Schon in den 90ern, als es “dieses Internet” gab, amüsierte ich mich über Mitpendler*innen, die im Zug zwischen Düsseldorf und Bonn den Spiegel lasen. Der erschien damals montags. Und die lasen ihn mittwochs immer noch. Es war und bleibt mir ein Rätsel, wie Mittelschichtbürger*innen auf diese Weise politische Bildung erwerben wollen. Manches hat sich seitdem verändert, aber manches bis heute nicht. Stichwort: “Marokkogate”.
Verdutzt stellte ich gestern Abend fest, dass dieser 11 Tage alte Extradienst-Text wieder im “Meistgelesen” auftauchte. Verdutzt hörte ich heute morgen in den DLF-Nachrichten, dass der Spiegel gemeldet habe (hinter Bezahlmauer!), was Ralf Streck bei telepolis (auf den ich hingewiesen habe) schon vor knapp zwei Wochen berichtete, und zwar aus öffentlichen Quellen, dem belgischen Le Soir und der italienischen Repubblica.
Heute ist das 11 Tage alte Extradienst-Marokkogate auf der ersten Trefferseite eines kalifornischen Suchmaschinenmonopolisten. Mann gönnt sich ja sonst nichts. Sie als Leser*in wissen, dass ich nur Amateur und Rentner bin. Wenn Spiegel-Redakteure von dem Honorar des Kollegen Streck betroffen wären, würden sie sich von der Köhlbrandbrücke stürzen, weil sie sich das Futter für ihre Pferde nicht mehr leisten können. Was haben die nur all die 11 Tage gemacht? Und die Nachrichtenagenturen? Und die DLF-Nachrichtenredaktion?
Den Zusammenhang mit der – wertegeleiteten? – Flüchtlings- und Türkeipolitik der EU haben Sie übrigens weiterhin im Extradienst exklusiv. Darüber informieren Sie sich besser bei Proasyl oder Amnesty International. Oder noch besser: bei ihrer lokalen Flüchtlingsinitiative.
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