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Karin Robinet – sie wird fehlen

Als ich sie kennenlernte, es war in den 90ern als Bonn noch Hauptstadt war, nahm ich sie eher als anstrengend wahr. Sie arbeitete in der Bundestagsfraktion und vertrat auch innergrün die dort vorherrschenden Positionen, ich war im Kreisvorstand und Mitarbeiter von Roland Appel, und zählte mich zu den Linken in den Grünen. Ich meine auch heute noch, dass “links” und “rechts” markante Unterschiede bezeichnen – da löst sich überhaupt nichts auf, solange die Klassengesellschaft existiert. Und die wird in der Gegenwart noch extremistischer, als sie jemals war.

Über diese theoretische Erkenntnis konnte ich mit Karin sogar übereinkommen. Auflösen tun sich Flügelzugehörigkeiten eher in der kommunalpolitischen Alltagspraxis. Hier kamen wir schnell zusammen, weil in diesem Feld Pragmatismus keine aufgesetzte ideologische Positionierung, sondern eine Lebensnotwenigkeit ist.

Nachdem sich unser persönliches Verhältnis sowieso schon normalisiert hatte, gab es einen Schlüsselkonflikt in der Ratsfraktion, in dem sie und ich an einem Strang zogen. Sollten die stadteigenen Seniorenzentren wegen Unrentabilität abgegeben werden oder als Grundversorgung erhalten bleiben? Die “Reala” Karin kämpfte engagiert und fachkompetent für Letzteres und setzte diese Position innerhalb der Grünen und der damaligen schwarz-grünen Koalition durch. Früher als andere war sie im Bilde über das Treiben geierhafter Investor*inn*en in der Altenpflege, die auch vor Insolvenzen und Heimschliessungen über die Köpfe der Bewohner*innen hinweg nicht zurückschrecken. Sie machte sich nicht nur stadtweit einen Namen in der Altenpolitik, sondern auch als hochgeachtete Aufsichtsratsvorsitzende der städtischen Wohnungsgesellschaft Vebowag.

Unter der Führung der heutigen Fraktionsvorsitzenden Annette Standop, mit mir als Sekretär, war Karin Robinet eine fachliche Korsettstange im Sozial-Arbeitskreis der Grünen Ratsfraktion. Während meiner Amtszeit als Fraktionsgeschäftsführer (2006-16) war dieser Arbeitskreis meine “beste” Zeit. Hier arbeiteten aus allen Fachgebieten die fachkundigsten Leute der Stadtgesellschaft mit, egal ob Grünen-Mitglied oder nicht. Es wurde auch nicht wenig gestritten. Das herrliche war: streng fachlich und sachlich, nie persönlich. Es war bereichernd.

Karin leistete über das Fachliche hinaus einen wichtigen Beitrag: immer zu dieser Jahreszeit im August lud sie in den schönen kleinen Garten ihres Reihenhauses in Plittersdorf zum Grillen. So machte Arbeiten Spass.

Im Zuge ihrer Krebsdiagnose hatte sie ihre Personalrats- und Berufstätigkeit beim Bundesamt für Naturschutz aufgegeben. Wir sahen uns noch verschiedentlich in Beuel, wenn sie hier einen Facharzttermin wahrnahm. Sie war nicht deprimiert oder niedergeschlagen, sondern verfolgte zielstrebig einen Plan, was sie mit ihrer restlichen Lebenszeit anfangen wollte. Die ihr gegebene “Prognose” übertraf sie um mehr als das Doppelte, und mischte sich politisch bis zum Schluss konstruktiv ein.

Meine Mutter ist vor über 10 Jahren auch an Krebs gestorben. Über die unplanbaren Krankheitsverläufe, im Guten wie im Schlechten, bin ich grob orientiert. Wenn es mich eines Tages mal erwischen sollte, würde ich es so ähnlich versuchen, wie es Karin gemacht hat.

Karin Robinet im Beueler Extradienst.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net

2 Kommentare

  1. Roland Appel

    Danke Martin. Deine einfühlsamen Worte über Karin haben mir nahe gebracht, wie leicht wir Menschen aus den Augen verlieren können, die ganz in der Nähe leben.

  2. Jan

    Karin war ein ganz besonderer Mensch. Sie war engagiert und setzte sich für soziale Belange ein.

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