Vor vierzig Jahren hat der Autor selbst noch am Dreikönigstreffen der F.D.P. – damals noch mit Pünktchen und liberal – teilgenommen. Allerdings nur am 5. Januar, dem Landesparteitag. Schon damals, ein Dreivierteljahr vor dem Bruch der sozialliberalen Koalition durch die Parteioberen Lambsdorff. Genscher und Scheel waren die “Kundgebungen” der baden-württembergischen FDP gemeinsam mit der Bundesspitze eine langweilige Inszenierung, zu der kritische Parteimitglieder gar nicht erst hingingen. 40 Jahre später ist das nicht anders.
Vor einem Publikum, dessen Durchschnittsalter sich offensichtlich eher um die 70 konzentrierte und Frauen eine kaum sichtbare Minderheit darstellten, hatte Christian Lindner erst einmal mit Klimakritikern zu tun, die einen schlechten Gesang von der Empore boten und dem schlagfertigen Parteichef damit eine Steilvorlage boten, der sie bat, “sich doch möglichst lang hier festzukleben”, damit sie nicht woanders stören könnten. “Witzle ‘macht”- sagt man auf schwäbisch dazu. Einigen FDPlern war das schon zu liberal, sie forderten lautstark gewaltsames Durchgreifen. So ist die FDP von heute.
Lauter alte Hüte
Obwohl die Wähler und noch viel weniger die Wählerinnen die Themen der FDP in den letzten vier Landtagswahlen weder die vorgestrige Atomkraftliebe, noch die Verkehrspolitik, noch den Rückfall in die alte Steuersenkungslitanei honoriert haben, zog sie Christian Lindner (NRW) in seiner Rede wieder aus der Tasche. Atomkraft wider jede Vernunft auf Jahre hinaus, um es den Grünen mal richtig zu zeigen – nicht etwa weil es ökonomisch oder ökologisch sinnvoll wäre. Ach ja – und die NRW-Abgeordnete Strack-Zimmermann wurde hochleben gelassen für ihren Kurs für Panzerlieferungen, die die Firma Rheinmetall in ihrem Wahlkreis Düsseldorf hoch erfreuen werden. 100 ältere Leoparden haben sie ja noch auf Lager. Und der FDP-Generalsekretär kommt auch aus NRW. Was Nicht-Insider der FDP nicht wissen können: eine derartige politische NRW-Dominanz auf einem Dreikönigstreffen der traditionell linksliberalen FDP-DVP Baden-Württemberg wäre noch in den 90er Jahren undenkbar gewesen. Ein weiteres Zeichen des politischen Verfalls.
Freiheitsbegriff an Corona gemessen ?
Ein weiteres Beispiel der Verflachung liberaler Politik war die Rede des Generalsekretärs, der Freiheit vor allem am Grad der Freiheitsbeschränkungen von Corona bemaß. Dabei macht der 90-jährige Parteikritiker und Oldie Gerhart Baum doch vor, wo die Stärken der FDP liegen könnten: in einer klaren Positionierung für Freiheitsrechte und gegen Populismus und Rechtsextremismus, für eine differenzierte Sicht der Aktionen der jugendlichen Klimagegner*inne*n, die sich für die Zukunft der Menschheit engagieren und dabei zivilen Ungehorsam in Kauf nehmen. Oder eine liberale Justiz- und Sozialpolitik, die nach den Ursachen der Gewalt von Jugendlichen fragt. Stattdessen bewegt sich das Niveau der FDP auf dem der baden-württembergischen Generalsekretärin, die nun weiss, woher die Farbe “Giftgrün” kommt. Der Generalsekretär Bijan Djir-Sarai selbst merkt gar nichts, wenn die FDP für die vier in 2023 anstehenden Landtagswahlen ausschließlich Männer ins Rennen schickt. Die Wählerin wird es merken, das ist unausweichlich.
Außenpolitik: Fehlanzeige
Es ist kein Wunder, dass der einzige hochqualifizierte FDP-Politiker im Bundestag, Alexander Lambsdorff in der aktuellen Situation des Ukraine-Krieges, der nach einer liberalen Linie in der Außenpolitik geradezu schreit, während sich Walter Scheel, Hans-Dietrich Genscher, Klaus Kinkel und selbst Guido Westerwelle wohl im Grab herumdrehen, auf einen Botschafterposten flüchtet. Wenn außer Triumphgeheul des FDP-Regierungsmitglieds Lindner über die vom Kanzler vereinbarten Schützenpanzerlieferungen keinerlei Konzeption für eine friedenspolitische Ordnung in Gesamteuropa bei den Liberalen erkennbar wird, kommt das einem politischen Offenbarungseid gleich. So macht sich eine liberale Partei überflüssig.
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