Beueler-Extradienst

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Demokratie-Problem

“Nein, die Deutsche Bahn hat sich nicht selbst ins Desaster manövriert. Dieses historische Versagen besorgte wesentlich eine einzige Partei: die CSU. Eine Abrechnung.” so heisst es heute von Holger Gertz, bevor Sie sich an der SZ-Paywall stossen. Da denkt der von mir als Schreiber verehrte Herr Gertz zu kurz – nach hinten wie nach vorne. Hier die komplette Liste der Versager (eine Frau ist nicht dabei). Am bitteren Ende ein gewisser Wissing, FDP. Der offensiv seine Untätigkeit vertritt. FDPler können sich das nicht nur erlauben – es gehört zu ihrem Selbstbild.

Nach Umfragen würden derzeit 6-8% FDP wählen. Das wären 3-4% der Gesamtbevölkerung, denn nur rund die Hälfte nimmt an Wahlen überhaupt teil. Über 77% leben in Deutschland in Städten. Eine etwas andere Hausnummer. Viele von ihnen sind gequält von Verkehrslärm und seinen ausgestossenen Giftstoffen. Und lassen ihre Kinder nicht alleine auf die Strasse. Weil sie Angst haben – nicht vor der FDP, sondern vor LKWs und Porschefahrern. Ich selbst habe nur noch Angst vor Porschefahrern auf Fahrrädern, Schwarzrheindorfer Rheindeich, sehr privilegierte, glücklichmachende Wohnlage. Hier könnten viele FDP wählen, tun es aber nicht. Wir haben bei der Kommunalwahl in Bonn Grün-Rot-Rot gewählt.

Auf der nächstgelegenen Durchgangsstrasse ist schon gross eine “30” gemalt. Das gefällt dem Herrn Wissing also nicht. Auf Bundesstrassen will er das den gewählten Kommunalpolitiker*inne*n nicht durchgehen lassen. Das kann er, weil der FDP-Schwanz vorzugsweise mit dem Hund Ampelkoalition wackelt. SPD und Grüne im Bund haben keine Alternative – die FDP dagegen sehr wohl, egal wie niedrig ihre Umfragewerte sind.

Was bleibt also denen, die Tempo 30 und Kinderschutz (übrigens auch: Kindergrundsicherung) wollen? Sie müssen auf die Strasse. Gehen, Sitzen, Liegen, Kleben – ganz wie sie wollen. Anders lernen die es in Berlin nicht, auch und besonders SPD und Grüne. Am besten machen sie auch gleich ihre Medien selbst. Denn die renditeorientierten Medien werden erst wach, wenn was kaputtgeht oder es Tote gibt. Das kann keine*r wollen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Gut gemeint...

    Für Holger Gertz (SZ) bitte hier entlang…: https://archive.ph/S1tzM

    Ich würde ihm nicht vorwerfen wollen, zu kurz gesprungen zu sein, hat er doch selbst seinen Betrachtungszeitraum auf die Zeit nach der Bahnreform’94 (unter Wissmann / CDU) gelegt. Da war es neben den Sozis zu Beginn noch unter Schröder dann unter Merkel eine rein bayerische Angelegenheit. Als Münchener Lokalzeitung muss sich die Süddeutsche für den Rest nicht doch wirklich zwingend interessieren… 😉

  2. Gero Neugebauer

    “SPD und Grüne im Bund haben keine Alternative – die FDP dagegen sehr wohl, egal wie niedrig ihre Umfragewerte sind.”
    Umgekehrt wird ein “Was auch immer” daraus: SPD und Grüne könnten eine Koalition mit der Union eingehen, vorausgesetzt, die greift nicht in die Ablage und stellt Herrn Merz oder Herrn Söder als Kanzlerkandidaten auf. Wendige Menschen wie Herr Wüst oder kluge wie Herr Günther beweisen, dass sie mit “den Grünen” umgehen können und die mit ihnen. Fluchtgedanken könnte es im Prinzip auch für eine SPD geben, in der bislang die Abhängigkeit des Kanzlers von der FDP als Voraussetzung für seine Kanzlerschaft akzeptiert wird, zu der es für ihn keine Alternative gibt. Fraglich, wie lange es die Partei aushält, dass die sinkende Zustimmung zu ihr und ihrer Politik in der Öffentlichkeit das Resultat des Eindrucks ist, der Kanzler sei für Lindner und Lindner für den Kanzler primär Mittel zum Zweck “Machterhalt” und Fortschritt nichts anderes als ein großes Bild von Zukunft, das an einem stehenden Zug vorbeigetragen wird, um dessen Bewegung vorzutäuschen.

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