Vor kurzem fand man das Bundeskartellamt nicht im Wirtschaftsteil, sondern im Sportteil der Zeitungen. Mitte Juli genehmigte es einen vom Deutschen Fußball-Bund vorgelegten Antrag, wonach es keine weiteren Ausnahmen von der 50+1-Regelung und damit keine kompletten Übernahmen von Profivereinen durch Investoren geben darf. TSG Hoffenheim, Bayer Leverkusen und VfL Wolfsburg behalten ihre Ausnahmegenehmigungen, müssen aber zusätzliche Bedingungen erfüllen. 50+1 bedeutet, dass der Mutterverein mindestens 50% des Kapitals plus eine Stimme halten muss.

Soweit der Ausflug in den Sport. Vorrangige Aufgabe des Bundeskartellamt ist der Schutz der Verbraucher (auch gewerblicher Kunden) vor Übervorteilung, die Verhinderung des Missbrauchs wirtschaftlicher Macht und die Sorge für faire Wettbewerbsbedingungen. In die Öffentlichkeit rückt das Bundeskartellamt immer dann, wenn es Verstöße entdeckt und ahndet, bei Preisabsprachen eingreift, wirtschaftliche Machtzusammenballungen prüft und verhindert oder Bußgelder verhängt. In jüngster Zeit gab es zudem gleich zwei wichtige Ereignisse, die die Befugnisse und das Durchsetzungsvermögen der Kartellbehörde deutlich stärken.

Anfang Juli entschied der Europäische Gerichtshof, dass die Kartellbehörden auch in Fragen des Datenschutzes tätig werden und die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen prüfen dürfen. Damit hat er die Rechte dieser Ämter erheblich verstärkt. Anlass war ein Rechtsstreit mit Meta (Facebook), dem das Kartellamt die Zusammenführung von Nutzerdaten untersagt hatte. Die Bundesregierung sieht in dem Urteil einen wesentlichen Fortschritt.

Die Überwachungstätigkeit des Amtes spielte in der Tat in letzter Zeit vor allem in der Internetwirtschaft eine Rolle, wo es Verfahren gegen Amazon, Apple, Google, Facebook und Microsoft gab. Teils endeten diese mit Ermahnungen oder Bußgeldern, teils laufen Gerichtsprozesse. Die Entscheidung des Gerichtshofs hat hier nun für eine gewisse Klarheit gesorgt.

Zweitens hat der Bundestag bereits im April dem Kartellamt zusätzliche Befugnisse im Kampf gegen fragwürdige Marktstrukturen gewährt. Mit dem Stimmen der Ampel-Koalition und der Linken wurde eine Novelle des Wettbewerbsrechts beschlossen. Das Kartellamt kann jetzt effektiver gegen die Marktmacht von Konzernen vorgehen und Störungen des Wettbewerbs im Sinne der Verbraucher/innen besser abstellen. Dies ist z.B. der Fall, wenn es nur wenige Anbieter gibt und regelmäßig parallele Preisentwicklungen zu Lasten der Verbraucher/innen zu beobachten sind. 

Bislang konnte die Behörde wettbewerbsverzerrende Maßnahmen nur beanstanden, künftig kann sie Gegenmaßnahmen verfügen, bis hin zur Zerschlagung von Konzernen. Und sie kann illegal erwirtschaftete Gewinne abschöpfen. Vorbild waren offenbar die strengen Regeln und weitgehenden Kompetenzen in Großbritannien. Unionsparteien und Wirtschaftsverbände protestierten indes gegen die Neuregelungen und werten die neuen Befugnisse als unzulässigen Eingriff in die Wirtschaft.

Laut Kritik führt die Neuregelung zur Rechtsunsicherheit. Künftig dürfe das Kartellamt nicht nur gegen Marktbehinderungen vorgehen, sondern „nach Gutdünken oder politischen Wünschen“ Sektoruntersuchungen einleiten und Märkte und die dort aktiven Anbieter ins Visier nehmen. Für Sanktionen müsste keine Behinderungen mehr nachgewiesen werden, es reiche aus, dass das Kartellamt so genannte ,Marktstörungen‘ feststellt – ein neuer, bisher im Kartellrecht nicht verwendeter Begriff.

Allerdings gibt das Gesetz keinen Anlass für eine derart enge Auslegung. Manche Einwände hören sich an, als würden sie nur der Opposition halber erhoben. Warum soll das Bundeskartellamt nicht bei Störungen des Marktes eingreifen? Die Benachteiligten sind doch immer die Verbraucher/innen, sie zahlen dann zu viel. Wer sich an die Wettbewerbsregeln hält, braucht keine Eingriffe des Kartellamtes zu fürchten. Und wer sich ungerechtfertigt behandelt fühlt, kann den Rechtsweg beschreiten.

