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Vom Winde verdreht?

Mediale Narrative über Windkraft, Naturschutz und Energiewende – Kurzfassung der Studie

Auf einen Blick

Im Kampf gegen den Klimawandel und angesichts des russischen Angriffskrieges in der Ukraine gewinnt die Windenergie zunehmend an Bedeutung.

Die Berichterstattung über Windkraft, Naturschutz und Energiepolitik ist dabei von unterschiedlichen Narrativen geprägt.

Es wird häufig auf kulturelle Konstrukte zurückgegriffen, etwa auf den Nationalmythos des deutschen Waldes, um den Ausbau der Windenergie kritisch zu rahmen.

Zur Stützung dieser ablehnenden Positionen werden wissenschaftliche Argumente ausgeblendet, die Belastungen durch Windkraftanlagen überzeichnet und die Folgen der Klimaerwärmung unterschätzt.

Die Berichterstattung zur Windenergie sollte künftig sachlich fundierter, kulturell historisch reflektierter und mit mehr Toleranz für Ungewissheit erfolgen.

Allgemeiner Kontext zur Studie

Die deutsche Energiewende zielt auf eine radikale Abkehr von fossilen und nuklearen Energieträgern hin zu erneuerbaren Energien. Der Ukraine-Konflikt hat bspw. gezeigt, dass auf russische Gasimporte kein Verlass ist. Auf dem Weg zur strategisch und moralisch überfälligen Energiesouveränität ist die heimische regenerative Energiewirtschaft daher wichtiger denn je – und erfordert den verstärkten Ausbau der Windenergie.

Die Medienberichterstattung über die deutsche Windkraftbranche zeigt, dass sich ungeachtet aller Dringlichkeit von Klimaschutz und Energieautonomie eine breite Front windkraftkritischer Positionen gebildet hat. Mit Eingriffen in das Landschaftsbild, der Gefährdung von Tierarten, dem enormen Investitionsbedarf, einem politisch gesteuerten Boom und unklaren Gesundheitsrisiken stößt die Windenergie in auflagenstarken Medien auf mitunter vehementen Widerstand. Das Arbeitspapier untersucht mediale Narrative zum scheinbaren Gegensatz zwischen der Bekämpfung des globalen Klimawandels, Naturerhalt und nationalen Interessen am Beispiel der Windkraft. Im Mittelpunkt der Analyse stehen die Mentalitäten, Denkmuster und Moralvorstellungen, die viele Medienberichte explizit oder unterschwellig durchziehen.

Methode

Mittels einer qualitativhermeneutischen Inhaltsanalyse werden sinn, identitäts und stimmungsstiftende Zusammenhänge in ausgewählten Medienberichten aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der WELT, dem SPIEGEL und der Süddeutschen Zeitung entschlüsselt. Dafür wurde anhand der Datenbank LexisNexis sowie der jeweiligen Zeitungsarchive eine Vorauswahl thematisch passender Artikel, die zwischen dem 1. Januar 2011 und dem 31. Dezember 2021 erschienen sind, zusammengestellt. Aus diesem Korpus wurden 40 Artikel unter qualitativen Gesichtspunkten (u. a. Relevanz des Inhaltes) für die weitere Analyse ausgewählt. Durch die Inhaltsauswertung sowohl windkraftskeptischer als auch -befürwortender Beiträge wurden acht Schwerpunktthemen identifiziert. Der kritischen Aufarbeitung zentraler Narrative und Mythen zur Windenergie entlang dieser Themen folgt eine Detailanalyse von Verzerrungen, Widersprüchen und Vorannahmen in den untersuchten Artikeln.

