotzdem benutzerfreundlich damit umgehen? Ein Beispiel: für einen weiterführenden Arztbesuch musste ich erneut zum ursprünglichen Arzt, mir dort gewisse Unterlagen ausdrucken lassen, diese dann dem neuen Arzt faxen – ja richtig: FAXEN. Wir schreiben das Jahr 2022. Warum sind meine Kranken-Daten nicht für jeden Arzt sofort online einsehbar? Ja, bitteschön, dreifach mit super sicheren Passwörtern und allem Datenschutz versehen und abgesichert gegen jedweden Zugriff Dritter und allem Schnickschnack – aber aus Datenschutzgründen darauf verzichten? Wieviele medizinische Fehler passieren auf diese Art, weil manche Patienten gar nicht wissen, was sie z.B. für Medikamente nehmen, die ihnen von einem anderen Arzt verschrieben wurden, aber der gerade behandelnde Arzt weiß nichts darüber und so auch nicht über mögliche Wechselwirkungen? Ich plädiere keinesfalls für laxen Umgang mit sensiblen Daten, aber so geht es ja wohl auch nicht.
    – “Väter:Innen” finde ich sehr gelungen 😉

  2. Christian Wolf

    Gleich vorweg: personenbezogene Daten dürfen nicht per FAX verschickt werden!

    Die Zeit ist in der Medizin nicht stehen geblieben, nur die Digitalisierung schwankt zwischen katastrophaler Umsetzung (auf Kosten der Beitragszahler) und der Unfähigkeit tragfähige Konzepte umzusetzen. So gibt es keinen Grund die Daten aller Versicherten an einer Stelle zu sammeln (den Teil hat sich die Gematik herausgeschnitten), denn wo der Trog steht, versammeln sich die Schweine. Wenn der Gutachterausschuss der KV sagt, der Datenschutz sei nur hinderlich und fordert, die Zweckbindung müsse aufgehoben werden, dann sollen sie den Mund halten, wenn ich mit Messer und Gabel anfange Blinddarm-Operationen durchzuführen. Die, wie ich, wissen, dass ich das nicht kann – deshalb versuche ich es gar nicht erst. Warum die trotzdem so einen Blödsinn ablassen dürfen, kann ich nicht nachvollziehen. Zumal unser Grundgesetz auch Ärzten zur Verfügung steht. Die informationelle Selbstbestimmung gab es schon, bevor die Datenschutz buchstabieren konnten.

    Die Verwaltung von Gesundheitsdaten sollte anlassbezogen dezentral organisiert sein – mit der Möglichkeit relevante Daten sicher auszutauschen. Mein Zahnarzt muss nicht wissen, bei welchem Psychiater ich wie lange in Behandlung war – und vor allem warum.

    So wie das alles jetzt angespielt wird, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass unsere Daten in Kombination mit anderen Quellen in einem wirkungsvollen Kosten/Nutzen-Verhältnis monetarisiert werden können. Nicht für uns, wir zahlen in diesem Fall sogar mit echtem Geld, nicht nur mit Cookies – und die kommen uns schon teuer genug zu stehen.

  3. MarS

    Doch, dein Zahnarzt sollte wissen, welche Medikamente du von deinem Psychiater bekommst! Aber natürlich nicht, weshalb du dort in Behandlung bist!
    Frage: Kann man die Schweine nicht vom Trog fernhalten, z.B. in dem die Datenverwaltung staatlich organisiert und natürlich abgesichert wird? Sollte doch eigentlich kein großes Problem sein.

  4. Christian Wolf

    In meinem speziellen Fall weiß mein Zahnarzt im Zweifel mehr über mich, als mein Psychiater – aber das wird er nicht in meiner Patientenakte dokumentieren, wir verabreden uns schon mal zum Alkohol trinken.

    Die Schweine vom Trog fernhalten ist schwierig, wenn alles an einer Stelle zusammengeführt wird – egal ob halb-privat oder komplett staatlich organisiert. Es muss ein dezentrales System geschaffen werden, das Daten auf abgesicherten Wegen nur zweckgebunden weitergibt.

    Wird ein zentrales System falsch genutzt oder gar durch Konfigurationsfehler und schlechte Wartung Beute, sind alle Daten in Gefahr. Im anderen Fall sind nur Teile eines Systems betroffen, die zur Not abgeschaltet werden können, bis der Fehler behoben ist. Und ein Teilausfall ist immer noch eine tragbare Einschränkung, die nicht so schwer wiegt, als wenn das ganze System vom Netz genommen werden muss.

    Und – das sei noch hinzugefügt – die Begehrlichkeiten sind sehr groß. Was wollen wir tun, wenn alle gesetzlichen Vorgaben bei einem Forschungsprojekt für einen Krankenhausbetreiber erfüllt sind, der umfassend die Daten dazu nutzen darf und wir stellen später fest, dass der Krankenhausbetreiber einer Tochter von Google oder Amazon gehört?

    Bei passender Datenlage werden solvente Patienten dann nicht mehr mit den Notarztwagen geholt, sondern von Amazon-Prime (Abo vorausgesetzt).

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