Zentrale gesetzliche Grundlage für die Arbeit des Kartellamts ist das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Schutzobjekt ist der (gesamte) Wettbewerb in der Bundesrepublik Deutschland. Er ist vor jeder Beschränkung zu schützen ist, unabhängig davon, ob diese im Inland oder im Ausland verursacht wurde.  Das Kartellamt ist eine selbständige Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministers.

Eine wichtige Aufgabe des Kartellamtes ist die Aufdeckung und Ahndung von Absprachen, bei Preisen, Lieferbedingungen, Vertriebswegen u.a. „Kartelle sind in der Wirtschaft allgegenwärtig. Bier, Lastwagen, Tapeten, Vitamine, Waschmittel, Reißverschlüsse, Zucker, Papier, Wasserhähne, Toilettenbürsten, Zement, Gummibärchen, Kartoffeln – die Reihe der aufgedeckten Kartelle ist lang.“ Die benötigte kriminelle Energie ist gering. Der entstehende Schaden für die anonyme Masse von Kunden sehr abstrakt und für die nicht einbezogene Konkurrenz beabsichtigt.

2021 hat das Bundeskartellamt die gestiegenen Benzinpreis nach Einführung des sogenannten Tankrabatts untersucht. Als trotz der Senkung der Benzin- und Dieselsteuern die Spritpreise stiegen, wurde öffentlich spekuliert, dass die Mineralölkonzerne Preisabsprachen getroffen und den Rabatt selbst kassiert hätten. Untersuchungen des Bundeskartellamtes – insbesondere ein Vergleich mit Spritpreisen im Ausland – kam indes zu dem Ergebnis, dass die Steuerentlastung weitgehend weitergegeben wurde.

Eine weitere wichtige Aufgabe des Kartellamtes ist die Fusionskontrolle. Zusammenschlüsse zwischen Unternehmen unterliegen unter bestimmten Voraussetzungen der Prüfung durch das Bundeskartellamt und dürfen erst nach erfolgter Freigabe vollzogen werden. Das Bundeskartellamt prüft und bewertet dabei die Auswirkungen, die eine Fusion für den Wettbewerb haben wird. Überwiegen die wettbewerblichen Nachteile, kann ein Zusammenschluss untersagt oder nur unter Bedingungen bewilligt werden.

Zusammenschlüsse zwischen Unternehmen sind grundsätzlich erlaubt und in unserer Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung auch erwünscht. Unternehmen können so ihre Geschäftsfelder neu ausrichten oder ihr Innovationspotential erhöhen und damit den Wettbewerb beleben. Zusammenschlüsse können aber auch nachteilig für den Wettbewerb sein. Schließen sich beispielsweise Unternehmen derselben Marktstufe zusammen, verringern sich dadurch die Auswahlmöglichkeiten der Marktgegenseite, also der Lieferanten oder Abnehmer. So kann es dem zusammengeschlossenen Unternehmen künftig leichter fallen, Preiserhöhungen, Qualitätsverminderungen oder andere Verschlechterungen seines Angebots am Markt durchzusetzen.

In Ausnahmefällen kann das Wirtschaftsministerium in den Entscheidungsprozess des Kartellamtes eingreifen und Kriterien heranziehen, die außerhalb des Wettbewerbsrecht liegen. Eine solche Ministererlaubnis setzt sich dann über das kartellrechtliche Votum des Kartellamtes hinweg. Wichtige Entscheidungen, die auf diesem Wege fielen, waren z.B. die Zusammenschlüsse VEBA/Gelsenberg, Daimler-Benz/MBB, EON/Ruhrgas und Edeka/Kaiser’s Tengelmann. Insgesamt gab es bis Ende 2021 23 Anträge auf Ministererlaubnis, von denen 10 erteilt wurden.

In den vergangenen Jahren konnte das Bundeskartellamt einige große Erfolge gegen illegale Kartelle und Absprachen zu verzeichnen. Erwähnenswert sind nachstehende Verfahren aus früheren Jahren. Sie verdeutlichen, wie vielfältig die beteiligten Branchen sind und welche Strafen verhängt wurden. Brauereien (2006, 114,5 Mio. € Bußgeld), Bildröhrenhersteller (2006, 1,47 Mrd. €), Anhängerbau (2007, knapp 1 Mrd.), Waschmittelhersteller (2011, 315 Mio. €), Feuerwehrfahrzeuge (2011, 20,5 Mio. €), Schienenhersteller (2012, 100 Mio. €), Schokoladenhersteller (2012, 60 Mio. €), Kartoffelhandel (2013, 13 Mio. €), Wurstproduzenten (2016, 1 Mrd. €), Sanitärzubehör (2016, 622 Mio. € einschl. Bußgeld der EU).

Im Vorjahr hat die Behörde wegen Kartellabsprachen Bußgelder in Höhe von 24 Mio. € verhängt. Betroffen waren 20 Unternehmen, zumeist aus dem Baubereich. 2019 lagen die Bußgelder noch bei 848 Mio. €. Das Kartellamt führt den Rückgang vor allem auf die Coronapandemie zurück, weil diese ihre Ermittlungen erschwerte.

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.