Europa und seine Medien: die Augen fest verschlossen

Die Aussenministerin ist an einem Flug nach Australien gescheitert. Nicht nur sie. Deutsche Sportredaktionen verzichten lieber auf solche Versuche. Dort ist Fussball-WM. Spanien, England, Schweden und Australien spielen um den Titel. Haben Sie Informationen gefunden? Wer ist verletzt? Wer hat mit wem Krach? Welche taktischen Überlegungen haben die Trainer*in? Welche Spielerin könnte den Unterschied ausmachen? Wie ist das Wetter (Winter!)? Welche Staatsoberhäupter reisen zum Finale? Nichts davon in deutschen Medien. Wer so die Augen verschliesst, darf sich über die “wichtigeren” Probleme nicht wundern.

Dazu beispielhaft zwei wichtige gute Bücher, die massenhaft ungelesen und folgenlos bleiben werden. Schon allein, weil die FAZ eine ihrer beiden lobenden Besprechungen digital einmauert. Katajun Amirpur: Iran ohne Islam. Der Aufstand gegen den Gottesstaat. Gelobt und empfohlen von Rainer Hermann/FAZ mit diesem Teaser-Text: “Iran : Die entzauberte Islamische Republik – Der Name des Staates suggeriert Religiosität. Aber die iranische Bevölkerung hat sich zu der am meisten säkularisierten des Nahen und Mittleren Ostens entwickelt.”

Das andere Buch empfiehlt FAS-Medienredakteur Harald Staun, und sein Thema ist – leider – noch wichtiger: Martin Andree: Big Tech muss weg! Stauns Lobeshymne ist immerhin digital zugänglich: Digitale Monopole: Im Netz der Plattformen – Der Medienwissenschaftler Martin Andree zeigt in seinem neuen Buch, woher die Macht der Tech-Riesen kommt. Und regt an, wie man sie brechen könnte.”

“Die maximale Akkumulation von Macht, Geld und Herrschaft“

Das ist laut Andree (vermittelt über Staun) das “einzige Ziel” der Digitalkonzerne. Nicht nur von denen – das ist das Prinzip des Kapitalismus. Laut Staun hat Andree Marx und Engels gelesen, sei aber “kein Marxist”. OK, bin ich auch nicht, schon weil ich viel zu wenig von denen gelesen habe. Wer liest denn heute noch Bücher?

Politiker*innen schon mal überhaupt nicht. Die können allenfalls lesen lassen. Das tun aber auch nur die Klügsten unter ihnen. Die Anderen sorgen für Arbeitsverdichtung unter ihren Mitarbeiter*inne*n. Und das kommt dann dabei raus.

Nicht nur das. Entscheidend ist, “was unten rauskommt”. Und das ist schlafmützige, ahnungslose Politik – die am Ende die Demokratie mehr gefährdet, als es 10-20% Faschisten können.

Am Ende stünde die Selbstvernichtung des Kapitalismus. Soll Marx so Recht behalten? Ich bin dagegen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net