Oder besser: bei der NATO-Tagung und bei der Münchner “Sicherheits”-Konferenz. Nichts neues allerdings nur in der Hinsicht, als die bisherige Rüstungsspirale weitergedreht wird, aber offensichtlich auch in Sachen Panzerlieferungen sich nun plötzlich die Nötiger des Bundeskanzlers und der deutschen Regierung hinsichtlich von “Leopard” wegducken und sich das Manöver als politische Intrige der polnischen populistischen PiS-Partei entpuppt. Und auch die großsprecherischen Balten backen plötzlich bescheidene Brötchen, wollen keine Leoparden liefern. Aber eine dringend notwendige Diskussion der Strategie zur Unterstützung der Ukraine findet nicht statt. Trudelt Europa so weiter in die Eskalation?.
Vor allem die Munitionsproduktion soll massiv ausgebaut werden. Die aktuell schwierige Lage in der Ukraine, der in einer russischen Frühjahrsoffensive die Munition auszugehen droht – da hat die Rüstungsindustrie die Gelegenheit beim Schopf gepackt, um den Regierungen gleich langfristige Verträge anzudienen und den Staat für ihre Fehlplanungen zahlen zu lassen. Allein in Deutschland wird die krasse Fehlentscheidung von Rheinmetall, die Munitionsproduktion für den “Gepard” und andere Panzer aus Profitgründen in die neutrale Schweiz zur Firma Oerlikon verlegt zu haben, teuer für die Steuerzahler. Oerlikon, Tochter von Rheinmetall, darf gesetzlich keine Munition in die Ukraine und im Kriegsfall nicht einmal an Deutschland liefern. Diese Fehlinvestition wird sich nun so auswirken, dass Boris Pistorius von einem Mehrbedarf seines Etats in den nächsten Jahren von jährlich 15 Milliarden € ausgeht. Angesichts von Inflation und schwächelnder Konjunktur dürfte dies mittelfristig massive soziale Folgen haben.
Truppenbereitschaft verstärkt
Eher beiläufig wurde berichtet, dass die Zahl der in Bereitschaft versetzten NATO-Truppen in Europa von 30.000 auf 300.000 Personen gesteigert würde. Die NATO zeigt Entschlossenheit, keine Entspannungssignale auszusenden. Gleichzeitig ist es schäbig, was aus der angeblichen Entschlossenheit östlicher Partner geworden ist, nachdem die Bundesregierung der Lieferung von Leopard-Panzern zugestimmt hat. So erwiesen sich die 17 Panzer, die Polen angeblich auch ohne Ausfuhrgenehmigung des Bundessicherheitsrates liefern wollte, als heiße Luft. Sage und schreibe drei Leopard 2A6 aus Portugal sollen sich zu den 14 aus Deutschland gesellen. Hoffentlich eine Erfahrung, vor allem für die Spitzen der Grünen, besonders an die Außenministerin, es künftig zu unterlassen, öffentlich gemeinsam mit solchen Stimmen dem eigenen Kanzler Stöckchen hinzuhalten. Denn offensichtlich verzögert das Auswärtige Amt derzeit die Einigung auf eine verbindliche gemeinsame Sicherheitsstrategie, die der Diplomatie wieder den Stellenwert einräumt, der ihr eigentlich gebührt, wie Jörg Kronauer ausführlich beschreibt. Dies ist, merkt Günter Verheugen rückblickend an, ein Versagen der Außenpolitik.
