Ein Fall für Habermas – oder Klügere

Die Ökonomisierung aller Bereiche gesellschaftlichen Lebens macht im real existierenden Kapitalismus vor nichts halt. Der Bereich der Medien und Kampagnen gehört dabei zu den Avantgardebereichen, in denen sich vieles ablesen lässt, was zu kommen droht. Beispielhaft macht das Sebastian Meineck/netzpolitik in seinem trocken-sachlichen und humorlosen Kommentar klar: Gegen den KI-Hype: Die große Science-Fiction-Show – ‘Künstliche Intelligenz’ verändert alles und könnte uns vernichten – diese Erzählung zieht gerade Teile der Öffentlichkeit in ihren Bann. Aber der aktuelle KI-Hype ist eine inszenierte Täuschung, die vor allem Geld bringen soll.” Seine Bewertung ist zutreffend. Aber warum ist es so gekommen? Und warum hört es nicht auf?

Niedrighängen wäre der richtige kritische Umgang von Medien mit dem Thema. Ungefähr so, wie es Meineck und der netzpolitik-Blog seit Jahren tun. Aber das ist ökonomisch unvernünftig. Wer soll das beachten? Diese unauffällige Sachlichkeit? OK, Meineck und Freund*inn*e*n haben u.a. die re:publica erfunden, seit einigen Jahren das bedeutendste politische Konferenzereignis gesellschaftlich fortschrittlicher und neugieriger Kräfte in der BRD.

Diese Kräfte finden sich im politischen Raum aber nicht repräsentiert, sondern sind Opfer so mannigfacher Zellteilungen, dass ihre gesellschaftliche Basis demotiviert und demobilisert ist. Dafür ist in erster Linie die halbgare Politik der Ampelparteien SPD und Grüne, sowie die desaströse Selbstzerstörung der sog. “Die Linke” verantwortlich.

Dass sich etablierte Medien gespielt über Umfragewerte der faschistisch gesonnenen AfD entsetzen, deren Kind sie doch eigentlich durch die erfolgreich geschaffene Aufmerksamkeit ist, ist nur sehr begrenzt glaubwürdig. Die deutsche Rechte, ob nun faschistoid, konservativ-bürgerlich oder neo-/rechtsliberal, findet ganz zu sich. Ihre Basis vermehrt sich nicht. Sie ist nur motiviert und mobilisiert, weil sie realistische Erfolge sieht, die alle Linken und Liberalen , nicht nur hierzulande, derzeit nirgends angeboten bekommen. Dieser Effekt wird sich bei den EU-Wahlen in einem Jahr, sowie bei der nächsten US-Präsidentenwahl, noch potenzieren. Keine Kraft, geschweige denn eine Bündelung solcher Kräfte, ist zu erkennen, die dem eine ausgereifte Strategie entgegensetzt.

So ist es zwar zweifellos richtig, wenn Reinhard Olschanski Friedrich Merz diese Verantwortung vorzuhalten versucht. Ist dem aber egal. Der liest uns nicht. Warum sollte er? Er ist so, wie er ist, und das ist seit Jahrzehnten auch den Dümmsten bekannt. Was Merz, Springer u.a. tun, ist kein “Fehler”, sondern die wollen das, so wie es schon Alfred Hugenberg wollte. Fragen stellen sich eher – damals wie heute – an diejenigen, die so doof darauf reinfallen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
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