Nicht nur Frieden für unsere Zeit, Frieden für alle Zeit – Zu RFK jr., Russland, Ukraine und Deutschland
Mit diesen Worten schloss der demokratische Herausforderer von Joe Biden, Robert F. Kennedy jr., seine „Friedens- und Diplomatie-Rede“ am 20. Juni 2023. (ab Minute 11.24) In dieser Rede griff er Gedanken seines Onkels John F. Kennedy (JFK) aus dessen großer Rede vom 10. Juni 1963 auf. Er erinnerte an den historischen Kontext jener Rede und daran, dass sein Onkel begriffen habe, dass es nichts Kostbareres gibt als den Frieden.
Er erinnerte an die Gründer der USA, die vor den inneren Gefahren warnten, die eine global agierende kriegslüsterne USA mit sich bringen würde. Er erinnerte an die Warnung von Roosevelt vor dem militärisch-industriellen Komplex, der nach dem Tod seines Onkels das Regiment übernahm. RFK jr. sprach die endlose Kriegsbereitschaft der USA an, die nicht als globales Beispiel der Konfliktdämpfung und -lösung wirke, sondern durch die Stilisierung des ewigen Gegensatzes zwischen Gut und Böse regelrecht Konflikte schürt und als einzige Lösungsmöglichkeit immer nur die militärische parat hat.
Er verurteilte den Angriff Russlands auf die Ukraine, aber er unterstrich auch, dass dieser Krieg nicht hätte sein müssen, wenn die USA zu ihrem Versprechen gestanden hätten, die NATO nicht „einen inch“ nach Osten auszudehnen. Stattdessen wurde sie tausende Kilometer ausgedehnt, bis an die Grenzen Russlands und dessen Sicherheitsinteressen ignoriert. RFK jr. unterstrich, dass es den US-Eliten keineswegs um die Ukraine ginge, sondern diese nur ein Mittel wäre, Russland zu schwächen, einen regime change herbeizuführen und ultimativ zu zerschlagen.
Feindbild führt in wechselseitige Verfeindung
RFK jr. nutzte die Rede, um an die wichtigsten Botschaften von JFK vom 10. Juni 1963 zu erinnern, darunter die, dass man seinem Feindbild abschwören muss, denn ein Feindbild führt in die wechselseitige Verfeindung. Er erinnerte auch daran, dass Gewalt in den Außenbeziehungen niemals vor der eigenen Türschwelle Halt macht, sondern auch zum Aufstau von Hass und Aggression im Innern eines Landes führt.
Er warnte vor einer sich anbahnenden nuklearen Katastrophe. RFK jr. verband seine Rede mit Kindheitserinnerungen. Er war dabei, als sein Onkel (JFK) sich nach den Folgen oberirdischer Kernwaffentests erkundigte und erfuhr, die Radioaktivität würde sich weltweit verteilen und dann im Regen zur Erde zurückkehren. Draußen regnete es. JKF fragte, ob das auch in diesem Augenblick der Fall wäre. Der Berater bejahte. (Anm.: Wir wissen nicht, ob oder wie vielen Menschen das das Leben kostete, wir wissen nur vom Leiden und Sterben bestimmter „Versuchskaninchen“).
Hinter dem Rücken aller, so RFK jr., verhandelte JFK mit der Sowjetunion das Verbot solcher Tests. Letzterer setzte das Verbot gegen alle Widerstände seiner Administration um, mit Hilfe der Öffentlichkeit, der er den Ernst der Lage erklärte. Er erinnerte sich, dass JKF erschrak, als ihm der Tod eines „Green Baret“ in Vietnam gemeldet wurde. Wie viele seien schon gestorben, soll er sich erkundigt haben. 75 lautete die damalige Antwort. Laut seinem Neffen wollte JFK das nicht auf sein Gewissen laden und verfügte den Rückzug aller US-Soldaten/Militärberater aus Süd-Vietnam, zunächst 1000 im Jahr 1963, der Rest sollte bis 1965 abgezogen werden. Das, was RFK jr. sagte, ist nach wie vor heftig umstritten, aber gestützt durch eine Verfügung des Präsidenten, durch die Erinnerungen seines Verteidigungsministers und durch Mitschnitte von Gesprächen im Weißen Haus.
Wenig später fiel JFK, der Vietnam nicht zu seinem Krieg machen wollte, einem Mordanschlag zum Opfer. Sein Nachfolger schickte viele US-Soldaten nach Übersee.
