Lindner schafft es immer wieder

mit Update abends

Nein, dies ist keine von meinem Freund Dieter Bott immer wieder geforderte Kritik der heute-show. Die ist in der Sommerpause, und vermisst habe ich sie nicht wirklich. Es geht um den Darsteller Christian Lindner, den “Profi”. Im Vergleich zu seinen Konkurrent*inn*en ist er das – leider – wirklich. Dabei hilft ihm ein einfacher Kniff.

Als demonstrativ heterosexueller Politikerdarsteller bemüht er sich gar nicht erst um die Mobilisierung von Mehrheiten. Im Gegenteil. Wenn wir hier mal die Trends niedriger Wahlbeteiligungen einrechnen, dann genügen ihm mickrige 2,5% zum Politikerleben, und 7,5% der Wahlberechtigten, bei denen die Grünen depressiv aus der Wäsche gucken, wären für ihn Anlass genug für eine Lokalrunde Champagner. Und nicht den billigen von Aldi.

Um das zu erreichen, muss er die Öffentlichkeit nicht überzeugen, sondern im Gegenteil (ganz alte Dialektikschule) gegen sich aufbringen. Gibt es genug Empörte? Dann finden sich auch die paar Reichen, die ihn wählen und bespenden. Das klappt derzeit vorzüglich.

Kathrin Gerlof/bruchstuecke.info hat er sogar ein wenig eingewickelt: “Butter by Lindner (eins)”. Die linke Autorin – wir kennen uns nicht persönlich, haben aber gemeinsame Bekannte – meint das sicher ironisch. Das ist Lindner aber Wurst. Benjamin Braun und Philipp Golka/Jacobin meinen es dagegen gewiss ganz ernst: Lindners Taschen­spieler­trick – Der Finanzminister begründet seine Sparpolitik damit, doch die Geschichte von der Einhaltung der Schuldenbremse ist ein Märchen.” Läuft gut. Aufmerksamkeit, Aufregung gar.

Zwar leiste ich dazu hier auch meinen Beitrag. Aber um dieses Geschehen zu beeinflussen bin ich doch eine zu kleine Mücke. Update abends: Am besten kapiert hat das Polit-Geschäftsmodell des Lindner Tom Uhlig/Jungle World: “Christian Lindner ist ein professioneller ­Lieferant von Spektakeln – Der Gaukler des Kapitals – Bundesfinanzminister Christian Lindner wirkt manchmal geradezu wie eine Parodie auf die neoliberale Ideologie, die er vertritt.”

Ich fasse zusammen: wer seine Empörung gegen Lindner richtet, was hat die*der denn zu Scholz und Habeck auf der Pfanne? Es geht dabei nicht um Mobilisierung von Feindschaft, sondern um ausgearbeitete Kritik. Um besseres Verständnis dessen, was geschieht. Und warum. Dazu gehört auch, aber nicht nur, der Beitrag zum Krieg.

“Irrsinn” oder “System” – oder beides?

Die angeblich bekämpfte Kriegspartei, das Putin-Regime in Russland, konnte sich durch die EU-Sanktionen bereichern wie nie zuvor. Der Krieg in Kombination mit den durch ihn ausgelösten EU-Sanktionen liessen den Ölpreis global explodieren, dass das Putinregime sein Öl an Indien und China als Sonderangebot verkaufen konnte, und Indien, politisch nicht sanktioniert sondern umworben, sogar im Weiterverkauf eine lukrative Handelsspanne realisieren konnte. Ähnliche Geschäfte macht das Erdoganregime. Die sind ja nicht blöd.

“German Silly Money” ist es aber. Und alle können sich darauf verlassen. Deutschland hat in der EU jetzt den Hut auf. Der durch demokratische Wahlen geschwächte Macron ist auf Hilfe angewiesen, und kann keine dicke Lippe (“hirntote Nato”) mehr riskieren. Und was kommt dabei unten raus: Sagenhafte Profite bei LNG: ‘Es ist eine unglaubliche Arbitrage’ – US-Unternehmen streichen 150 Millionen Dollar Gewinn pro Flüssiggas-Schiff ein. Die EU will jeden Preis überbieten. Am Ende zahlen die privaten Haushalte.” Das schreibt Michael Maier/Berliner Zeitung.

Die Betrachtung wird mit Blick in östliche Richtung gestützt, nur dass es dort noch perverser erscheint (aber Krieg ist immer pervers!). Florian Rötzer/overton: Wie die Ukraine den russischen Krieg und Russland den ukrainischen Krieg unterstützt – Es ist schon seltsam, wenn die ukrainische Regierung immer wieder dazu auffordert, Russland weiter zu sanktionieren, und Unternehmen an den Pranger stellt, die noch Geschäfte mit Russland machen, während das Land vom ‘Terrorstaat’ Russland weiter Geld für den Transit von Gas nach Europa nimmt.”

Sie alle kalkulieren mit der Kurzsichtigkeit ihrer Öffentlichkeit. Auch “Unsere”. Christoph Marischka/telepolis, der auch für den Extradienst-Partner imi-online schreibt: Mali: Ende einer gescheiterten Militärpräsenz? – Wie die Bundeswehr sowie andere westliche Streitkräfte und deren Verbündete seit Jahren die Souveränität und Stabilität Malis gefährden, die vorgeblich Ziel des UN-Einsatzes ist.” Ist diese Art Manipulation der Öffentlichkeit schon wieder grosse Kunst? Nur wenige lassen sich so wenig einwickeln wie Charlotte Wiedemann. Was machen die im Auswärtigen Amt und BMVg den ganzen Tag? Können die nicht lesen? Sie wollen nicht.

Ich fasse zusammen: oligarchische Regime wissen aus Krieg und Zerstörung immer Extraprofite zu realisieren. Die menschlichen Opfer und gesellschaftlichen Schäden sind ihnen Wurst. So wie der Herr Lindner eine ist. Der Herr Lindner ist nur die Wurst. Nicht die Metzgerei, und nicht die Massentierhaltung. Es ist beides: Irrsinn und System.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net