Boris Pistorius war noch kein Verteidigungsminister, da wurde er schon mit der Frage von Exporten des Leopard-Kampfpanzers in die Ukraine bombardiert. Die Personalentscheidung des Bundeskanzlers wurde von einer Öffentlichkeit aus Opposition, Presse und Koalitionspartnern sowie der internationalen Koalition aus Polen, Baltikum und Ukrainischen Politikern, die bereits im Frühjahr 2022 ständig schwere Waffenlieferungen gefordert hatten, mit Erwartungen auf eine “Wende” der zurückhaltenden Waffenlieferungen mit Augenmaß überladen.
Um eines gleich vorweg klar zu stellen: Kampfpanzer sind eine Angriffswaffe, sie dienen anders als Panzerabwehrraketen, Panzerfäuste und Drohnen mit panzerbrechender Bewaffnung dazu, das Territorium eines Feindes zu erobern, Geländegewinne zu erzielen und einen Aggressor zurückzuschlagen. Sie können aber auch eingesetzt werden, um darüber hinaus zu gehen. Das muss um der Klarheit willen erwähnt werden, um deutlich zu machen, dass Lieferung und der Einsatz dieser Waffe ein Stufe der kriegerischen Eskalation bedeuten und auch als solche verstanden werden. Da die NATO ein Verteidigungsbündnis ist, wären solche Waffen an die Ukraine immer mit der Maßgabe zu versehen, von Russen besetzte Gebiete zurück zu erobern, aber nicht, um russisches Territorium der Grenzen vor 2014 anzugreifen und zu erobern. Das ist keine Banalität, sondern eine Frage von völkerrechtlicher Bedeutung, auf die sich der Westen zurecht beruft.
Das leise schleichen von Leo 1 zu Leo 2
Die öffentliche Diskussion wird derart emotional und intellektuell reduziert geführt, dass es scheint, dass den Protagonisten von Leopard-Panzerlieferungen nicht einmal klar ist, wovon sie eigentlich reden. Zunächst war 2022 ständig die Rede von Leopard 1 Panzern, die angeblich bei der Rüstungsindustrie auf dem Hof stehen. Der Leopard 1 war einmal ein wichtiger Standardpanzer europäischer Streitkräfte. Er wurde in hohen Stückzahlen von Krauss-Maffei-Wegmann, zum Teil in Lizenz in Italien, Spanien und der Türkei gebaut. Seine herausragenden Merkmale sind die 105 mm Kanone mit gezogenem Lauf, die in ähnlicher Weise im französischen AMX 30 und dem US-amerikanischen M 60 verwendet wurde. Heute ist er weitgehend ausgemustert. Die bekanntesten Betreiber sind noch Chile (202), Griechenland (170) und Kanada (66) sowie die Türkei (320). Vom Leopard 1 wurden zwischen 1965 und 1984 ca. 4.700 Exemplare gebaut.
Verfügbarkeit des Leopard 1
Am 13.4.2022 erklärte das im Wahlkreis von Agnes Strack-Zimmermann MdB (FDP) ansässige Unternehmen Rheinmetall, es bereite Lieferungen von 50 Leopard 1-Panzern in die Ukraine vor. Vorstandschef Armin Papperger erklärte damals dem Handelsblatt, der erste Leopard 1 könne “in sechs Wochen geliefert werden“, Marcus Faber MdB (FDP) behauptete Anfang Januar 2023 in der “Rheinischen Post”, bei der Industrie stünden “180 Leopard 1 zum Export bereit”. Um diesen Panzer einsetzen zu können, bedürfte es allerdings einer Versorgungslogistik von Munition, Ersatzteilen und Leopard-Bergepanzern, die zum Wechsel eines defekten Triebwerks benötigt werden und des entsprechenden Know-how. Vor allen Dingen aber einer fachkundigen Ausbildung, die wahrscheinlich nicht bei der Bundeswehr, sondern in Griechenland erfolgen müsste, wo der Leopard 1 noch im Einsatz ist.
Leopard 1 nicht ohne Griechenland
Und zwar mit ca. 170 Einheiten, die wiederum – eine Bereitschaft der Bundesregierung vorausgesetzt – in ähnlichem Ringtausch zukünftig durch Leopard 2 ersetzt werden könnten, wie die Panzer aus sowjetischer Produktion in Tschechien und Ungarn. Vorteile des Leopard 1 wären seine relativ schnelle Verfügbarkeit, falls Griechenland kooperieren würde und nicht die Gefahr, dass Russland ggf. den modernsten Kampfpanzer aus deutscher Produktion erbeuten könnte. Allerdings könnte sich Griechenland das teuer bezahlen lassen. So heisst es in der Wirtschaftspresse, von den aktuellen 183 Leopard 2, die Griechenland gekauft habe, seien etliche noch nicht bezahlt. Trotzdem stünden, wenn die Zahlen stimmen, etwa 350 Leopard 1 durch “Ringtausch” zur Verfügung. Sie sind den russischen T 72 an Kampfkraft überlegen, haben den Vorteil, dass sie keine Proliferation aktueller Waffentechnik bedeuten. Nachteil wäre die kaum noch vorhandene Logistikkette sowie die Beschaffung der in Europa nicht mehr übliche Munition. Und es wären in erster Linie Deutschland und Griechenland, die politisch die Lieferung verantworten und organisieren müssten – eine Frage der Industrie. Außerdem hat die Türkei noch 320 Leopard 1, aber es ist nicht davon auszugehen, dass Erdogan sich an Waffenlieferungen in die Ukraine beteiligt.
