Immer häufiger ertappe ich mich dabei, dass ich froh bin, schon so alt (65) zu sein. Die kommenden Jahrzehnte werden gefährlicher, das menschliche Leben gefährdeter, als in den Jahrzehnten zuvor. Wenn es morgen zuende wäre – für mich hat sich das Leben schon gelohnt, es war in vielerlei Hinsicht auf der schönen und sicheren Seite dieses Planeten. Der Glaube, dass das so bleibt, ist weg. Die Mächtigen der Welt, immer mehr von ihnen, sind zu einer explosiven Pokerpartie entschlossen. Nur wenige von ihnen scheinen noch von Vernunft beherrscht. Einer davon ist der Fraktionsvorsitzende der grössten deutschen Regierungspartei Rolf Mützenich. Kein von der FAZ eingemauerter Gastbeitrag, sondern online zugänglich für jede*n, im parteieigenen Onlinemagazin. Danke dafür.

Mützenichs Lagebeschreibung ist sachlich, realistisch und sucht nach Problemlösungen. Es ist selten geworden, dass das zusammentrifft. In Niedersachsen muss es nicht wenige Wähler*innen geben, die das, zur Verblüffung von Friedrich Merz, zahlreichen Demoskop*inn*en und sonstigen Angehörigen des Berliner Hauptstadtghettos, ansatzweise ähnlich sehen. Ich habe weitere Indizien gefunden, warum ich Mützenich für auf dem gedanklich richtigen Weg halte.

Ein strategisches Erdbeben im Nahen Osten

Knut Mellenthin/Junge Welt “Saudis auf Abwegen – »OPEC plus« senkt Fördermenge. USA moniert Moskau-Connection ihres »strategischen Verbündeten«” und – etwas cooler und abwägender Thomas Pany/telepolis “Biden droht Saudi-Arabien – Der Riss zwischen den strategischen Partnern zeigt sich größer als erwartet. Die USA sind keine alternativlose Führungsmacht mehr für Länder im Nahen Osten.” berichten den Achsbruch zwischen den USA und Saudi-Arabien. Als Leser*in wissen Sie, dass es mir schwerfällt, meine Antipathien auf die Beteiligten gerecht zu verteilen. Das ist hier aber auch nicht von Interesse. Tatsache ist ein immenser Machtverlust der USA. Der als “irre” ferndiagnostizierte Donald Trump wusste davon, wurde er doch direkt aus dieser Quelle finanziert.

Was kommt als Nächstes?

Sabine Kebir/Freitag schreibt:Bombe statt Abkommen – Iran Neue Sanktionen werden die Nukleargespräche endgültig zum Erliegen bringen und es wäre eine fatale Konsequenz endgültig gescheiterter Verhandlungen, wenn der Iran in den Besitz eigener Kernwaffen kommt”. Zwischen den Zeilen schimmert bei Frau Kebir ein wenig neidische Geringschätzung der öffentlichen Beachtung für die iranischen Aufstände durch. Das teile ich nicht. Ihre sachliche Beschreibung zur Lage des Abkommens ist dennoch richtig.

Wenn es scheitert, droht folgendes: das iranische Mullahregime treibt die Urananreicherung und die darauf folgende atomare Aufrüstung weiter. Möglicherweise wird Israel versuchen, das durch einen militärischen Präventivschlag zu stoppen. Parallel werden die diversen arabischen Emire, an der Spitze die Sauds, mit ihrem unbegrenzten Kapitalreichtum in den atomaren Rüstungswettlauf mit einsteigen. Das türkische Erdogan-Regime, das jetzt schon ungehindert Krieg führt und Nachbarstaaten überfällt, wird das nicht fasziniert betrachten, sondern ebenfalls mitmachen. Ob Erdogan abgewählt wird – oder Putin gestürzt – das alles würde diese Rutschbahn nicht aufhalten.

Wollen Sie in so einer Welt leben? Ich auch nicht. Wenn diese Unsicherheit nicht von Rechten gekapert – und damit objektiv auf die Spitze getrieben – werden soll, müssen sich Linke und Liberale darum kümmern. Echtes Interesse wäre ein Anfang.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net