Was machen “die in Berlin” eigentlich den ganzen Tag?

Ich fange oben bei den Grossen an. Die Forderung nach Verhandlungen im Ukrainekonflikt wird bereits erfüllt. Nicht von der Bundesregierung, die ist dazu unfähig. Und nicht öffentlich. Denn wenn es anders wäre, wären Verhandlungen, in denen sich jede Seite zum Imponieren ihrer Öffentlichkeit (im Krieg!) aufblasen muss, zum Scheitern verurteilt. Klaus Bachmann/Berliner Zeitung erklärt es: Waffenstillstand in der Ukraine: China hat einen guten Plan, nehmen wir ihn ernst! – Friedensbemühungen zwischen Russland und Ukraine finden statt. Am Montag reist Xi Jinping nach Moskau. Die chinesischen Pläne sind klug.” Dass es so oder so ähnlich hoffentlich (!) passiert, ist gegenwärtig erstmal das Wichtigste.

Vieles daran ist für deutsche Politik ultimativ blamabel. Und noch schmerzhafter wohl nur für die USA. Denn beide haben kräftig dazu beigetragen, dass China jetzt das Steuerrad in der Hand hat. Die sind ja nicht blöd. Schade, dass es “Unsere” sind.

Denn welch einen Kontrast bietet die deutsche Innenpolitik. Die Debatte um die Wahlrechtsreform. Herr, schmeiss Hirn vom Himmel! Die in Berlin tun so, als wenn es um die Zusammensetzung des Bundestages geht. Hallo?! Wählen tun immer noch wir! Ihr sollt nur faire Spielregeln besprechen. Das schaffen schon Grundschulkinder auf dem Schulhof. Und was glaubt die CSU (und einige Linke), wer um Wahlkreiskandidat*inn*en mit 30-40% der Stimmen weint? 60-70% jedenfalls nicht – plus die, die gar nicht teilnehmen. Wäret Ihr nur im geringsten demütig, würdet Ihr die Grösse des Bundestages an die Wahlbeteiligung binden. Das wäre Gerechtigkeit. Und ist darum gewiss zuviel verlangt.

Oder dieser “Bildungsgipfel”. Isses denn möglich? Ein langjähriger WG-Genosse von mir – zu seinem Glück in Rente – war fast ebenso langjährig bei der Kultusministerkonferenz hier in Bonn tätig. Er musste viele Protokolle schreiben. Viel gelitten hat er zu seinem Glück nicht. Aber was machen die da jetzt den ganzen Tag, wenn sie doch offensichtlich nicht miteinander reden?
Ja, die Bundesbildungsministerin ist verzweifelt, weil sie kein Mensch kennt. Aber wie kurzsichtig von Olaf, sie schadenfroh den Schaden noch vergrössern zu lassen. Und die Landesregierungen? Aus dem Schaden, den sie in der Coronazeit fortgesetzt zusammen produziert haben, sind sie nicht klüger, sondern noch dümmer geworden?

Wer das betrachtet, muss sich um den Schaden, den die Beseitigung der Diplomatie in der deutschen Aussenpolitik anrichtet, nicht mehr wundern. Was lässt die dafür nötigen – und einst vorhandenen – Politiker*innen*fähigkeiten so verkümmern?

Meine Hypothese: es sind die Veränderungen der Kommunikationstechnik. Technik trägt keine Schuld. Das können nur Menschen. Die halten nicht Schritt mit der kulturellen Adaption – und wichtiger noch: der Beherrschung! – des Neuen, vor allem des binären Systems der Nullen und Einsen, nach dem alles digital sortiert und geregelt wird. Binäre Systeme sind schädlich für das, was den Menschen vom Tier unterscheidet: seine kulturellen und sozialen Potenziale und Fähigkeiten. Die, die sich derzeit mit den neuen Technologien ungebremst bereichern, sind daran desinteressiert. Darum müssen sie enteignet werden. Wenn wir es nicht tun, entmenschlichen sie uns.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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