Eine Mediathekperle – aber kein Feelgood-Tipp
Merkwürdig: nirgends ist mir eine Vorankündigung oder gar eine Rezension – auch keine Verrisse – aufgefallen. Wer mag an diesem Medienboykott gedreht haben? Wer immer es war: Kompliment, hochprofessionell. Oder machen die das jetzt auch schon freiwillig? Ich jedenfalls war als fachlicher Laie am Dienstagabend zur besten Sendezeit sowohl baff als auch ohnmächtig empört. Es geht um “Asbest, eine unendliche Geschichte” (Video 1:32, Mediathek bis 18.11.).
Mit Asbest hatte ich als angestellter Kommunalpolitiker auch in Bonn immer mal zu tun. Regelmässig, wenn entsprechende Bauten abgerissen oder saniert wurden, beschwerten sich Nachbar*inn*en. Ihre Nervosität war berechtigt. Wieviele Bauarbeiter gibt es, die Asbest-Entsorgung fachgerecht zu handhaben wissen? Aber ich war die ganze Zeit in dem ehrlichen Glauben, es handele sich um eine Altlast. Asbest ist doch verboten.
Wenn es sie nicht sowieso nicht jucken würde, hätten die Herren und Damen der Etex Group S.A. in Brüssel darüber herzhaft gelacht. Und die Filmemacher Thomas Dandois und Alexandre Spalaïkovich auch, allerdings mit sachgerechtem Sarkasmus.
Der Skandal, den der Film der beiden sichtbar macht, betrifft keineswegs nur Asbest, sondern macht die Verlogenheit “wertegeleiteter” EU-Aussenwirtschaftspolitik kenntlich. Wissenschaftliche Erkenntnisse plus die Tatsache, dass sie sich in bildungsbürgerlich geprägten Gesellschaften besser rumsprechen, führt zum Verbot der Anwendung zahlreicher giftiger Stoffe – in der EU. Doch die Welt ist zu gross, um auf Profite zu verzichten. Darum wird das Gift weiter exportiert und in Grosskapital verwandelt. Das Prinzip ist aus der industriellen Landwirtschaft bekannt, die es uns auf den Teller zurückbringt, ohne dass wir es bemerken (sollen). Beim Asbest läuft es ähnlich: es kommt – auch zu uns! – zurück. Es ist eine Welt. Wunderbarer Kapitalismus.
Schade für die Menschen, die dabei umkommen. Aber wenns keine*r bemerkt, juckts auch keine*n. Wie die andern Kriege. Oder der Hunger.
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