Die Leerstelle linker Medienpolitik
30 Jahre zu spät ein Klagelied in der taz: Caspar Shaller: “Linke Medien in der Krise: Was verloren geht – Ob ‘ND’, ‘Missy’, ‘Oxi’ oder auch ‘Katapult’ und ‘Titanic’: Wir müssen die linke Gegenöffentlichkeit retten. Die Rechten weiten ihre gerade aus.” Gleich nebenan noch ein persönliches Männerfoul gegen eine Frau in Leitungsposition. So what? Wo so wenig Solidarität möglich ist, muss mann sich über nichts mehr wundern. Vor gut 30 Jahren gab es mal den Versuch der Errichtung eines linken Medienimperiums. Woran es gescheitert ist? Erklärt es sich nicht selbst?
It’s the economy, stupid! Wenn grosses Kapital in die Hände einzelner Feudalherren gerät, dann werden sie zu Feudalherren. Egal, ob sie sich vorher für etwas “Alternatives” gehalten haben. Ob die verbrannten Summen zuvor der DDR/SED gehört haben, oder irgendjemand Anderem, ändert am Charakter des Grosskapitals nichts.
Was wäre eine Alternative gewesen? Politisch eine arbeitsteilige Koalition von Parteien, Organisationen, Gewerkschaften und Initiativen links von CDU, CSU und FDP. Nicht ihre Vorstände, aber satisfaktionsfähige Individuen aus diesen Kreisen hätten sich treffen und ausgiebig, auch ruhig ein paar Jahre, diskutieren können. Mögliches Ergebnis: eine gemeinnützige überparteiliche Stiftung, die non-profit-orientierte demokratische Medien aller Art fördert. Und zwar Medien mit Zukunft, nicht ohne.
Irgendwann gegen Ende der 90er Jahre hätte entsprechend weisen Menschen die Lampe angehen können, dass der Druck, Vertrieb, Rohstoff-, Technik- und menschliche Aufwand für bedrucktes Papier in keinem Verhältnis steht zu dem Kapitalbedarf, den hochwertiger und menschenwürdig praktizierter Journalismus hat. Spätestens vor 30 Jahren hätten solche Leute digitale Geschäftsmodelle erdacht, die konzernunabhängig und demokratisch-partizipativ funktionieren. Was funktioniert, und was nicht, war und ist eine Frage von Versuch und Irrtum. Das könnte heute alles längst erledigt sein.
Tatsächlich aber haben sich Linksliberale, Grüne, Sozialdemokrat*inn*en, Sozialist*inn*en und viele, viele “Sonstige” als genauso bescheuert erwiesen, wie die 4-5 rechten Milliardär*innen-Medienkonzerne in diesem reichen, dummen Land, die jetzt über die Mindestlöhne von Zeitungsbot*inn*en greinen.
Nostalgisch las ich hier nach, wie einst die Verleger*innen-Gruppe des Freitag ihre Wochenzeitung inkl. ihrer Altschulden an Jakob Augstein weitergab, und auf diese Weise knapp ihre Alterversorgung vor dem Ruin rettete. Ich war an diesem Prozess kommunikativ beteiligt.
Augstein ist kein (Bündnis-)Politiker, sondern von seiner Sozialisation her das Kind eines (Medien-)Feudalherren. Entsprechend hat er agiert. Der Freitag ist weitgehend digital eingemauert. Aufmacher heute: “Die Abkehr vom Fleischkonsum muss kein Elitenprojekt sein” – aber das Lesen solcher Texte! Damit meint der Mann seine Altersversorgung und die seiner Angehörigen und Nachfahren sichern zu können. So machen Männer das in dieser Ökonomie.
Die Überreste der politischen Klasse sind Medienökonomie betreffend absolut ahnungslos. Ihre Reflexe kreisen nur darum, wie sie selbst wo vorkommen und aussehen. Diese Reflexe Gedanken zu nennen, wäre schon eine unzulässige Überhöhung. Es wäre der Job ihrer Hintersass*inn*en, “Spindoktor*inn*en”. Die hat jedoch niemand darin ausgebildet, die herrschende Ökonomie kritisch zu analysieren, oder gar Gegenstrategien zu ihr zu entwickeln. Sie wird als gegeben angenommen wie das Wetter. Von Klima keine Ahnung.
Ist Bündnispolitik und kollektive Organisation von irgendwas überhaupt noch möglich? Wer das verneint, kann das Land eigentlich direkt an die Aiwangers, Söders und Merzen übergeben.
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