Der Grüne Bundesparteitag verlief am zweiten Tag über weite Strecken in Harmonie und Einförmigkeit. An der Außenpolitik gab es keine substanzielle Kritik. Auch die mangelnde Bereitschaft der Bundesaussenministerin, die durchaus umstrittenen Signale der Verhandlungsbereitschaft Putins in seiner Rede vor einer Woche zumindest auf Ernsthaftigkeit zu überprüfen, wurde nicht kritisiert, sogar zaghafte Versuche der friedenspolitischen Nachdenklichkeit, wie sie etwa Partei”fossil” Karl Koch in die offiziellen Anträge hineinstimmen wollten, wurden mit riesiger Mehrheit vom Tisch gewischt.
Nein, in Kriegszeiten will die Grüne Partei unbedingt geschlossen stehen. Aber die Zahl der Zumutungen war zu groß, als dass sich nicht doch noch die grüne Seele Luft verschaffen würde. Hatte Jürgen Trittin noch durch seine Anschärfungen des AKW-Antrags des Bundesvorstandes durch das für die Regierung nicht einfache Einziehen der roten Linie, dass keine neuen Brennstäbe angeschafft werden dürfen, die Kritiker des Streckbetriebes einfangen können, spitzte sich die Laune der Delegierten in Bonn am frühen Sonntagnachmittag noch einmal zu. Nach einer engagierten Rede Luisa Neubauers, die den Grünen die klimapolitische Realität vorhielt, dass sich die derzeitigen Beschlüsse der Bundesregierung auf einem 4%-Erderwärmungskurs statt eines 1,5% Zieles befinden, kam ein Antrag der Jungen Grünen zur Abstimmung, der bei aller Anerkennung des Erreichten ein Aussetzen der Rodungen um Lützerath und eine unabhängige Überprüfung der Zahlen der RWE forderte.
Den NRW-Deal mit RWE hinterfragt
Den Namen Timon Dzenius sollte man sich merken. Er hat nämlich in einer logischen und messerscharfen Rede den “Deal” der NRW-Grünen in der schwarz-grünen Koalition sachlich seziert und – wie schon zuvor Luisa Neubauer – den Finger in die Wunde gelegt, dass der “RWE-Deal” zugesteht, bis 2030 nahezu genauso viel CO2 freizusetzen und Braunkohle zu verbrennen, wie im Kohlekompromiss bis 2028 vorgesehen. Schon zuvor hatte sich die NRW-Energieministerin Neubaur schwer getan, den Deal zu vermitteln. In der Gegenrede holte nun Oliver Krischer, der NRW-Umweltminister zum großen Schlag aus und behauptete, ein “Moratorium” für ein Jahr würde die gesamte Übereinkunft in Frage stellen. Doch diese Drohung blieb ebenso wenig überzeugend, wie der durchsichtige Appell von Ricarda Lang, doch das politische Ganze zu sehen, nachdem Kathrin Henneberg, Bundestagsabgeordnete aus der Region, noch einmal dringend appelliert hatte, eine Eskalation der Lage vor Ort durch gewaltsame Räumungen zu meiden. Dreimal musste über den Änderungsantrag abgestimmt werden und erst mit der dritten, schriftlichen Abstimmung wurde der Antrag mit einer denkbar knappen Mehrheit von 315:294 abgelehnt. Ein Pyrrhussieg.
Ohrfeige für Neubaur und Krischer
Nachdem der Grüne Parteitag zwei Tage lang seinem Bundesvorstand und vor allem den Regierungsmitgliedern in Berlin den Rücken gestärkt und sie in allen Fragen unterstützt hat, ist dieses Abstimmungsergebnis eine politische Ohrfeige für den “NRW-Deal” mit der RWE, den sowohl Krischer, als auch Lang als solchen benannten und damit der Kritik von Luisa Neubauer letztlich recht gaben. Das, was die “Energierealos” um den Strippenzieher Rainer Priggen, Neubaur und Krischer mit der CDU ausgehandelt haben, hat offensichtlich einem Stesstest des Parteitags nicht standgehalten. Die NRW-Grünen wären gut beraten, diese Ohrfeige des Bundesparteitages nicht auf die leichte Schulter zu nehmen. Neubaur sollte in der Tat mittels unabhängiger Gutachten prüfen und untersuchen lassen ob es der Abbaggerung von Lützerath wirklich noch bedarf. Denn eine gewaltsame Durchsetzung dieser Politik an diesem Symbol würde der Glaubwürdigkeit der grünen Klimapolitik in NRW noch mehr schaden – angekratzt ist sie selbstverschuldet so oder so.
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