Die Westafrika-Reportage des Guardian lässt mir gedanklich keine Ruhe. Besser noch mal drüber schlafen, bevor ich sie weiter kommentiere. Meine Grundfrage: wie doof kann die EU eigentlich sein? Zwischendurch beunruhigt mich die spärliche Nachrichtengebung über Mexiko, gemeinsam mit den USA und Kanada Gastgeberland der nächsten Fussball-WM 2026.
Von meinen Freund*inn*en bei der Bonner Informationsstelle Lateinamerika weiss ich, dass sie kritisch-solidarisch auf das dortige politische Geschehen blicken. Beispielhafte Beiträge hatten wir hier und hier 2018 im Extradienst übernommen.
Jacobin dagegen feiert heute mit kaum gebremster Euphorie: Kurt Hackbarth: “AMLOs bisherige Amtszeit ist ein Erfolg – Mexikos Präsident ist mit dem Versprechen massiver Umverteilung an die Macht gekommen. Er hat die Lithiumvorkommen seines Landes verstaatlicht und den Mindestlohn um 20 Prozent angehoben. Doch diese Erfolge müssen gegen Machtstrukturen in Staat und Medien verteidigt werden.”
Das steht in recht radikalem Kontrast zu einer Weihnachtsveröffentlichung von Moritz Osswald/telepolis: “Mexiko: Die Drogenmafia hat den Staat besiegt – Amtierender Präsident schafft es nicht, die Dauerkrise in den Griff zu bekommen. Mexiko versinkt zunehmend im Chaos. Ein Ansatz zur effizienten Mafia-Bekämpfung könnte in Europa liegen.”
Reimen Sie sich das selbst zusammen, und geben Sie mir bitte Bescheid, wenn Sie es schaffen. Ein Grundsatzproblem scheint mir, dass es noch keinem Staat und keinem Regime auf dieser Welt gelungen ist, der Drogenmafia das Handwerk zu legen, statt mit ihr – auf verschiedenste Weise – zu kollaborieren. Darüber hinaus scheint es lateinamerikanische Dispositionen zu geben, die – ebenfalls regimeunabhängig – ökonomisch (Postkolonialismus) und kulturell (Katholizismus, mit pietistischer Konkurrenz von noch weiter rechts), besonders günstige Bedingungen für klandestine Schattenwirtschaft bieten.
Wenn die Gringos sich totrauchen, -saufen, -spritzen und -schnupfen. What shalls? Schade nur, dass sich deswegen auch so viele gegenseitig totschiessen, kleine Dealer und Jungbullen. Was juckts die Clan- und Polizeibosse? Je mehr Tote, umso gefürchteter = ruhmreicher. Wenn Sie ein Regime kennen, das diesen kriminellen Teufelskreis durchbricht, geben Sie mir bitte ebenfalls Bescheid. Ich will so gerne gute Nachrichten verbreiten.
Auch aufschlussreich
Kurz nach nebenan geschaut, in die USA. Auch dort wird wie hier über “Kriegsmüdigkeit” geklagt. Und über abgekoppelte “Eliten”. Kelley Beaucar Vlahos/Responsible Statecraft (Übersetzung für telepolis: David Goeßmann): “USA: Wie die Außenpolitik-Eliten jeden Kontakt zu ihren Bürgern verlieren – Die Zustimmung der Amerikaner zu einer Fortsetzung des Ukraine-Kriegs bröckelt. Das Establishment in Washington erklärt ihre Meinung aber für irrelevant. Nicht zum ersten Mal, wie ein Blick auf Vietnam, Afghanistan und Irak zeigt.”
Letzte Kommentare