Die späte Rache der Mapi León (II)

Kompliment an die Weltmeisterinnen aus Spanien. Sie zeigen ihrem postfaschistischen Verbandspräsidenten die Rote Karte. Mit ihnen kann er nicht mehr spielen. Mit Hilfe ihrer Spieler*innen-Gewerkschaft FUTPRO haben sie sich zusammengeschlossen. Das erhöht die Schlagkraft. Während die Gegenseite der alten weissen Männer die “Sache” immer schlimmer macht.

Vor der WM hatten 15 spanische Weltklassespielerinnen gegen ihren Trainer interveniert, per Email an ihren Fussballverband. Der Verbandspräsident interpretierte das als “Rücktritt”, feuerte sie also aus dem Nationalteam. Er hatte Erfolg mit dieser Eskalationsstrategie. Drei Spielerinnen der Protestierenden, zum Teil zuvor durch Verletzungen aus der Karrierebahn geworfen, wollten die WM-Chance für ihre kurze Sportkarriere nicht vergeben. Spaniens Spielerinnen holten den Titel. Das interpretierte der Señor Rubiales als seinen Titelgewinn. Nun glaubte er sich selbst als ganz oben, als unverwundbar, freie Bahn zum – nicht “Sau”, sondern – Eber rauslassen.

Deutsche Medien praktizieren weiterhin die Unsitte, nicht auf Originaltexte zu verlinken. So bleibt nur ein sid-Bericht über die Selbstverteidigung des Señor Rubiales. Wenn diesen Berichten gefolgt wird, erhielt er dafür nicht nur Beifall, sondern “Standing Ovations”. Ehrlich?

Alle ausserhalb des Saales suchen die grösstmögliche Weite von dem Kerl. Nicht nur Regierungsmitglieder, sondern sogar der kaum weniger korrupte Ligaverband, der deutschen DFL vergleichbar. Während ein üblicher deutscher Verdächtiger, der Westfale Karlheinz Rummenigge, dem Kerl öffentlich beigesprungen ist.

Die spanische Männergesellschaft RFEF verbreitet eine kriegerische Atmosphäre. Sie wollen nicht weichen, sondern holen zum Gegenangriff mit teuren Anwaltsarmeen aus. Sie wollen “beweisen”, dass Hermoso den Kuss wollte, und anschliessend mit verbrecherischen Lügen den armen Señor Rubiales öffentlich und politisch zur Strecke bringen wolle (“Hinrichtung”).

In der deutschen Männerpresse gibt es derzeit eine ausgiebige Sophisterei, was in der Sache zwischen Männern und Frauen der juristischen Beurteilung offensteht. Und was daran für Medienöffentlichkeit zugänglich sein sollte, und was nicht. Mein praktischer Tipp für Sie als Mann: mit der Frau sprechen, fragen, was sie mag, zuhören, wenn sie antwortet (ja, Frauen sprechen länger und mehr, als wir Männer, haben sie so gelernt). Zahlreiche Spitzfindigkeiten werden stattdessen von der mächtigeren Männerseite kultiviert, um im Ergebnis nur möglichst viele der in den letzten Jahrhunderten eroberten Verhaltensprivilegien über die aktuelle Zeitenwende zu retten.

Um eine solche Wende handelt es sich zweifellos. Was die herrschende Männerwelt so überrascht und entsetzt, ist, dass die Passivität der benutzten Frauen zuende geht. Und was besonders wehtut in der Aufmerksamkeit: es geschieht mit weltweiter Öffentlichkeit (Weltmeisterinnen) und demonstrativer Kollektivität (Gewerkschaft). Meine Damen, das ist ein bisschen viel auf einmal. Das muss ein Männerhirn doch auch erstmal irgendwie verarbeiten.

Und seien Sie gewarnt. Männer können brutal zurückschlagen. In Deutschland sind z.B. nur 31,7% Juristinnen (Männer nicht mitgemeint). Männer können z.B. faschistische Regierungen wählen. Auch in Spanien. Die (empfundene) Männernot ist gross.

Mapi León wird rechtbehalten und für mich mit ihren Mitprotestierenden in die Geschichte eingehen. Moralisch-historische Weltmeisterinnen. Es gibt immer Rückschläge. Aber wichtiger sind Selbstachtung und Solidarität. Achten Sie auf Gelegenheiten, den FC Barcelona zu sehen. Die Linksverteidigerin, die alle Standards (Eckbälle, Freistösse) ausführt + ihre Pässe und Zuspiele. Das ist Schönheit am Ball.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net