Was JFK nicht wollte, beendete Daniel Ellsberg
Heute, aber davon sprach RFK jr. nicht, erinnert ein bewegendes Denkmal in Washington an die vielen gefallenen US-Soldaten in Vietnam. Viele Menschen bringen Blumen. Sie schraffieren einen Namen von der schwarzen Mauer ab, um ihn auf diese Weise nach Hause zu tragen, oder sie streichen mit ihrer Hand über Schriftzüge, so als kämen sie dadurch ihrem Gefallenen ein bisschen näher. Einmal war ich dort. Man vergisst diesen Ort nicht. Kein Denkmal fand ich in Washington für die über drei Millionen vietnamesischen Opfer, zwei Millionen davon Zivilisten.
Das, was JFK nicht wollte, beendete schließlich Daniel Ellsberg. Zweimal verriet er zutiefst Geheimes, erst, um eine weitere Truppenerhöhung in Vietnam zu hintertreiben und dann, um der Öffentlichkeit die Wahrheit zu sagen über einen Krieg, der unmenschlich war. Wegen Ellsbergs Erinnerungen wissen wir auch, dass JFK bis auf die Knochen erschrak, als ihm die Militärs die Zahlen zu den geschätzten Opfern eines Nuklearkriegs überbrachten. Niemand hatte je vorher danach gefragt. Es ist gut möglich, dass Ellsberg damals ähnliches empfand. Die damaligen Zahlen waren viel zu niedrig, da sie weder die Feuerstürme noch den jahrzehntelangen nuklearen Winter einkalkulierten. Aber schon diese Zahlen trugen die furchtbare Wahrheit in sich: Nukleare Kriegsplanungen übersteigen das Grauen des Holocaust um so viel mehr. Heute ruht die einzige Hoffnung der Welt darauf, dass diese Planungen Fiktion bleiben. Das ist ein sehr fragiles Unterpfand.
Diener an der Menschheit
JFK, der ermordet wurde, und Daniel Ellsberg, der vor kurzem verstarb, werden erinnert werden als Diener an der Menschheit, weil sie sich nicht als willfährige Vasallen der Meute der ewig Kriegslüsternen verstanden.Nun ist RFK jr. angetreten, dem Vermächtnis seines Onkels zu folgen. In den Umfragen liegt er weit hinter Biden. RFK jr.`s Rede erfolgte zwei Tage vor dem 22. Juni 2023, dem Tag der Rede des deutschen Bundeskanzlers im Vorfeld des EU-Gipfels und des NATO-Gipfels vor dem Deutschen Bundestag. Mit keinem Wort ging der Bundeskanzler darauf ein, dass an diesem Tag vor 82 Jahren Hitler-Deutschland die Sowjetunion überfallen hatte. RFK jr. dagegen erinnerte in seiner Rede an die großen sowjetischen Opfer und die große Zerstörung, die dadurch angerichtet wurde, indem er seinen Onkel zitierte.
Unter #Aus der Geschichte lernen, mit dem ein Twitter-Nutzer am 22.Juni das Verbot der AFD forderte, twitterte der Bundesgesundheitsminister kommentierend dazu: „Heute vor 90 Jahren wurde @spdde verboten. Es ist eine Schande, an einem solchen Tage eine Hassrede von @Alice_Weidel im Bundestag hören zu müssen. Wenn ihre Partei regieren würde kämen wir der Diktatur wieder näher. Das muss jeder wissen, der für eine Gasheizung die Demokratie verrät.“
Es ist gut, dass Lauterbach an das Verbot der SPD durch die Nazis erinnerte. Der Rest entspricht exakt dem, wovor RFK jr. warnte: Wer im Schwarz-Weiß-Denken gefangen ist, nur in Gegensätzen denkt, hasst am Ende nicht nur nach außen, sondern auch nach innen. Wie tief ist man schon gefallen, wenn etwas, das nachweislich Menschen ängstigt zum Demokratieverrat stilisiert wird?
Wie sehr ist man schon Teil der „Massenhysterie“, von der RFK jr. am 20. Juni mit Verweis auf McNamarra sprach, wenn man es nicht mehr als Schande empfindet, was Deutsche im Namen Deutschlands der Sowjetunion antaten, oder nicht mehr als unser Vermächtnis begreift, dem Krieg den Krieg zu erklären?
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