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Die “Helden” von Katar

Was haben sie alle die Backen aufgeblasen, die Funktionäre des DFB, die Finanzmillionäre auf dem Rasen und ihre Büchsenspanner, Wasserträger und Profiteure im Fußballgeschäft. Die “One-Love”-Armbinde wollten sie tragen – nicht etwa die klare Regenbogenbinde, das Symbol von diversem Leben individuellen Freiheitsrechten. “One Love” war bereits eine halbe Distanzierung, ein Menschenrechtlein, denn kein Regenbogen enthält in der Mitte Schwarz, Rosa neben Grün, Knatschblau neben Gelb – auch optisch eine einzige Geschmacksverirrung!

Wochenlang versuchten sich Funktionäre und Spieler ein positives Image einzureden, vermittelten zum Teil dem erstaunten Auditorium, als seien sie die Speerspitze des Kampfes um die Menschenrechte in Katar, die heldenmutig ihr Bekenntnis für die Gleichheit aller Geschlechter den bornierten Diktatoren und Geldsäcken in Kaftan und Galabea vom Spielfeld aus entgegenschleudern.  Dieser Heldenmut ist heute von einem lauen Lüftchen davongeweht worden. Der korrupte Boss der Sieben-Milliarden-Euro-Gewinnshow drohte in reiner Willkür mit “sportlichen Sanktionen” – also zum Beispiel einer Gelben Karte. Und schon beschloss der DFB zusammen mit sechs anderen mutigen europäischen Funktionärscliquen, dass sie dieses Risiko ihren armen millionenschweren Ballkloppern nicht zumuten könnten.

“Arme” Spieler nicht überfordern

Muss man ja verstehen – die tragen ja auch ein Wahnsinns-Risiko.  Zum Beispiel,  keine Prämie von € 400.000 zu bekommen, die den deutschen Spielern bei einem WM-Titel winken würde – wenn sie nicht so lausig spielen würden. Aber mal probieren, sich gegen den dreisten Willkürakt eines Gelddespoten Infantino im Dienste von Gas- und Öldespoten durchzusetzen – das ist natürlich zuviel: ein unzumutbares Risiko für die armen Ballsensibelchen. Von denen wollten wohl einige trotzdem durchziehen, was sie – allen voran Manuel Neuer – schon mal angefangen hatten. Aber die Funktionäre knickten ein. Dass es längst um ganz andere Freiheitsrechte wie die Presse- und Informationsfreiheit geht – als sich die englische Mannschaft aus Protest niederkniete, wurden die Kameras ausgeschaltet – haben einige überhaupt noch nicht begriffen.

Widerstand gegen Willkür gilt immer

Ich kenne zwar keine Fußballregel, die es vorsieht, für das Tragen einer Kapitäns-Armbinde eine gelbe Karte zu geben. Aber die Jungs, die sonst jede Feinheit kennen, um vor der Strafraumgrenze Umnieten, Festhalten am Trikot, hohes/gestrecktes Bein, auf den Fuß steigen und vieles andere, was mit Gelben Karten bestraft wird, durchzuziehen, dürfen natürlich nicht so einem Stress ausgesetzt werden. Wo kämen wir denn hin, wenn sie  dadurch lernen würden, sich gegen Willkür zu wehren! Zivilcourage – um Himmels Willen! Das könnte am Ende hochbezahlte “Spielerberater” ihre Millionen kosten oder sie gar überflüssig machen! Das darf natürlich nicht passieren. Da haben der mutige DFB-Präsident und Bierhoff und die ganze Funktionärskamarilla natürlich recht: Schwanz einziehen heisst die vorbildliche Parole!

Keine Woche könnte Infantino das durchhalten

Denn was könnte denn schlimmstenfalls passieren? Da verteilen Schiedsrichter gelbe Zensurkärtchen, die vor keinem Sportgerichtshof Bestand hätten und schon gar nicht vor ordentlichen Gerichten, denen die FIFA in der Schweiz unterliegt. Und wenn die Gelben Karten verteilt werden und die Binden immer wieder auftauchen, was würde klarer werden, als der totale Gesichtsverlust dieser korrupten FIFA-Mafia? Keine Woche könnten Infantino und Co. das durchhalten! Da musste dieser unschuldige von Skandalen nicht belastete, mutige Bernd Neuendorf kommen, um vorzuführen, wie leicht das Rückgrat des DFB nach wie vor zu brechen ist? Da ist ja manche Kreisvorsitzende der Jungen Union im Umgang mit ihren Parteigranden der CDU mutiger. Nehmen Sie bloß nie wieder das Wort “Menschenrechte” in den Mund, Herr Neuendorf!

Iranische Mannschaft zeigt Zivilcourage

Dagegen haben heute 11 Spieler des Iran auf dem Platz die Hymne verweigert – ein Verstoß gegen die Etikette des Mullah-Regimes und eine versteckte Demonstration der Solidarität mit den kämpfenden Frauen im Iran. Sie riskieren damit in der Tat viel mehr, als die “Freiheitskämpfer” des DFB. Die mögliche Verhaftung bei ihrer Rückkehr, Repressionen gegen Familie und Verwandte im Iran, vom Spielverbot bis zur Gefängnis- und Todesstrafe.  Sportlich haben sie wenig Chancen weit zu kommen, aber charakterlich haben sie die gesamten Funktionärskader von FIFA und den europäischen Fußballverbänden an die Wand gespielt!

Arsch huh!

Vor 30 Jahren hieß es auf dem Kölner Chlodwigplatz: Arsch huh – Zäng ussenander! Das wäre den Spielern und Funktionären des DFB jetzt auch zu wünschen.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Martin Böttger

    Mein Vorschlag für den Mut der deutschen Feiglinge: so spielen wie die Weltmeisterinnen USA (1:1 gegen Wales) und zügig nach der Vorrunde nachhause (wie 2018). In den USA hat das immerhin dazu geführt, dass dort Frauen vom Fussballverband die gleichen Siegprämien wie Männer bekommen. Von diesem Gedanken, den sogar der Bundeskanzler populistisch nutzte, war/ist der DFB noch weit entfernt.

  2. Detlev Knocke

    Money Males the world go round. oder Geld regiert die kapitalistische Welt oder auch : Es gibt halt böse Diktaturen z. Russland ) und „gute“ Diktaturen. We was ist bestimmt die Bundesregierung. Also warum Moralinsauer über der FIFA bzw DFB bzw den Spielern ausschütten, richtig wäre ein Boykott gewesen, aber das schien politisch nicht opportun zu sein., man benötigt ja die Energie aus der „guten“ Diktatur .

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