So wird sie in unserer Region wirken

Erster Jubel aus den Baukonzernen ist zu vernehmen. Die FDP hat wieder ganze Arbeit geleistet. Autobahnen werde nicht nur weitergebaut. Es soll auch schneller gehen. Und davon viel. Ich bin zum Glück schon 66. Aber meine privaten Erfahrungsräume, die ich schätzen gelernt habe, werden nun alle von der Partei, und der ihr angeschlossenen Ampelkoalition, bedroht, der ich selbst 9 Jahre (1973-82) angehört habe.

“Rheinspange”

Seit rund 20 Jahren fahre ich regelmässig mit dem Fahrrad zu Freund*inn*en nach Porz. Von Beuel aus weitgehend autofrei über landwirtschaftliche Wege: Bergheim-Müllekoven-Uckendorf-Libur-Lind. Nicht überall sieht es idyllisch aus. Die Industrialisierung der Landwirtschaft hat ihre Spuren in der Landschaft hinterlassen. In Uckendorf hat 2006 Didier Drogba mit seiner ivorischen Equipe während der von Deutschland gekauften “Sommermärchen”-WM residiert.

Während einer “Tour-de-Ruhr”-Fahrradtour hatten wir schon in den 80ern und 90ern den Scherz auf den Lippen, wenn die durchfahrene Landschaft plötzlich und unerwartet “so grün” und “so ruhig” wirkte: jetzt muss jeden Moment eine Autobahn kommen. So war es immer. Und so soll es endlich auch in der Köln-Bonner-Region kommen. Auch wer zwischen Köln und Bonn mit dem Fahrrad zu pendeln pflegt, soll endlich mit Autobahnkreuzen konfrontiert werden. OK, vier haben wir schon: zwei am Südende von Köln, zwei am Nordende von Bonn, auf jeder Rheinseite jeweils eins. Aber dazwischen ist gut 30 km gar keins. Das ist mit fossilindustriellem Fortschritt nun wahrlich nicht vereinbar. Dagegen soll es die “Rheinspange” geben.

Das regionale Brückendesaster

Strategischer Hintergrund ist die absehbare Marodität der bestehenden Rheinbrücken. Die berühmte Leverkusener Brücke, wg. Neubau jahrelang für LKWs gesperrt, war erst der Anfang der Katastrophe. Die Rodenkirchener Brücke im Süden Kölns und die Nordbrücke in Bonn werden folgen. Die geplante Rheinspange soll nicht nur die Baumafia aus-, sondern dieses Infrastrukturdilemma entlasten. Sie vermissen bei diesen Gedankengängen eine klimaschützende Verkehrswende? Richtig!

Eine zusätzliche Rheinquerung zwischen Bonn und Köln ist nicht abwegig, so wenig wie zusätzliche Querungen innerhalb dieser Städte. Der Ruin der Landschaft und der Lebensräume für Menschen, Tier- und Pflanzenwelt sind vielmehr die Monster-Autobahnkreuze, die, wie von die Erde bombardierenden Aliens abgeschossen, auf die Überreste von Landschaft niedergehen. Denkbar wären stattdessen Brückenbauwerke für Stadtbahnen, Fussgänger*innen und unmotorisierte Verkehrsmittel, die an ihren Brückenköpfen nichts von dieser zerstörerischen Monstrosität benötigen. Mehr zur Klimarelevanz des Betons hier.

B224/A52 in Gladbeck und Essen

In meiner alten Heimat im Essener Norden sowie im angrenzenden Gladbeck jubiliert die Betonfraktion ähnlich. Die Bundesstrasse 224, die in meiner Schulzeit noch über einen parallel geführten Radweg verfügte, soll “endlich” zu einer vollwertigen Bundesautobahn ausgebaut werden. Die Kleinstadt Gladbeck, wenig grösser als Beuel, wird komplett diagonal von ihr durchschnitten. Ein Bürgerentscheid hat den Ausbau vor Jahren (2012) mit klarer Mehrheit abgelehnt. Aber das hat die Betonfraktion noch nie gejuckt. Mein alter Radweg, übrigens seit 1969 nie erneuert, ist längst durch den Ausbau von Autobahnabfahrten zu Autobahnkreuzen unterbrochen. Und seine alten Betonplatten von Wildkräutern begrünt. Nun also noch ein paar Spuren dazu, und dann alles, so träumen es die provinziellen Kommunalpolitiker*innen vor Ort, in einen Tunnel. Was kostet die Welt? Hauptsache der Herr Lindner beharrt auf der “Schuldenbremse”.

Das Schöne da dran ist: bis die mit diesem Zerstörungswerk fertig sind, bin ich (66) wahrscheinlich weg. Für die Jungen tuts mir echt leid.

Zum Widerstand bitte hier entlang. Ob der Grüne Landesverkehrsminister Oliver Krischer dazugehört, müssen Sie ihn fragen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net