Robert Misik und ich haben nur eine kleine Differenz
Es ist, glaube ich, schon ein paar Jahre (Jahrzehnte?) her, dass ich mich selbst als Linksliberalen bezeichnet habe. Heute, bei der Lektüre von Robert Misiks taz-Kolumne war mir, als könnte ich zu dieser alten Gewohnheit zurückkehren. Sowohl bei Antritt meines Zivildienstes 1976 als auch beim Ergattern meines Jobs beim Komitee für Frieden, Abrüstung und Zusammenarbeit (1987) profitierte ich von der Fremdeinschätzung als Linksliberaler – ich sollte der Erweiterung des Bündnisspektrums dienen, und tat es auch.
Nun hat Misik hier die Linksliberal-Definition aktualisiert – und ja, da finde ich mich nahezu perfekt wieder. Herzlicher Dank nach Wien! Nur eine Stelle passt mir nicht: der Schluss. “… wir sind ja auch nicht auf der Welt, damit wir es leicht haben.” Das ist das klassische Selbstaufopferungspathos linksradikaler Linker.
Gerade gestern habe ich wieder einmal guten Freund*inn*en erklärt, wie der Übergang von abhängig beschäftigter Arbeit ins unabhängige Rentner*innen*leben gelingen kann. Ich selbst habe mit diesem Übergang dieses Pathos gaaanz weit hinter mir gelassen. Ich bin nicht mehr leidensbereit, solange das hier real existierender Kapitalismus ist. Und empfehle es auch niemandem. Dafür ist die Zeit zu knapp.
Ein Bravo für die beiden Schlussätze: “Ich bin nicht mehr leidensbereit, solange das hier real existierender Kapitalismus ist. Und empfehle es auch niemandem. Dafür ist die Zeit zu knapp.”
Lenin brachte es m.E. auf den theoretischen Punkt: „Die Menschen werden in der Politik stets die einfältigen Opfer von Betrug und Selbstbetrug, und sie werden es immer sein, solange sie nicht lernen, hinter allen möglichen moralischen, religiösen, politischen und sozialen Phrasen, Erklärungen und Versprechungen die Interessen dieser oder jener Klasse zu suchen.“ (W.I.Lenin: Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus, März 1913, LW 19, S.8)