Bin ich dafür. Von Anfang an. Viele sind es. Und das ist gut so. Die Kriege führen, wollen das gar nicht wissen. Und was sie nicht wissen wollen, lassen sie vorsichtshalber gar nicht erst erforschen. In Russland ist das so. Aber leider nicht nur da. Hier meine heutigen Indizien.
Da ist zunächst Abbas Gallijamow. Er wird im Online-Magazin der Friedrich-Ebert-Stiftung wie auch von Liudmila Kotlyarova/Berliner Zeitung lorbeerkranzflechtend so vorgestellt: “Der 50-Jährige war bis 2010 Wladimir Putins Redenschreiber und hat sich seitdem zu einem seiner renommiertesten Kritiker entwickelt.” “Redenschreiber” war er zwei Jahre. Naja. Was ihn die Berliner Zeitung zu Meinungsumfragen ausführen lässt, ist sicher richtig. Dafür muss niemand Putinreden schreiben. Das schafft Manfred Güllner vielleicht auch. Aber wer will hierzulande noch davon wissen?
Ernsthafte Information liefert die jüngste Ausgabe der Jungle World: “Ruhe an der Heimatfront – Die unterdrückte Opposition in Russland”. Einen der entsprechenden Texte behält sie hinter der digitalen Mauer. Extrem informativ angesichts meiner Unwissenheit bewerte ich dies: “Ein Forschungskollektiv in Russland führt Interviews mit Kriegsbefürwortern, um deren unterschiedliche Motive zu verstehen: »Viele berichten von schlaflosen Nächten« – Nicht alle Russen, die den Krieg gegen die Ukraine befürworten, vertrauen blind der Regierungspropaganda, sagt die Soziologin Svetlana Erpyleva. Viele sind entsetzt über die Gewalt, und unterstützen trotzdem die russische Führung. Interview von Katja Woronina”. Das ist publizistisch in der deutschen Medienwüste erste Sahne.
Wie intellektuell enttäuschend dagegen – mal wieder – Peter Nowak/telepolis mit seiner Weissagerei: “Eine natofreundliche Zivilgesellschaft könnte hier ganz divers und gendergerecht mit dafür sorgen, dass in der öffentlichen Meinung die pazifistischen und antimilitaristischen Stimmen übertönt werden.” Wer die re:publica, als habe er eine Dialektikallergie, auf die “Seite des Staates” packt, den Sack zumacht und draufhaut, dünkt sich damit streng demagogisch auf der “sicheren”, der irrtumsfreien Seite. Was das im wahren gesellschaftlichen Leben bedeutet, ist egal. So setzen sich besonders radikal dünkende Linke den Neoliberalismus um. Selbst, wenn der ideologisch schon abgemeldet ist, behält er so seine Tiefenwirkung.
Schmidti
Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Ich habe nie zu seinen Fans gehört, sondern ihn für einen Zyniker gehalten, der es exzellent versteht, diese Eigenschaft zu einer Geschäftsidee zu machen und zu monetarisieren. So ist es heute noch. Er ist in meinem Alter, und gibt statt Performances in TV oder Theatern jetzt Interviews, bezeichnet sich selbst als Interviewkünstler. Aber doof war er nie und ist er nicht. Lesen Sie mal das.
“Aktuell ist es das Robert-Habeck-Modul, das heißt ‘Man weint, bevor man jemanden feuert’, und wird als neuer Politikstil gefeiert. Das kenne ich aber schon aus NRW: Wenn Industrie-Produktionen nach Rumänien verlagert wurden, kam am Nachmittag der aktuelle Ministerpräsident mit einem roten Schal und eine Stunde später gingen die Mitarbeiter mit einer Rose in der Hand vom Hof – statt Abfindung. Das macht mir großen Spaß, das zu lernen. Auch die Behauptung von Baerbock, die jetzt auf Shakespeare-Level gefeiert wird, wir seien angeblich in einer anderen Welt aufgewacht. Standard-Pointe dazu: Das hängt davon ab, in welcher Welt ich am Abend vorher eingeschlafen bin.”
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“Ein Shitstorm von Luisa Neubauer ist angesichts der momentanen Weltlage bedeutungslos. Das liegt auch daran, dass die Information darüber, wer die Nazis eigentlich waren, verblasst. Die Generation ‘Opa erzählt vom Krieg’ stirbt weg und jetzt hört man Sätze – ich glaube, es war von unserer Außenministerin – die besagen, man fürchte eine ‘Kriegsmüdigkeit’. Der Begriff fiel auf jeden Fall aus grünem Munde und hat mich sehr irritiert. Für mich als Zivildienstleistenden war das immer klar, dass man kriegsmüde ist.”
Das sind Auszüge aus einem Interview, das er Max Florian Kühlem/Berliner Zeitung gab. Kühlem kommt hier um die Ecke aus dem Bergischen, und ist bestimmt bannig stolz, dass der alte Mann – die Jüngeren werden nicht wissen, wer er war – ihm diese Audienz gewährte.
Am Nachmittag immer noch nicht eingemauert; aber es wäre zu schade, wenn obige Zitate – ein ausgiebiges Lob auf Olaf Scholz folgte noch – der breiten Öffentlichkeit verloren gingen. Denn ich stimme ihnen zu. Viele meines Alters tun das. Und wir sind sehr viele.
ja ja der Alte Weiße Mann, im Grunde genommen ist Dirty Harry ja das Paradebeispiel für die Vorzüge des “Bedingungsloses Grundeinkommen”. Wenn sich das mit einer gewissen Intelligenz paart entsteht halt freies Denken, auch wenn das in diesem Fall (was ich persönlich auf Grund meiner Analyse dieser unserer Gesellschaft nicht mal für verwerflich halte) oft zynisch rüber kommt. Als im schwäbischen Aufgewachsen kommt man aber wohl nicht daran vorbei.