Die Sündenbock-Suche des DFB nach dem WM-Desaster gestaltet sich kompliziert und vielfältig
Der Werbefuzzi und -berater Raphael Brinkert kam im Extradienst bisher zweimal vor. Das ist quantitativ wenig, war aber immer von hoher Bedeutung. Er war bei der Havarie einer CDU-Wahlkampagne dabei (Europawahl 2019). Und wurde in den dortigen inneren Machtkämpfen zum Sündenbock erwählt. Danach wechselte er die Seite zur notleidenden SPD – beide erlangten 2021 einen Sensationserfolg. Erfolge haben viele Väter. Und Bescheidenheit in diesem Geschäft wäre geschäftsschädigend – so sieht es Brinkert auch.
Nach einem informativen Bericht von Marcus Bark für die ARD-Sportschau war Brinkert nun auch im DFB-Desaster in Qatar mittendrin. Dort ist, sichtbar selbst für alle, die es nicht interessierte, alles nach dem Prinzip “shit happens” gelaufen. Bark legt mindestens den Verdacht nahe, dass die Werbefuzzis Marke Brinkert beim Fussballspielen keine grosse Hilfe waren, eher eine Störung. Möglich ist das. Hinzu kam die offene Interessenkollision als Berater des in der Öffentlichkeit bislang gut dastehenden Spielers Leon Goretzka.
Mag sein, dass manche den Mann seit der Bundestagswahl für einen Wunderknaben halten. Das ist er gewiss nicht. Die beste Werbeagentur für Olaf Scholz und seine SPD war die CDU/CSU mit Armin Laschet und Markus Söder an der Spitze. Da hätte Brinkert schon viele Unfälle bauen müssen, um den – nicht doofen und überaus vorsichtigen – Scholz nicht ins Ziel zu bringen.
Woher nun der Wunderglaube des derangierten DFB? Offensichtlich hat er in der Defensive zu seiner misslichen Lage noch zahlreiche Fehler hinzugefügt. Dank der überaus erfolgreichen #boycottqatar2022-Kampagne war der Glaube, dass sich alles beruhige, wenn erst der Ball rollt, weg. Stattdessen wurde Kritik, die an die Qatar-Beziehungen der wertegeleiteten Bundesregierung Scholz/Baerbock/Habeck zu richten wäre, auf magische Weise auf die WM und den DFB projiziert. Und der, instabil wie er ist, war in keiner Weise in der Lage, den Konflikt zu managen, einzufangen und von den 20-jährigen Leistungssportlern fernzuhalten. Im Gegenteil. #boycottqatar2022 hat also in Deutschland sein Ziel mit dem Ausscheiden in der Vorrunde 100% erreicht. Mehr ging nicht. Das Handwerkszeug der Dialektik wurde mustergültig eingesetzt. Davon können die teuren Werbefuzzis noch was lernen.
Hat Brinkert also – neben den anderen DFB-Leuten – schwere Fehler gemacht? Mit Sicherheit. Der erste war schon, einen Job vom DFB anzunehmen. Wer hat ihm den angedreht? War es der fachzuständige Steffen Simon, der sich in Doha von allen TV-Kameras (weise, sehr weise!) ferngehalten hat? Oder wurde Simons Kompetenz geringgeschätzt und er vom Chef, dem Scholz-Genossen Bernd Neuendorf direkt mal mit Karacho übergangen?
Womit so oder so klar ist: es gibt keinen Sündenbock. Sondern eine ganze Herde von Böcken.
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