Beueler-Extradienst

Meldungen und Meinungen aus Beuel und der Welt

Die Seherin

Hinwendung oder Abwendung zur Welt?

Wer meine Texte regelmässig liest, weiss, dass ich dem Lebenswerk von Barbara Unmuessig, der abgetretenen langjährigen Vorsitzenden der Böll-Stiftung (2002-22), mit einer Mischung aus Respekt und Verehrung begegne. Statt Sie nun mit den Details zu behelligen, warum das bei mir so ist, empfehle ich die Zwischenbilanz, die sie selbst jetzt im Magazin ihrer Stiftung gezogen hat: Zwischen Scheitern und Erfolgen: Globale Umweltpolitik – 50 Jahre nach Stockholm 1972 – Was lernen wir aus den letzten 50 Jahren? Dieser Rückblick zeigt einige wichtige Meilensteine der globalen Umweltpolitik auf.”

Mit grosser Neugier verschlang ich danach Barbaras Gespräch mit Carla Reemtsma (Fridays For Future): «Sich regelmäßig neu zu erfinden, das ist die Stärke von sozialen Bewegungen.» Das Gespräch ist extrem erhellend über den Stand gegenwärtiger fortschrittlicher Bewegung(en), ihrer wichtigen Substanz wie ihrer Defizite. Die heisseste Frage, die in meinem Kopf auf und ab wandert, bleibt unbeantwortet: soll das Klima/die Welt in Kooperation mit despotischen Regimes in den grössten Ländern der Welt (China, Russland, Indien, Brasilien u.v.a.) gerettet werden – oder gegen sie? Und wenn Letzteres: wie soll das funktionieren, in der kurzen Zeit, die bleibt? Dass diese Frage führende Berater der Bundesregierung so quält wie mich, muss mittlerweile verteidigt werden. Wir waren schon mal weiter.

Russen-Versteher

Zum besseren Verständnis der russischen Verhältnisse empfehle ich heute zwei Zeugen: Ruslan Grinberg, ein “Ex-Gorbatschow-Berater” wird in der Berliner Zeitung von Lena Fiedler interviewt. In der taz schreibt Wladimir Kaminer selbst: Supermacht statt super Yacht – Putin genießt die Aufmerksamkeit seit Beginn des Ukrainekriegs. Reichsein allein war ihm zu langweilig. Der dumme Westen versteht es nur nicht.”

China-, Afrika-, Weltversteher

Mit Sicherheit machen sich deutsche Regierungsberater*innen strategische Kopfschmerzen. Die werden nicht dadurch besser, dass sie sie öffentlich für sich behalten, Wie gross und wie lang muss “Kriegsmüdigkeit” wachsen, bis sie sich trauen? Michael Maier/Berliner Zeitung (Herausgeber) kennt dagegen schon lange keine Verwandten mehr: China wird nervös: Erlebt Putin in Kaliningrad sein Waterloo? – Der Konflikt um Kaliningrad gefährdet Chinas wichtigstes Projekt, die Neue Seidenstraße. Verliert Peking die Geduld mit Putin?”

Wie viel Geduld hat Afrika noch mit der EU? Darüber hat die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung James Shikwati, Nashon Adero, Josephat Juma / IREN (Inter Region Economic Network) Kenya was herausfinden lassen (während Frau Strack-Zimmermann vornerum Punkte bei deutschen Rüstungsexporteuren sammelt); “Analysis the Clash of Systems – African Perceptions of the European Union and China Engagement”. Hierzu gibt es eine deutschsprachige Zusammenfassung von Moritz Eichhorn/Berliner Zeitung.

Für wen hier was ein “Waterloo” wird, das liegt wohl wie immer im Auge der*des Betrachter*in*s. US-Amerikaner*inne*n wird oft zurecht vorgeworfen, wie wenig sie über Europas Grösse und Verschiedenheit wissen. Vielen in Deutschland ist immer noch nicht klar, wie winzig es ist. Was muss denn nach dem 20. Jahrhundert noch passieren?

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. w.nissing

    @ neue Seidenstraße : https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8954
    Ich denke aber das China sooooo schnell nicht die Nerven verliert und Putin ein Waterloo bereitet. Viel gefährlicher sehe ich da Entwicklungen in bzw mit den USA, wenn der letzte Ukrainer tot ist, aber Russland immer noch unwesentlich geschwächt da steht. Hier mal ein paar Gedanken dazu vom anderen Propagandaende:
    https://de.rt.com/meinung/141544-bedrohliche-frage-werden-usa-ihren/

  2. w. nissing

    Das die USA ja nicht unbedingt immer wertebasiert handeln, kann man an dem Umstand sehen, wie sie auf die russischen Gesprächsangebote Ende 21 reagiert haben und ihnen dann im Nachgang klar war, das Russland darauf kriegerisch reagieren würde. Ab Mitte Jan haben sie das ja auch laufend vorher gesehen und kommuniziert.

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