Beueler-Extradienst

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Klares Sicht

Best of weekend 28./29. Januar 2023: klimaschützende Aussenpolitik, Rassismus und Karl May, Verrentung bei heise, Journalismustod im Newsroom

Die Überschrift ist kein schlechtes Deutsch (oder Tippfehler), sondern bezieht sich auf Michael T. Klare. Seine Autorennotiz lautet: Michael Klare war Professor für Peace and World Security Studies am Hampshire College und ist Direktor des Five College Program in Peace and World Security Studies (PAWSS) sowie im Vorstand der Arms Control Association. Er hat das Committee for a Sane U.S.-China Policy begründet und ist Autor von zahlreichen Büchern, zuletzt ‘All Hell Breaking Loose: The Pentagon’s Perspective on Climate Change’ (2019).” Ein weitsichtiger Mannn offenbar. Er schreibt bei TomDispatch, deutsch übersetzt für overton:

Das massive Versagen des Pentagons bei der Aufklärung über China – Die Klimaerwärmung, die im Pentagon-Bericht über China nicht vorkommt, wird die größte Sicherheitsbedrohung für die USA und China werden und eine Kooperation erfordern.”

Dieser kleine aber feine Beitrag beschreibt präzise die aktuellen Probleme einer klimaschutz- und global orientierten Aussenpolitik, in Klares Fall für die USA, aber inhaltlich für Frau Baerbock ähnlich anwendbar. Die Frage ist nur, ob ihre schlechten Ratgeber*innen das überhaupt verstehen.

Das gleiche Thema für die USA befasst Katrina vanden Heuvel, Chefredakteurin von The Nation (dt. übersetzt für telepolis): Sind die USA zurück? – Von den Sicherheitsbehörden bekommt der US-Präsident gute Noten. Doch seiner Außenpolitik fehlen Prioritäten. Was Washington nun tun muss.” Ähnlich vernünftig, aber nicht so weit blickend wie Klare.

Unser weisser deutscher Rassismus bei Karl May

Mariel McLaughlin gelang in der DLF-Reihe “Essay und Diskurs” eine kritische Selbstuntersuchung ihrer und vieler anderer Menschen Reisen: Vom Mythos des Backpackings: Die falschen Versprechen des Reisens – Fernreisen verheißen transzendente Erfahrungen: Wir können andere werden, anderen begegnen, unsere Grenzen kennenlernen und überwinden. Doch diese Sehnsüchte sind unerfüllbar und basieren auf kolonialistischen Mustern.” Immer geht es um eine Exotisierung der angeblichen “Natürlichkeit” jener, die frau*mann an den (Durch-)Reisezielen vorfindet.

Karl May war selbst ein intellektuelles Opfer dieser Weltsicht. Old Shatterhand und Kara Ben Nemsi unternahmen in seiner Fantasie Reisen, die ihm selbst gar nicht vergönnt waren. Und wenn heute Tourist*inn*en an die Drehorte deutscher Karl-May-Filme geführt werden, fliegen sie nicht in die USA, sondern fahren mit dem Reisebus durch die Karststeppen Kroatiens. Im damaligen Jugoslawien waren die Dreharbeiten so schön billig.

Wie es die ganzen Filme waren. “Der Schatz im Silbersee” war der erste, den ich als Kind im Kino (die damalige “Schauburg” in Gladbeck) gesehen habe. Zahlreiche Bücher habe ich danach gelesen, und alle weiteren Winnetou-Filme im TV konsumiert. Aus dieser Kindheitserfahrung und späterer intellektueller Reflexion gebe ich dem Autor Hartmut Krech/telepolis vollständig recht: Die ‘Karl-May-Frage’: Rassismus oder kulturelle Aneignung? – Mays Schriften sagen wenig oder gar nichts über die Kulturen der amerikanischen Ureinwohner aus. Aber viel über einen bestimmten Zug deutscher Gesinnung.” Sein “oder” im Titel können Sie getrost durch ein “und” ersetzen.

Verrentung bei heise?

Der geschätzte Detlef Borchers beunruhigt mich. Sein Missing-Link ist ein Rückblick in die Steinzeit der Digitalisierung: ISDN in den USA als Einstiegstechnik für die Daten-Superautobahn – EFF-Gründer Kapor warnte bereits früh vor der übermäßigen Kommerzialisierung des Netzes. Der Staat könne allenfalls die Rolle eines Schiedsrichters übernehmen.”

Und die Hal-Faber-Kolumne deutet explizit einen Abschied an: Was war. Was wird. Komplett mit einem Wink mit dem Zaunpfahl. – Wenn ein FBI-Direktor über schwäbische Namen stolpert, noh lachd sich Hal Faber ins Fäuschdcha. Und er muss einen Abschied feiern, weil der nun einmal so fällt.”

Abschiede von Journalismus

Gestern traf ich bei einer Geburtstagsfeier eines guten Freundes einen kürzlich pensionierten WDR-Journalisten, kein Show- oder Talkmaster, aber eine bekannte Stimme des Radios und ein ebenso bekanntes Gesicht im TV. Er hat noch erlebt, wie in Fachredaktionen diskutiert und gestritten wurde. Im Rückblick eine intellektuelle Wohltat. Denn heute herrscht Arbeitsverdichtung und Kommandowirtschaft im “Newsroom”. Dort ploppen die Nachrichten das Tages auf Monitoren auf. Der Chef vom Dienst teilt ein, wer sich worum kümmern soll. Die*Derjenige ist gleichzeitig Kameramensch, Toningenieur*in und … ach ja … Journalist*in. Wenn sie*er zu doofe Fragen stellt, was ich persönlich im Bonner Rathaus 2006-16 noch allzu oft erlebt habe, dann kann sie*er nichts dafür.

Ich fasse zusammen: so sieht der Journalismus, der unten rauskommt, meistens auch aus – egal ob aus Russland oder aus Beuel. Positive Ausnahmen werde ich wie immer gerne hier benennen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Roland Appel

    Tja. Karl May. Als Kind Anfang der 60er Jahre natürlich mit Begeisterung gelesen, übersieht der Autor bei “Heise” den schier unerträglichen, zur Bigotterie neigenden Katholizismus Mays, der mit dem Rassismus korrespondiert. Ich fand schon damals das herrische Auftreten Old Shatterhands peinlich, ebenso das Reden über “den Neger Hektor” in Winnetou 2 den “der rote Mann als weit unter ihm stehend” verachte und der deshalb im Gegensatz zum weißen Pöbel sich am Lagerfeuer der Komantschen nicht setzen, sondern hinter seinen “Herren” stehen musste. Aber auch die schöne Nscho-Tschi war ja unwürdig. eine achtenswerte Frau zu werden, wenn sie nicht zum Christentum überträte und die “Gebräuche der weißen Frauen” erlerne. Das sagt alles viel mehr über die damalige deutsche, koloniale Gesellschaft als über Amerika oder den Orient. In den 60er Jahren kursierte übrigens jede Menge Rassistenschrott wie z.B. bei “Kleins Juro Bände” ausdrücklich als Jugendbuch empfohlen Paul v. Lettow-Vorbeck “Kwa heri Bwana” über die Ausrottung der “Hottentotten” – Ausrottung der Herero und Nama – und die Niederschlagung des “Boxeraufstandes” in China. Alles überaus christlich motiviert…

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