Ergebnisse

Waldmythos und Landschaftsästhetik

Der germanische Kult des Waldes, der von der Windenergie gebeutelt werden soll, wird in windkraftkritischen Berichten wiederbelebt, die scheinbare Bedrohung dieser „Seelenlandschaft“ als Volksenteignung bewertet. Und zwar in einer Sprache, die zuweilen nationalsozialistisch pervertierte, radikal ökologische Naturideologien anklingen lässt. Windkraftfreundliche Berichte diskutieren hingegen nüchterner, ob Waldrodungen für Windkraftanlagen eine Zumutung für die Natur sind. Dabei ist den meisten Berichten gemein, dass sie die Windkraftanlagen ohne soziohistorischen Tiefgang und somit nicht vor dem Hintergrund der deutschen Energiegeschichte betrachten. Eine solche Kontextualisierung über die Landschaftseingriffe bisheriger Energieformen würde den wesentlich reduzierten ökologischen Fußabdruck der Windenergie deutlich machen. Pro WindkraftBerichte reflektieren immerhin die Tendenz, Naturschutz und rechte Narrative zu verknüpfen. Diese Berichte schätzen den mythenumwobenen Wald eher pragmatisch als wertvolle Ressource, Kohlenstoffspeicher und Klimastabilisator. Auch die Ästhetik der Windkraftanlagen steht oftmals am Pranger. Windkraftkritiker*innen greifen auf Bilder kantiger Windturbinen zurück, die als scharfes Kontrastprogramm zur organischen Schönheit heimischer Landschaften wirken. Aus Sicht der Befürworter*innen werden Windräder als hoffnungsvolle und futuristische Konstruktionen gerahmt, deren grazile Eleganz erahnen lässt, dass auch eine regenerativ gepowerte Zukunft ihre optischen Reize haben kann.

artenschutz und Schonung des Lebensraums

Der Schutz der heimischen Flora und Fauna ist ein zentraler Aspekt windkraftkritischer Artikel; dieses Interesse am Erhalt der deutschen Heimat und ihrer Lebensräume teilen sie mit den Bürgerinitiativen gegen Windkraft. Dabei wird heimischen Vögeln und Fledermäusen ein höherer Stellenwert beigemessen als vom Klimawandel betroffenen ‚fremden‘ Menschen und Tieren. Der Einsatz emotionalisierender Mittel, um die Gefahr für die Tierwelt deutlich vor Augen zu führen, zieht sich dabei durch alle entsprechenden Artikel, häufig auch zulasten nüchterner Sachlagen. Es wird beispielsweise ein Schreckensbild von Windenergieanlagen als Vogelmörder gezeichnet, obwohl die Statistiken weitaus geringere Zahlen ausweisen, als die Artikel suggerieren. Dem Schutz der Biodiversität wird in der windkraftfreundlichen Presse die Aufgabe gegenübergestellt, mit Hilfe der Windenergie dem weltweiten Klimawandel entgegenzuwirken – eine Erweiterung des Horizontes, die in der ablehnenden Berichterstattung kaum Platz findet.

Windkraft als (teure) Gefahr für die Demokratie

Das Spannungsverhältnis zwischen Eigeninteressen und Gemeinwohl beim Ausbau der Windenergie gilt in den untersuchten Berichten als Belastungsprobe für die Demokratie. Windkraftkritische Medien agitieren gegen eine vermeintliche Klimadiktatur, die die Bürgerrechte von Dorf und Kleinstadtbewohner*innen einschränke und die Profiteure dieser ungerechten Lastenverteilung, Großstädte und die Großindustrie, hofiere. Was dabei auf der Strecke bleibt, ist die eigene Widerspruchs und Debattierkultur. Man bemüht sich kaum, die eigene Position in einen zumindest halbwegs ausgewogenen Gesamtkontext einzuordnen, der auch die Gegenseite zu Wort kommen lässt oder die Leser*innen vor eine Wahl stellt. So geht auch die Kritik an staatlichen Lenkungsmaßnahmen mit der Dämonisierung anderer Ansichten als Lobbymaßnahmen einher: Auf Kosten der Bevölkerung würde der Staat enorme Summen in die Kassen der Energiekonzerne spülen. Pro WindkraftMedien entdramatisieren hier etwas und begrüßen beispielsweise Bürgerbeteiligung als wirksames Mittel zur Akzeptanzförderung. Auch werden in diesen Artikeln die ökologische und die soziale Frage häufiger zusammen gedacht, wenn zum Beispiel darauf verwiesen wird, dass nach der Stilllegung vieler Bergwerke der WindBoom nicht nur den Energiekonzernen, sondern auch Arbeitssuchenden zugutegekommen ist. So gesehen schaden sich strukturschwache Regionen vor allem selbst, wenn sie lukrative Windkraftprojekte torpedieren. Allerdings zeigen auch befürwortende Artikel Defizite im Umgang mit Dissens und Gegenargumenten.

Ein gesundheitsgefährdender Fortschrittsglaube?

