Der Oligarch und Faschist Elon Musk hat dem Oligarchen und Faschisten Donald Trump ein für ihn wichtiges Agitationsmedium wieder freigeschaltet. Trump darf seine Tiraden, Drohungen und Verbalinjurien ab sofort wieder auf dem asozialen Medium “Twitter” ohne Einschränkungen verbreiten. Wie weit dessen intellektueller Dreck und seine strukturelle Gewalt wirklich Verbreitung finden wird, liegt an denen, die die Absonderungen von Verachtung für Menschlichkeit und sozialen Zusammenhalt, Sitte und Anstand,  gegenseitiger Achtung und Menschenwürde wieder zulassen.

Es war ein oder zwei Tage nach der US-Präsidentanwahl 2020, als ich CNN eingeschaltet hatte und die Ergebnisse immer klarer wurden, dass Joe Biden die Wahl gegen Donald Trump gewonnen hatte, als der schwarze Moderator des Senders in Tränen ausbrach. Er war spontan in Tränen aufgelöst, weil er “nun Hoffnung hege, dass das jahrelange Verhöhnen der Schwarzen im Alltag, die ganzen unterschwelligen rassistischen Spitzen, die Hetze gegen Immigarant:inn:en das ständige Ausspielen schwacher sozialer Gruppen – ob Unterschicht, Mittelschicht oder Obdachlose gegeneinander, das Schüren von Hass und Verachtung gegenüber Armut nun ein Ende habe.” Die Gemeinheiten, die er nicht nur als Moderator von Nachrichten erlebte, sondern die auch seine Frau und Kinder im Alltag, in öffentlichen Verkehrsmitteln, beim Einkaufen und auf dem Schulweg von Mitbürger:inn:en ertragen mussten, würden enden. Das berührte und das ist strukturelle Gewalt, die Trump via Twitter ausgeübt hat, und die Musk nun wieder zulässt.

Trump ist eine Gefahr für die Demokratie – weltweit

Dies war der Moment, in dem ich persönlich spüren und nachvollziehen konnte, welche Form struktureller Gewalt dieser Donald Trump, dieser antidemokratische Lügner, Betrüger und Erpresser im Amt des Landes, dessen Präsident John F. Kennedy mich einst als kleiner Junge beeindruckt hatte, nicht nur der Demokratie in seinem Land angetan hat, sondern wie er weit darüber hinaus die demokratische Öffentlichkeit in den westlichen Demokratien mit seinen Tiraden gegen  Menschenrechte und Flüchtlinge,  sozialen Zusammenhalt und Gerechtigkeit terrorisieren konnte.

Mir wurde in diesem Moment ganz persönlich klar, wie ich selbst drei Jahre lang bei jeder Tagesschau oder den DLF-Nachrichten fürchtete, welche Gemeinheit oder Verachtung Trump heute wieder per Twitter als Sau durchs globale Dorf treiben würde. Sein System der Menschenverachtung stützt sich auf diese Form struktureller Gewalt, die im Zeitalter der IT-Technologien über asoziale Netzwerke nur deshalb ausgeübt werden kann, weil die klassischen Medien – Zeitung, TV und Radio – die asozialen Medien nicht nur zitieren, sondern einige von ihnen, allen voran “Bild” oder “Welt” (Fernsehen) ihre Desinformationen als bare Münze aufnehmen und durch ihre Aufmerksamkeit adeln. Wenn Musk Trumps Tiraden auf Twitter ermöglicht, wird er dadurch selbst zu einem Grundpfeiler struktureller Gewalt.

Gegen Trumpismus die freie Presse stärken!

Eigentlich selbstverständlich wäre, dass öffentlich-rechtlichen Medien Twitter  deshalb als unseriöse Quelle behandeln. Sie nicht mehr für Meldungen und Neuigkeiten zu zitieren und die Gründe der Öffentlichkeit auch deutlich zu machen, wäre konsequent und geboten. Ähnlich wie bei der FIFA muss Twitter als Werbeträger für Sponsoren und werbende Konzerne geächtet werden. Denn der neue Besitzer hat alles getan, um Selbstkontrolle und Bekämpfung von Fake News zu beenden. Die millionenschweren Sponsoren sind jedoch, das wird häufig vergessen, weltweit nach dem “Code of Conduct”, der UNO, den Kofi Annan 2000 durchgesetzt hat, an “Compliance – + Good Governance-Regeln” gebunden. So sanft diese Kriterien auch formuliert sind: Als Instrument für NGO, Greenwashing, Korruption oder Menschenrechtsverletzungen nachzuweisen, sind sie ein geeignetes Mittel der Kontrolle. Niemand möchte gerne als Verletzer des Code of Conduct bloßgestellt werden. Insofern liegt in der Berichterstattung über den Einsatz von Werbegeldern auf demokratiefeindlichen und (a)sozialen Medien eine gute Chance, die Verhältnisse zu verändern.

