Indonesien? Wo soll das sein? Haben “wir” da was mit zu tun?
Ich war 8 bzw. 9. Ich hatte Lesen gelernt, und wachsende Lust dazu. Zur Verzweiflung meiner Eltern las ich abends im Bett heimlich unter der Decke. Mit 7 war mir bereits Kurzsichtigkeit diagnostiziert worden. Meine politische Informationsquelle war die “Westdeutsche Allgemeine Zeitung” (WAZ), damals noch zur Hälfte in sozialdemokratischem Familienbesitz. Kein Boulevarddreck mit grossen Buchstaben, aber auch kein bundesweites “Leitmedium”. Nur die Regionalzeitung mit der höchsten Verkaufsauflage, und also gesellschaftlich weit relevanter als die Angebermedien aus München, Frankfurt oder Hamburg. Aus ihr wusste ich von dem Völkermord in Indonesien. Er war also nicht geheim. Wie gross- oder kleingedruckt es war, weiss ich nicht mehr. Aber es wurde nicht totgeschwiegen. Es war, nunja, nur Aussenpolitik, Bekämpfung des Kommunismus. Da werden selten Gefangene gemacht. Deutsche wussten das seit dem Zweiten Weltkrieg, ob sie nun Opfer oder – mehrheitlich – Täter und Mitläufer waren.
Entgangen ist mir vielmehr, dass t-online.de vor ca. zwei Jahren das “enthüllt” haben soll, was ich als 8-jähriger schon wusste. Das erfahre ich heute von Thomas Barth/telepolis: “‘Es gab da Massenmorde’: Was noch fehlt in der Documenta-Debatte – Bislang geht es um Antisemitismus, aber nicht um die westdeutsche Rolle beim Indonesian Genocid, dessen Darstellung den Skandal auslöste.”
Charlotte Wiedemann, hatte vor einigen Tagen den Wettbewerb um Erinnerungskultur ausgeleuchtet, inkl. der schlanken Füsse, die sich die deutsche Medienöffentlichkeit zu machen beliebt. Ganz sicher nicht nur aus Kostengründen. Ich bin glücklich, dass sie mir in Zukunft erlaubt, ihre taz-Kolumnen im Extradienst zu übernehmen (eine Genehmigung der taz-Lizenzabteilung steht noch aus).
Für mich ergibt sich eine “bittere” Konsequenz für das deutsche Staatsoberhaupt, das sich in seiner Beurteilung der documenta15 so bemerkenswert reaktionsschnell gezeigt hat. Eine Entschuldigung bei Millionen indonesischen Familien steht noch aus: für die Verbrechen eines seiner Amtsvorgänger. Seit 57 Jahren.
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