Bundesregierung ohne erkennbare Strategie
All dies macht deutlich, dass es wichtiger ist, denn je, alle politischen Möglichkeiten zu überdenken und Wege zu erörtern, wie Putin und Selenskij an den Verhandlungstisch gebracht werden können. Dazu wird der Westen nicht darum herum kommen, intern und mit der Ukraine über Kriegsziele zu diskutieren. Und dies ist auch legitim und liegt schon von der ersten Waffenhilfe an in der Luft. Nicht grundlos haben etwa die USA bisher die Munition für Raketenwerfer auf 150 km Reichweite beschränkt. Voraussetzung wäre aber, dass wenigstens die Bundesregierung eine gemeinsame Position findet. Die Kluft zwischen dem Kanzler “Die Ukraine darf nicht verlieren” und der Außenministerin “Die Ukraine muss siegen” ist offensichtlich. Was “siegen” bedeutet, bleibt bisher im Dunkeln. Und auch in den USA, so ist zu lesen, gibt es zwischen schnellem Ende und dauerhaftem Krieg mindestens zwei strategische Denkschulen. Dass in demokratischen Staaten anders als in der russischen Wahldiktatur offen über die Ziele der Unterstützung der Ukraine diskutiert werden kann, ist selbstverständlich und keine Schwäche, sondern die Stärke der Demokratie. Diese Diskussion findet aber nicht statt, wird geradezu vermieden. Anstatt über politische Ziele und Strategien zu diskutieren, findet derzeit in München die sogenannte “Sicherheitskonferenz” als reiner Bazar der Bewaffnungen statt.
Bedingt Argumenten zugänglich
Auf dieser Sicherheitskonferenz drängt der ukrainische Präsident abermals in die EU und vor allem in die NATO. Das ist ihm nicht zu verdenken, steht er zum einen mit dem Rücken zur Wand und hat ihm andererseits vor allem die EU völlig illusorische Versprechungen gemacht. Dass der NATO-Beitritt eine direkte Konfrontation, Krieg mit Russland bedeuten würde, wird dort peinlich totgeschwiegen. Auch dies ist eine Folge der Tatsache, dass der Westen nicht einig ist, wie weit die Unterstützung der Ukraine reicht und wo sie endet. Gelieferte Waffen zu konditionieren ist nicht unüblich. Die Kriegsziele der Ukraine sind unklar, das haben verschiedene kluge Menschen wie Jürgen Habermas oder General a.D. Helmut W. Ganser in den letzten Tagen wieder verdeutlicht. Diese Unklarheit führt im Endeffekt dazu, dass sich sowohl Selenskij als auch einzelne östliche NATO-Mitglieder dazu versteigen, Ziele zu propagieren, die, so analysiert Ganser, wie der Versuch, die Krim mit militärischen Mitteln zurück zu gewinnen, mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem nuklearen Desaster enden. Dabei wird bei realistischer Sicht die Ukraine, auch wenn alle bewilligten Panzerlieferungen des Leopard 1+2 eintreffen, gerade einmal in die Lage versetzt, die aktuelle Frontlinie gegen die russischen Offensiven zu halten.
Ausweichen ins Wunschdenken
Diese Nicht-Diskussion, auch die Verweigerung, profilierte gesellschaftliche Stimmen wie Habermas oder Verheugen ernst zu nehmen, ist schon bezeichnend für die Desorientierung des öffentlichen Diskurses. Stattdessen phantasiert der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen im “Kölner Stadtanzeiger”: “Russland braucht die Deputinisierung”, was im Augenblick so realistisch erscheint, wie dass deutsche Astronauten die ersten auf dem Mars sein werden. Er verkennt völlig die politischen Verhältnisse in Russland, wo nicht nur Putin von Scharfmachern wie Medwedew und Lawrow umgeben ist, sondern dass die einzig nennenswerte Opposition, die Kommunisten, Putins Überfall voll unterstützen. Und auch ehrenwerte Bürgerrechtler wie Gerhart Baum, der in seinem heiligen Zorn sagt, dass man mit Putin nicht mehr verhandeln könne, hat bisher nicht gesagt, wie es bewerkstelligt werden soll, dass Putin dort nicht mehr sitzt, wo er sitzt. Oder nehmen wir auf der anderen Seite des politischen Spektrums den Aufruf von Wagenknecht und Schwarzer, der so tut, als brauche man nur Verhandlungen zu fordern und “hastenichgesehen” wären sie da. Letztlich trifft auf beide Protagonisten die gleiche Kritik zu: Moralisch überladen und im Bewusstsein, das einzig Richtige zu tun, bewegen sie sich jenseits der Realpolitik und des Machbaren. Im Westen leider nicht neues.
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