mit Update nachmittags
Gerne schieben die Mächtigen uns Konsument*inn*en die Verantwortung zu. Auch am Klimawandel sollen “wir” schuld sein. Weil “wir” angeblich alle SUV fahren und Fleichfressen wollen. Laut eines im Fussballwesen prominenten Westfalen sind “wir” sogar daran schuld, dass das saudi-arabische Mörderregime die Welt mit Geld zuscheisst: “Das ist offensichtlich die Art von Fußball, die viele Menschen inzwischen möchten.” Da hat er wohl die deutschen TV-Quoten nicht gelesen. Nun meldet das Statistische Bundesamt, dass 2,2 Mio. Schweine der Schlachtung entgangen seien. Bzw. sie sind nicht “produziert” worden.
Nun ist es zwar richtig, dass wir Konsument*inn*en kontinuierlich weniger Fleisch fressen. Das juckt deutsche Schlachtfabriken aber nicht. Wie die ganze deutsche Ökonomie ist sie auf Export ausgerichtet, um ganz schmerzfrei auch mal die Ökonomien weniger mächtiger Länder auszulöschen. Wenn nur “der Chinese” nicht wäre. Wegen der Schweinepest, die die Europäer frech “Afrikanische” nennen, hat China den Schweineimport aus Deutschland schon 2020 gestoppt. Das hat ähnliche Auswirkungen auf die deutsche Industrie, wie die Sache mit den Abgasautos: jetzt wird von China elektrisch zurückexportiert. Dä.
Update nachmittags: Eine gute Analyse des deutschen Fleischkapitalismus von Michael Kohler/Junge Welt: “Das große Fressen: Schweinesystem in der Krise? – Der Fleischkonsum nimmt ab. Der Grund für das Aus zahlreicher Tierfabriken liegt aber in der gestiegenen Konkurrenz. Und um das Tierwohl ist es auch unter der Ampel-Regierung weiterhin schlecht bestellt”. Seit heute und nur für einige Tage ohne Paywall. Zum Gewese um die Preispolitik der Billigsupermarktkette “Penny”, die zum monopolistischen Rewe-Konzern gehört, gibt es noch diese schöne Anregung vom “Postillon”.
Politikum Bier
Als ich 1976 zum Zivildienst nach Bonn kam, musste ich umlernen. Das Erlernen des Biertrinkens war in meiner Schulzeit für mich ein Akt persönlicher Emanzipation. Das ist rückblickend wohl mit meiner Pubertät zu erklären. Ich erwarb mir diese Fähigkeit – zusammen mit Kickern und Flippern – während der Doppelstunde Schwimmunterricht, von der ich wegen meiner Mittelohrentzündungen ärztlich befreit war. War ‘ne schöne Zeit.
Dann lernte ich bei der Anti-Apartheid-Bewegung in der Beueler Hermannstrasse, dass die gegen das rassistische Apartheidsystem revoltierenden südafrikanischen Schüler*innen in den Townships als erstes die Bierbuden abbrannten. Dä, ich brauchte etwas, um zu verstehen. Der in meiner WG wohnende Hausarzt erklärte es mir: Alkohol macht besser wehrlos und beherrschbar. Die Rassisten förderten das Bierbuden-Unwesen.
Hmm, was sagt uns dann das? Liudmila Kotlyarova/Berliner Zeitung: “Trotz Ukraine-Krieg: Deutsche Brauereien liefern noch mehr Bier nach Russland – Die USA und weitere Länder verkaufen kein Bier mehr nach Russland. Deutschland dagegen bleibt der Lieferant Nummer eins – und vergrößert laut einem Bericht sogar die Lieferungen.”
Ich war zufällig genau an den Tagen in der UdSSR, und zwar im ukrainischen Kiew (!), als Gorbatschows Anti-Alkohol-Kampagne wg. völligen Scheiterns aufgegeben wurde. Ich habe in meinem Leben noch nie so viele Menschen öffentlich kotzen sehen, auch bei der Beueler Weiberfastnacht nicht. Die Berechtigung der gescheiterten Kampagne ergab sich aus dem radikalen Absinken der Lebenserwartung der Russen (Frauen nicht mitgemeint) in den Jelzin-Jahren, die noch heute für Putins Legitimation “gut” sind. Die desorientierten russischen Männer soffen sich vor den Augen ihrer Frauen und Kinder tot.
Jetzt ziehen sie in die “Spezialoperation”, was für sie auf das Gleiche rauskommt. Meine steile These muss ich natürlich relativieren. Deutsches Bier ist nicht zu vergleichen mit russischem Wodka. Aber wie viele Konsumenten (Frauen kaum mitgemeint) diskutieren das als Alternative gegeneinander? Das Bier könnte für Wodka-Säufer das sein, was für mich als Weintrinker das Wasser zwischendurch ist: nicht zu schnell besoffen werden, mehr Konsum-Kondition.
Ich muß noch lernen, wie man auf Fleisch verzichtet und trotzdem was essbares kocht. Das Thema Fleisch und Schlachttiere spielt auch immer häufiger in der Bildenden Kunst eine Rolle. Einer der Vorreiter dabei ist sicherlich der in Leipzig lebende Maler Hartmut Kiewert . Ich kann seine Seite nur empfehlen: https://hartmutkiewert.de/