Der Leopard 2
ist die Hightech-Panzerwaffe der NATO in vielen europäischen Ländern, die den weit verbreiteten Leopard 1 inzwischen ersetzt hat. Sein herausragendes Kampfmerkmal ist eine 120 mm Glattrohrkanone, die in ähnlicher Weise der britische “Challenger 2”, der italienische “Ariete” und der französische “Leclerc”-Kampfpanzer verwenden, sowie der US-amerikanische M1 Abrams, der auch die Kanone von Rheinmetall trägt. Allerdings ist der Leopard 2 mit modernster Technik und Geschützsteuerung ausgestattet, die hohe Ansprüche an die Ausbildung verlangt und bedarf der ebenso funktionstüchtigen Versorgungskette wie der Leopard 1. Darüber hinaus gibt es ihn nicht so oft. Nicht nur aus Gründen der Abrüstung und Entspannung in Europa, sondern auch aufgrund der erheblich gesteigerten Feuerkraft haben die meisten Länder, die ihn einsetzen, ihn etwa im Verhältnis 1:3 gegen den Leopard 1 getauscht.
Wie verfügbar ist der Leopard 2 überhaupt?
Eigentlich gar nicht. Zwar wurden seit seinem Einsatz Mitte der 80er Jahre etwa 3.500 Leo 2 gebaut, aber die Bundeswehr verfügt derzeit nominal über 300 Leopard 2, von denen aber 2022 lediglich 268 einsatzfähig waren. Polen verfügt über 249 Stück und hat angeboten, davon 14 abzugeben. Spanien 219, Schweden 120, Dänemark 74, Finnland 124, Niederlande 400, Norwegen 54, Griechenland 183, Portugal 37, dann Ungarn 44, Tschechien 15, Slowakei 15 – jeweils aus Ringtausch, was schon zahlenmässig eine Abgabe ausschließt. Das alles ist kein Geheimnis, auf “Wikipedia” nachzulesen. In neutralen Ländern, solchen die politisch lavieren, wie die Türkei, oder außerhalb der NATO befinden sich an Leopard 2: Schweiz: 380, Österreich 52, Türkei 354, Qatar 62, Chile 172, Indonesien 104, Kanada 112. Die höchste Produktionszahl von KMW lag Mitte der 90er Jahre bei etwa 400 Einheiten pro Jahr. Angesichts dieser Zahlen und der Notwendigkeit der NATO-Länder, ihren Verpflichtungen im Falle eines Angriffs auf das Gebiet der Gemeinschaft nachzukommen, entbehrt allein der Gedanke an die Lieferung von Leopard 2 Panzern an die Ukraine eigentlich jeder realpolitischen Grundlage. Um so überraschender, dass sich auch die kompetente grüne Verteidigungspolitikerin Agnieszka Brugger MdB vehement für die Lieferung des Leo 2 einsetzt.
Ein gewagtes Planspiel
Unterstellt, die gemeinschaftlichen Streitkräfte würden in etwa gleichem Maße “zu Hause” geschwächt, könnte eine “Sammlung” etwa folgendes Bild ergeben: Polen (14), Deutschland (18), Spanien (15), Schweden (8), Norwegen (1), Finnland (1), Dänemark (5), Niederlande (20), Griechenland (10), Portugal (8) – insgesamt etwa 100 Leopard 2-Panzer, für die in zwei Jahren Ersatz und Zubau in erheblichem Maße auf die Hersteller und die Abnehmerländer zukommen würde. Stellt sich politisch die Frage, wieviel Panzer vom entsprechenden Typ “Challenger 2” Großbritannien und wieviele “Leclerc” Frankreich liefern würde, um in der NATO gemeinsam zu handeln. Mehr als jeweils 15-20 Exemplare werden es wohl nicht sein. Vor allem aber setzte ein solches Handeln, wie bereits oben gesagt, eine gemeinsame politische Strategie, was das Ziel des Einsatzes ist voraus, das völkerrechtlich keinesfalls über die Ukraine hinaus gehen darf.
