Grosses und kleines Denken – ein Sortierversuch
In der Medienbranche machen 1.130,50 € derzeit selbstreferentiellen Wind. Das hat Frau Zervakis vom Bundeskanzleramt kassiert, um Olaf Scholz auf der re:publica ganz lieb in ein Gespräch zu verwickeln. Und die taz (Sebastian Erb) hat das herausgefunden. Ich kenne die aktuellen Reispreise nicht. Was kostet ein Sack, wenn er umfällt? Meine karge Rente ist jedenfalls höher (im Monat, nicht pro Interview). Zur Ehrenrettung der taz: sie enthält auch Wichtiges, z.B. dieses Interview mit Extradienst-Gastautor Paul Schäfer.
Aber zurück zu dem Sack Reis auf der re:publica, die sich ja immerhin in den letzten Jahren zum grössten Kommunikationsort fortschrittlich-demokratischer Kräfte in diesem Land entwickelt hat. Der Fall Scholz/Zevakis steht für ein weit grösseres Problem: den inzestuösen Mikrokosmos von Politik, Lobbys und Medien in Berlin-Mitte, weit östlich von allen gesellschaftlichen Realitäten in dieser Republik. Dieser Mikrokosmos spiegelt die sozialen Verhältnisse in diesem Land nicht, überhaupt nicht. Das ist ein Problem für alle. Nicht hinnehmbar und von der Verfassung nicht im geringsten gedeckt ist, wenn dieser Mikrokosmos sich sogar demonstrativ von demokratischer Kontrolle abzuschotten versucht.
Dies geschieht nicht nur durch Gefälligkeitsinterviews. Was glauben Sie denn, warum ich grundsätzlich keine TV-Talkshows, keine einziges “Sommerinterview”, und mittlerweile auch keinen “Bericht aus Berlin” (sein Vorläufer aus Bonn war dagegen ja noch richtiger Journalismus) mehr glotze? Bei der Gesprächsanbahnung laufen ganz gewohnheitsmässige intransparente Deals, ein Spiel das beide Seiten begeistert spielen, weil sie sich dabei wichtiger vorkommen. In Wirklichkeit – das rufe ich ihnen hier aus dem Westen zu, aber sie hören ja nicht – machen sie sich immer irrelevanter.
Wenn dann mal eine entferntere nicht dem berlinmittigen Mikrokosmos angehörende Redaktion, bspw. aus Köln oder Mainz, ein Interview zu einem schwierigeren Thema anfragt – dann kriegt sie einfach keins. Will ein*e Politiker*in im Zusammenhang mit einem schwierigen Thema (oder gar einem “Skandal”) gesehen werden? Nee, so blöd sind die noch nicht mal in Berlin. Dann lieber “Lanz” …
Immerhin gibt es seit 2006 die gute Einrichtung des Informationsfreiheitsgsetzes. Während der rot-grünen Bundesregierung (1998-2005) war es den Bürokratien noch gelungen das Gesetz zu verhindern. 2006 trat es als Ergebnis einer Parlamentsinitiative von SPD und Grünen als Erbe der abgewählten Koalition in Kraft. Die Lustlosigkeit bei seiner praktischen Umsetzung ist endemisch.
Darum vertrüge es eine Verschärfung. Öffentlichen Einrichtungen und Institutionen (Parteien, Fraktionen und ihre Stiftungen gehören durch ihre extrem privilegierte Staatsfinanzierung dazu!) aller Art sollte die Verweigerung öffentlicher Stellungsnahmen verweigert werden. Daraus sollte unter näher zu bestimmenden Umständen auch eine Pflicht zu Interviews gehören. Niemand ist gezwungen in öffentlichen Institutionen zu arbeiten oder für sie zu kandidieren. Wer es tut, ist auch zu öffentlicher Rechenschaft verpflichtet.
Hier im Westen haben wir andere Probleme
Die WAZ (Funke-Mediengruppe) berichtet heute in Essen (Paywall) ausführlich über die Konzernpolitik des Wohnungsunternehmens Vivawest. Es spielt im grössten deutschen Ballungsraum Ruhrgebiet, doppelt so gross wie Berlin, eine führende Rolle, und ist insofern besonders, als eine grosse DGB-Gewerkschaft zu seinen Anteilseignern gehört. Der WAZ-Bericht lässt sich so zusammenfassen: ein grundsätzlicher Unterschied zu anderen kapitalistischen Wohnungsunternehmen lässt sich nicht wirklich feststellen.
Das bedeutet praktisch: Grundbesitz wird allein durch Nichtstun immer wertvoller. So grosse Werte dürfen nicht nachlässig, sondern müssen “effizient” verwertet werden. Wenige billige Wohnungen auf viel Grund sind nicht kapitaleffizient. Darum muss die Rendite durch zahlreichere und teurere Wohnungen optimiert werden. Alte billige Wohnungen werden also abgerissen und durch “moderne” ersetzt.
Sicher, dann gibts gelegentlich öffentlichen Ärger. Mieter*innen und ihre Familien beschweren sich und stellen sich dem “Fortschritt” in den Weg. Vorübergehend. Die üblichen Verdächtigen melden sich mit der Behauptung, Erhalt und Sanierung sei umweltfreundlicher als Abriss und Neubau. “Kulturelles Erbe”, “sozialer Zusammenhalt” in alten Siedlungen – die üblichen alten Lieder. Dafür hat jedes Wohnungsunternehmen eine professionelle PR-Abteilung – es gibt also Arbeitsplätze für Journalist*inn*en, gar nicht mal so schlecht bezahlt – die müssen das dann halt mänätschen. Das kommt und geht.
So wie bei der Pandemie in den Altenheimen gibt es in diesen ökonomisch durchrationalisierten Prozessen Todesopfer. Die zählt niemand, dafür gibt es keine Statistik: es sind betagte und “vorerkrankte” Mieter*innen, die sich nicht verpflanzen lassen können und/oder wollen. Für Renditeberechnungen uninteressant, Schwund ist immer …
Interessiert sich der Gesetzgeber (= das Parlament) dafür? Greift er in die Speichen von solcherart tödlichem Kapitalismus? Ist das wichtig? Sind Volksentscheide dazu wichtig? Wenn Sie nach Berlin-Mitte reisen – fragen Sie doch mal nach!
Was der Paul Schäfer da erzählt…, nun ja ich nehme es zur Kenntnis aber mir scheint auch Ihm fehlt der Weltblick. Natürlich haben Indien und China “null bock” auf Atom, wer hat das schon. Aber einen Blick, wie es auch stattdessen innerhalb RU laufen könnte und womit sich viele Gesellschaften auf der Welt sehr gut klar kommen könnten ist hier mal angedacht:
https://globalbridge.ch/die-russland-sanktionen-sind-fuer-russland-auch-eine-grosse-chance/
PS: der Aufbau von La France insoumis ist um 2012 begonnen worden….