mit Update 7.12.
Ich war Fan der ZDF-Serie “KDD – Kriminaldauerdienst”. Sie wurde 2007-10 versendet. Im gleichen Polizeimilieu ist auch – die ebenfalls herausragende – ZDF-Reihe “Nachtschicht” von Lars Becker angesiedelt. KDD wurde wöchentlich ausgestrahlt, und wg. mangelnder Einschaltquote nicht verlängert. “Nachtschicht” erscheint immer nur mit einer neuen Folge im Jahr montags zur Primetime und hat keine Quotenprobleme. Beiden gemeinsam ist die inhaltliche Inspiration durch einen strippenziehenden sich voll mit seinem Ding identifizierenden Macher, ein herausragend gecastetes Ensemble, von denen jede*r Einzelne gerne dabei ist. Stimmigkeit in allen Teilen. Gutes Krimi-Fernsehen. Da könnte der “Tatort” noch viel von lernen.
Orkun Ertener war seiner Zeit mit dem horizontalen Erzählen voraus. Der Freitagabend im ZDF war durch Reinecker/Rademann-Dünnbrettbohrereien und ihre billige Konfektionsware kontaminiert. Das überalterte Publikum mochte das nicht. Ich aber. Darum habe ich KDD-Erfinder und -Autor Orkun Ertener 2009 für den Freitag interviewt. Ich erfuhr, dass er seinen Stoff durch Recherchen in Köln gewann; die Serie dagegen war im für stylischer gehaltenen Berlin angesiedelt. Für Schauspieler*in wie Melika Foroutan, die heute den iranischen Widerstand unterstützt, oder Barnaby Metschurat war sie ein Karrieredurchbruch.
Heute erinnerte ich mich, dass ein Ertener-Interview von David Denk/uebermedien endlich aus der dortigen Paywall freigelassen sein müsste. So ist es. Ertener erweist sich dort als nicht kontroll- aber arbeitssüchtig. Die Begriffsschöpfung “Creative Producer” versucht das zu erfassen. Ertener hat einen klaren – im Kern materialistischen – Blick auf die real existierenden Produktionsverhältnisse der was-mit-Medien-Welt. Was unten rauskommt, wirkt auf mich überzeugend. Die sog. Dramaserie – ein Label, das mich eher abschreckt, weil es Taschentücher anmahnt – “Neuland” kommt auf meine Alternative-zur-WM-Boykott-Liste. Weil sie von Ertener ist.
Update 7.12.
Gestern und heute war es so weit. Ich begann “Neuland” zu gucken, dachte mir, die sechs Teile über die kommenden Tage zu verteilen. Doch daraus wurde nichts. Zwar gings im ersten Teil sehr “Dramaserien”-mässig zu, aber während des zweiten Teils wurde mir klar, dass es in Bingewatching endet. So ist es gekommen.
Wegen der nächtlichen Stunde, in der ich das hier schreibe, nur so viel: es handelt sich wohl um den gegenwärtigen Gipfel deutscher Filmproduktionskunst. Alles erstklassig, vor allem die zu sehenden Immobilien, die mich an Hamburg-Blankenese denken liessen. Diese Wahl ist wohl mit den Hamburg-Klischees zu erklären, die in einer Münchener Produktionsfirma gepflegt werden. Sie gehört zum Imperium des Fred Kogel, der lebenslänglich beste Geschäftsbeziehungen zum ZDF gepflegt hat und pflegt. Ein stärkeres Dach konnte Orkun Ertener nicht finden.
Mein Lieblingszitat, aus dem Mund einer fiesen Schulleiterin: “Sie müssen wissen, wie gefährlich diese Eltern sind.” Das gilt bekanntlich weit über Blankenese hinaus. Es sind die, gegen die sich Olaf Scholz nicht zu regieren traut: toxische Männer, die ihre Frauen und Kinder mitvergiften.
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