Die Filmemacherin Cho Sung-hyung hat die deutsche Frauenfußballmannschaft 2011 für einen Dokumentarfilm begleitet. Sie sagt: Der DFB sei intern autoritär strukturiert.

Deutschland ist nach der Vorrunde raus. Nun wird über den Grund für die Blamage debattiert und der Schuldige soll gefunden werden. Es wird über die schwache Mentalität der schwachen Generation gesprochen. Diese sei arrogant und ihr fehle das gewisse, dreckige Etwas, das die Nationalelf unbedingt für den Sieg benötigt. Die Rede ist auch davon, dass es dem Trainer nicht gelungen sei, ein funktionierendes Team zu formen. Hansi Flick sei zu freundlich, er schreie niemanden an …

Ich habe zu dem Aus der deutschen Mannschaft eine andere Meinung. Für mich ist der DFB selbst der Hauptschuldige. Ich wundere mich eigentlich darüber, wie gut die deutsche Mannschaft spielen kann, trotz der toxischen Stimmung innerhalb des Verbands. Der DFB ist ein Paradebeispiel für ein totalitäres System, in dem eine Kultur der Angst gehegt und gepflegt wird. 2011 hatte ich die Gelegenheit, den DFB aus nächster Nähe kennenzulernen, als ich die deutsche Nationalelf der Frauen zur WM begleitet habe.

Damals war ich geschockt und entsetzt darüber, wie solch ein totalitäres System im modernen Deutschland existieren, möglich sein konnte. Beim DFB durfte man weder seine Meinung frei äußern, noch offen diskutieren. Alle hatten Angst und man konnte sich unmöglich auf Sport konzentrieren, geschweige denn locker und entspannt Fußballspielen. Extremer Druck von oben und große Angst vor Versagen und Fehlern waren Alltag in diesem Klima der Angst.

Damals habe ich mich auch sehr darüber gewundert, wie solch unfähige Menschen solche wichtige Positionen beim DFB innehaben konnten. Ihre Fähigkeiten bestanden einzig in Arschkriechen, sie besaßen jedoch den unbedingten Willen zum Konformismus. Diese Funktionäre waren eigentlich ihrem Job nicht gewachsen, daher nicht souverän, und machten sich und den anderen enormen Druck. Der ging von oben systematisch nach unten bis zu den Spielerinnen.

Intern war die Nationalelf diesem hohen Druck schutzlos ausgesetzt, nach außen musste sie aber immer gute Miene zu diesem bösen Spiel machen und Freude vorgaukeln. Jeder einzelne Tag verlief für die Mannschaft unter extremer Anspannung. Obendrein wurde das Team immer wieder für irgendwelche Werbemaßnahmen oder scheinheilige gesellschaftlich relevante Veranstaltungen eingesetzt.

Damals lernte ich, wie ein totalitäres System intern funktioniert. In dem System DFB, wie es momentan ist, ist ein Erfolg meiner Meinung nach eine „Mission Impossible“. Leider konnte mein Film „11 Freundinnen“ nichts davon abbilden, was ich hier berichte. „11 Freundinnen“ ist auch der schwächste Film, den ich jemals gemacht habe.

Die Zensur, der Druck und die Schikane vom DFB waren viel schlimmer als in Nordkorea. Ich arbeite lieber in Nordkorea als mit dem DFB. Toi, toi, toi also für unsere tollen Spielerinnen und Spieler! Hoffentlich werden sie nicht mehr so oft zu solch blöden, scheinheiligen Dingen (wie das Mundzuhalten in Katar, Anm. d. Red.) genötigt.

Cho Sung-hyung wurde 1966 in Busan, Südkorea, geboren. Sie ist eine deutsch-koreanische Filmregisseurin, Filmeditorin und Professorin. Die Mutter von Cho Sung-hyung war Krankenschwester in Hannover und Cho lernte im Goethe-Institut in Seoul Deutsch, wo sie Deutsche Literatur kennenlernte. Später studierte sie in Seoul Kommunikationswissenschaft und kam 1990 nach Deutschland, wo sie ein Studium der Kunstgeschichte, Medienwissenschaften und Philosophie in Marburg absolvierte. Sie arbeitete als freiberufliche Editorin und leitete Schnitt-Seminare am Filmhaus Frankfurt und am SAE Institute. Zunehmend führte sie auch Regie in den Bereichen Dokumentarfilm und Musikvideo. Zwecks ihres 2016 entstandenen Dokumentarfilms „Meine Brüder und Schwestern im Norden“ musste sie ihre südkoreanische Staatsbürgerschaft aufgeben, da das nordkoreanische Politsystem ihr ansonsten keine Einreise- und Drehgenehmigung gegeben hätte, und weil Südkorea die Reise südkoreanischer Staatsbürger nach Nordkorea als Staatsverrat ahndet.

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