In den Berichten herrscht Einigkeit darüber, dass der Industriestandort Deutschland erhalten bleiben soll. Der Investitionsschub durch die Windenergie wird daher quer durch das Medienspektrum befürwortet. Umstritten bleibt die Frage, inwiefern die Windindustrie auf umweltverträgliche Technologien setzt. Die windkraftkritische Presse moniert zum Beispiel, dass in Windenergieanlagen verwendete Materialien ökologisch nicht unbedenklich sind und die CO2-Bilanz relativ hoch ausfalle. Was in diesen Berichten zu kurz kommt: Im Vergleich zu den fossilen „Alternativen“ und zur Nuklearstromerzeugung ist die Windenergie deutlich klimafreundlicher. Zudem ist die Abhängigkeit der Windradhersteller von Seltenen Erden wesentlich geringer als in manchen Beiträgen behauptet. Diese Beispiele verdeutlichen, wie wenig Interesse viele windkraftkritische Artikel an den technischen Details und den Fakten der Windenergie zeigen und welche Ignoranz sie gegenüber der Gefahr pflegen, halbwahre oder sogar falsche Aussagen zu verbreiten. Auch Gesundheitsschäden durch Windkraftanlagen, zum Beispiel durch Schall und Schattenwurf, sind für Windkraftgegner*innen ein K.o.-Kriterium gegen die Windenergie, obwohl Studien solche Effekte nur vereinzelt nachweisen konnten. Im Themenbereich Gesundheit ist die Situation jedoch komplexer und es herrscht stellenweise eine unklare Datenlage. Die Medien reagieren je nach politischer Ausrichtung unterschiedlich auf diese Situation – gemeinsam ist beiden ‚Lagern‘ jedoch eine mangelnde Toleranz für (das Eingeständnis von) Ungewissheit. Die Nachlässigkeit im Umgang mit Fakten verbindet sich darüber hinaus mmer wieder mit dem Unvermögen, die Tragweite des Klimawandels überhaupt zu begreifen.

Fazit

Die medialen Narrative zum Ausbau der Windenergie verstärken den scheinbaren Zielkonflikt zwischen der Umstellung auf klimaschonende Energiequellen und dem Schutz von Natur, Tradition und Wohlstand. Viele Artikel sind von unzutreffenden, intransparenten oder nur selektiven Einschätzungen geprägt. Die konservative Kritik der Windkraft knüpft an die Bewahrung heimatlicher Natur und Kulturlandschaften, an einen als undemokratisch empfundenen Energiewandel und an unbekannte Belastungen für Anwohner*innen an. Progressive Gegenargumente setzen auf Technikoptimismus und die Notwendigkeit von Klimaschutzmaßnahmen. Mehr Sachkenntnis über den Klimawandel, ein stärkerer Rückgriff auf die Geschichte der Energieträger, mehr Debattenfreudigkeit und Selbstreflexion über die eigenen Werte und mehr Stringenz in der Darstellung der wissenschaftlich noch offenen Fragen wären insgesamt förderlich für eine gut fundierte Bericht erstattung über Windenergie.

Dr. Georgiana Banita ist habilitierte Kulturwissenschaftlerin an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind die Kulturgeschichte fossiler und erneuerbarer Energien sowie das Verhältnis von Diskriminierung und Polizeigewalt. In zahlreichen wissenschaftlichen Schriften hat sie sich mit visuellen und narrativen Reflexionen der fossilen Gesellschaft und der Transformation hin zu einer regenerativen Energiewirtschaft auseinandergesetzt. Dieser Beitrag ist eine Übernahme und mit freundlcher Genehmigung von der Otto Brenner Stiftung.

Über Georgiana Banita / Otto Brenner Stiftung:

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2 Kommentare

  1. Martin Schneider

    Aua, aber wir sind Schmerz gewohnt. In Rumänien werden skrupellos Urwälder aus Profitgier abgeholzt. Kann man ja auch in DE machen, lese ich zwischen den Zeilen. Hier sinniert nicht Hermann Löns über die Verfasstheit der deutschen Naturseele sondern eine rumänischstämmige Kulturwissenschaftlerin. Finde den Fehler.

    • Martin Böttger

      1. Fehler: Rumänien – Deutschland
      2. Fehler: Klimaschutz – Profitgier
      3. Fehler: Rassismus
      In der Reihenfolge des Auftritts.

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