Presse- und Informationsfreiheit nicht nur formal gewährleisten

Pressefreiheit bedeutet nicht – auch wenn in vielen Ländern durch Medienmogule wie Murdoch oder Springer Konzentrationsprozesse weit fortgeschritten sind, – die Freiheit von ein paar wenigen kapitalstarken Verleger:inn:en, dieses Grundrecht auszuüben. Pressefreiheit umfasst vielmehr die gesellschaftlichen Bedingungen, die es ermöglichen, dass Presse- und Informationsfreiheit keine formalen Grundrechte auf dem Papier sind, sondern materiell verwirklicht werden. Das setzt ein funktionierendes Gesamtsystem an unabhängiger, auch untereinander in Konkurrenz stehender Presse- und Medienvielfalt voraus. Diese materiell gegebene und nicht nur theoretisch postulierte Meinungsvielfalt ist aktuell auch im “Westen” in großer Gefahr. Denn schon lange entziehen die (a)sozialen Medien mit ihren Algorithmen, die die Nutzer:inn:en und ihr Verhalten ausspähen und analysieren und deshalb personalisierte Werbung anbieten können, der freien und unabhängigen Presse Werbemilliarden – weltweit. Sie sind deshalb der natürliche Feind eines unabhängigen Journalismus. Und damit der Demokratie. Vor dem Hintergrund dieser entscheidenden Auseinandersetzung im Kampf um die Finanzierung der Presse als “vierter Gewalt” in der Demokratie hat der Umgang mit Twitter wesentliche Bedeutung.

Feinde der Pressefreiheit

Vor diesem Hintergrund der Gefährdung der Pressefreiheit durch Finanzentzug erhält die Quasi-Kapitulation des WDR-Intendanten Tom Burow vor den Kräften, die – unter dem Vorwand von Skandalen wie beim RBB – den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zugrunde richten und ihm die finanzielle Basis für Recherche und Journalismus entziehen möchten, den Charakter eines Verrats an der Demokratie und der verfassungsgemäßen Ordnung. Und es ist die Frage zu stellen, inwieweit er mit seiner skandalösen Rede in Hamburg gegen die Konstitution seines Senders die  arbeitsvertragliche Verpflichtung gebrochen hat, als Intendant die Interessen des WDR und der Verfassung zu wahren. In der Wirtschaft ein Grund für eine fristlose Kündigung.

Wer einen weitgehenden Einheitsfunk durch Zusammenlegung schaffen will, dazu noch bundesweit und maingestreamt, der Ländervielfalt entzogen, handelt verfassungsfeindlich und spielt Kräften von ganz rechts in die Hände, die wie Berlusconi in Italien die unabhängige Presse zum Schweigen bringen wollen. Das gilt auch für die Zusammenlegung von ARD und ZDF. Es geht um die demokratische Öffentlichkeit als Voraussetzung für Demokratie – und einen Kampf um die Verteidigung der Grund- und Freiheitsrechte des Grundgesetzes. Mit der freien Presse und dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk verteidigen wir die Freiheit und die Demokratie. Nicht mehr und nicht weniger.

Wohin es führt, wenn Politik und Journalismus diese Wahrheit ignorieren, kann jede:r auf der italienischen Regierungsbank betrachten.

Über Roland Appel:

Roland Appel ist Publizist und Unternehmensberater, Datenschutzbeauftragter für mittelständische Unternehmen und tätig in Forschungsprojekten. Er war stv. Bundesvorsitzender der Jungdemokraten und Bundesvorsitzender des Liberalen Hochschulverbandes, Mitglied des Bundesvorstandes der FDP bis 1982. Ab 1983 innen- und rechtspolitscher Mitarbeiter der Grünen im Bundestag. Von 1990-2000 Landtagsabgeordneter der Grünen NRW, ab 1995 deren Fraktionsvorsitzender. Seit 2019 ist er Vorsitzender der Radikaldemokratischen Stiftung, dem Netzwerk ehemaliger Jungdemokrat*innen/Junge Linke. Er arbeitet und lebt im Rheinland. Mehr über den Autor.... Sie können dem Autor auch im #Fediverse folgen unter: @rolandappel@extradienst.net