Eine kluge Bedingung des Kanzlers
Es ist also zwingend und logisch, wenn Kanzler Scholz solche – wahrscheinlich in ähnlicher Weise im BMV getriebenen Planspiele – dazu veranlasst haben, die Lieferung von Leopard 2-Panzern mit der Bereitschaft der USA zu verknüpfen, dem M1 Abrams in entsprechender Stückzahl zu liefern. 9.000 Einheiten gibt es und die Entwicklungsgeschichte des M1 weist viele Kooperationen und Parallelen mit dem Leopard 2 auf. Der von manchen “Fachleuten” wie vom US-amerikanischen Politikwissenschaftler Andrew Denison heute im Deutschlandfunk vorgebrachte Vorbehalt, der “Abrams” laufe nur mit Kerosin oder gar Benzin, ist blühender Unsinn, dem der unwissende und völlig unvorbereitete Moderator Dirk Müller nichts entgegensetzen konnte und sich aufschwatzen ließ, der Abrams eigne sich nicht für den Einsatz in der Ukraine. M1 und Leopard 2 sind in vielen Teilen außer dem Antrieb baugleich. Der Leopard 2 verfügt über einen Vielstoff-Kolbenmotor und kann ebenso wie der Abrams mit Diesel, Benzin oder Kerosin in beliebigen Mischungsverhältnissen betrieben werden. Und das Argument der USA, der Abrams benötige eine logistische Infrastruktur, trifft auf die Leoparden in gleichem Maße zu.
Ein Abkoppeln der USA von Europa verhindern
Wenn also die NATO die Lage so einschätzen sollte, dass der Ukraine Kampfpanzer geliefert werden sollten, ist es wegen der Bedeutung der Frage unabweisbar und geboten, dass sich die europäischen NATO-Partner in dieser Frage nicht von den USA abkoppeln lassen dürfen. Denn das wäre aufgrund des zweifellos steigenden Risikos des Westens mit diesen Waffenlieferungen auf eine Rutschbahn in Richtung Kriegspartei zu gleiten, ein fatales Signal an Russland. Sollten sich die USA in der Panzerfrage politisch abkoppeln, könnte dies bereits der erste Schritt einer geänderten US-Strategie unter dem Einfluss der rechtsextremen Republikaner bedeuten, die wie Trump russischen Interessen nachgeben und schlimmstenfalls die Ukraine aufgeben würden. Genau vor dieser Entwicklung haben verschiedene Autoren angesichts mangelnder Verhandlungsbereitschaft immer wieder gewarnt. Für Joe Biden stellt sich nun die Frage, ob er eine solche Entwicklung zulässt, oder uneingeschränkt zur NATO steht. Deshalb ist es seitens des Bundeskanzlers Olaf Scholz mehr als gerechtfertigt und im Interesse Europas und der Ukraine, die Zustimmung zu einer Lieferung von Leopard 2 mit einer entsprechenden Lieferungen von Kampfpanzern aus den USA zu verbinden. Verweigert Biden den Abrams, könnte das bedeuten, dass Polen, Finnland und auch das Baltikum sich in Davos gegenüber Deutschland ein weiteres mal haben vor den Karren der US-Interessen spannen lassen.
Ha bitte liebe US-Regierung, lass uns und Europa im Stich. Zieh Dich einfach hinter die Weltmeere zurück und nimm den ganzen Scheiß aus Ramstein und Büchel mit. Und bitte schnell, ganz schnell.
Aus Rolands „Analysen“ tritt deutlicher als je die Fratze seines billigen, aber tief verwurzelten Antiamerikanismus und der schafspelzummantelte Wolf Putinscher Aggressionsverharmlosung hervor. Wer Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Liberalität zu verteidigen vorgibt, kann das nicht glaubwürdig, wenn ständig NATO-Bashing im Vodergrund steht und Zweifel an der Richtigkeit der Lieferungen aller Waffen gesät wird, die es für Selbstverteidigung und Rückgewinnung aller von Putin und seiner Terrorbande entrissenen Territorien benötigt. Kriegspartei könnten wir völkerrechtlich durch keine Waffenlieferung, sondern nur durch Einsatz eigener Soldaten werden. Wer – wie Roland mit der Mär von der angeblichen Rutschbahn zur Kriegspartei – anderes verbreitet, missdeutet das Völkerrecht und macht sich bewusst oder unbewusst zum nützlichen Idioten Putins
Lieber Peter, …”tief verwurzelten Antiamerikanismus und der schafspelzummantelte Wolf Putinscher Aggressionsverharmlosung”… und das vor halb sechs am frühen Morgen: Chapeau! Dass es Antiamerikanismus sei, wenn ich benenne, dass die Republikaner, die gerade bei der Speaker-Wahl gezeigt haben, wozu sie fähig sind, ein Problem für die NATO werden könnten, ist schon cool argumentiert. Dass die USA eigene Interessen verfolgen, haben sie mit dem Inflation Reduction Act 2022 bewiesen. Die Eskalationsgefahr durch Panzerlieferungen, die nicht aufgrund gemeinsam verabredeter Ziele und Strategien erfolgen, hat General a.D. Erich Vad (CDU) am 22.1. im BR-Frühschoppen genau so erklärt. Auch ein “nützlicher Idiot” Putins?