Beueler-Extradienst

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Freibad

An einem Tag, den ein Wetterfrosch gestern als “nasse Angelegenheit” beschrieben hat und in Beuel nur mühevoll 20 Grad erreicht werden, will ich mal über das Freibad schreiben, eine Einrichtung, die ich schon seit Jahrzehnten nicht mehr betreten habe. Schon als Schüler wurde ich ärztlich vom Schwimmunterricht befreit, weil ich immer Mittelohrentzündung bekam. So lernte ich in der freien Doppelstunde Kickern, Flippern und Pilstrinken. Das in Schwimmbädern verbreitete Chlor schmeckte mir so wenig, wie die ständige Überfüllung, wenn das Wetter es mal hätte angenehm machen können. Dennoch: viele Menschen mögen es. Jede*r, wie sie*er will.

Mit den Schwimmbädern ist es wie mit Bahnstrecken, Brücken, Autobahnen, Opern usw. Politiker*innen stehen begeistert Schlange, um sie zu eröffnen. Um die Instandhaltung soll sich dann irgendjemand Anderes kümmern, egal … Und wenn es dann ausreichend vergammelt ist, muss es eben wieder geschlossen und abgerissen werden, damit was Neues gebaut wird, das dann wieder eröffnet werden kann. Das passiert nicht nur, weil Politiker*innen doof sind (Kommunalpolitiker*innen sind ausserdem, das wissen immer noch nur die wenigsten, im Wortsinne Amateur*inn*e*n) – sie sind in einem solchen Zeitzyklus schon mindestens dreimal komplett ausgewechselt worden. Es passiert so – it’s the economy, stupid! – weil es zum Besten für das Kapital ist, in diesem Fall die Baumafia, die sich untereinander kennt, Absprachen trifft, und immer clever genug ist, um personell dünn ausgestattete (quantitativ und noch mehr qualitativ) Stadtverwaltungen locker über den Tisch zu ziehen. Aber ich schweife ab …

Das Sommerlochthema deutscher in ihrer selbstreferenzialisierten Sphäre meinungsführenden Medien ist: wie gefährlich ist es im Freibad? Statistisch nachweisbar weniger gefährlich als zuhause. Zuhause könnten Sie von Ihrem Gatten/Vater misshandelt oder ermordet werden. Oder von der Leiter fallen, oder aus Versehen die heisse Herdplatte berühren, oder in der Badewanne ausrutschen. Alles wahrscheinlicher, als im Freibad überhaupt beachtet zu werden. Gefährlicher dagegen wird es in den von der DB verlassenen Bahnhöfen, so, wie es durch den U-Bahnbau in deutschen Städten gefährlicher wurde: Angsträume und Vernichtung schützender Öffentlichkeit (Strassenbahnen, sofern sie nicht durch Werbung zugeklebt sind). Aber ich schweife schon wieder ab …

Die kluge Annika Schneider, die ich vom @mediasres-Hören im DLF kenne, wirft im MDR-Altpapier die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Freibadberichterstattung und verschwindendem Medienvertrauen auf.

Eine sehr gute Frage.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

Ein Kommentar

  1. Roland Appel

    Da fehlt nur noch der unnachahmliche Zeltinger-Song von 1983: (Müngerdorfer Stadion)

    https://www.youtube.com/watch?v=HkeRyhcwY0Y

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