Ukraine: vom Stellungskrieg zum Waffenstillstand und Verhandlungen

Während der russische Angriffskrieg in der Ukraine militärisch in einem Patt steckt, geht das Leiden in der Bevölkerung weiter und die Eskalationsgefahr bleibt ungebannt. Es ist höchste Zeit über Wege an den Verhandlungstisch nachzudenken. Die nachfolgenden, Anfang September 2023 verfassten Ausführungen zu möglichen Auswegen aus dem Ukrainekrieg beruhen auf Einschätzungen, die spätestens seit November 2022 so oder ähnlich auch von führenden Militärs westlicher Staaten vorgetragen werden, sowie von unabhängigen Militärexperten, die nicht im Sold regierungsnaher Denkfabriken stehen.

Unklare Ziele der Waffenlieferungen

Weder Russland noch die Ukraine sind in der Lage, den Krieg mit militärischen Mitteln für sich zu entscheiden, und die seit Februar 2022 von den Regierungen in Moskau und Kiew öffentlich deklarierten Ziele zu erreichen. Dennoch werden entsprechende Illusionen weiterhin von allen direkt oder indirekt kriegsbeteiligten Seiten geschürt. In Moskau durch die Propaganda der Regierung Putin, in Kiew und in den Hauptstädten der NATO- und EU-Mitgliedsstaaten durch entsprechende Erklärungen und durch die ständig eskalierten Waffenlieferungen an die Ukraine. Dabei sind die Ziele, mit denen die Regierung Selenskyj und die westlichen Regierungen die Forderung nach militärischer Unterstützung und deren Lieferung öffentlich begründen, völlig unklar.

Die Erwartung, wenn keine Seite relevante Fortschritte auf dem Schlachtfeld mache, werde es zu einem militärischen Erschöpfungspatt und zumindest lokalen oder regionalen Waffenruhen kommen, erwies sich in Bachmut auf grausame Weise als gravierende Fehleinschätzung. Nach achteinhalb Monaten brutalem Stellungskrieg mit horrenden Menschenopfern, Waffen- und Munitionsverbrauch, ist die Stadt zu über 90 Prozent zerstört und sind 95 Prozent seiner einstmals rund 74 000 EinwohnerInnen geflohen. Dennoch ist kein „militärisches Erschöpfungspatt“ eingetreten. Stattdessen werden die Kämpfe um die menschenleere Ruinenstadt fortgesetzt.

Das Ziel der ukrainischen Regierung, ihre Streitkräfte mit Hilfe der militärischen Unterstützung aus den NATO-Staaten in die Lage zu versetzen, die russischen Aggressionstruppen hinter die Linien vom 24. Februar 2022 zurückdrängen, ist zwar völkerrechtlich legitim, aber angesichts der Kräfteverhältnisse militärisch und damit auch politisch unrealistisch. Noch wirklichkeitsfremder sind die beiden von Kiew per Regierungsdekret festgeschriebenen Kriegsziele einer Rückeroberung des gesamten Donbas, inklusive jener Gebiete, die schon vor dem 24. Februar letzten Jahres von russischstämmigen Milizen kontrolliert wurden, sowie der Krim. An ihrer Kriegszielpolitik orientiert die Regierung Selenskyj aber die Zahl und Menge der Panzer, Artilleriegeschütze, Munitionen, Kampfflugzeuge, Raketen Luftabwehrgeräte und anderer Waffensysteme, die sie von den westlichen Staaten fordert. Doch selbst wenn alle bislang von westlichen Regierungen zugesagten oder in Aussicht gestellten Waffenlieferungen an die Ukraine tatsächlich erfolgen, wäre das etwa nur ein Drittel der von Kiew für notwendig erklärten Rüstungsgüter. Soweit zur Einschätzung der militärischen Lage.

Die deutsche Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ging bei der Begründung westlicher Waffenlieferungen noch weiter als die ukrainische Regierung. Es gehe darum, Russland „niederzuringen“ und zu „ruinieren“. Und laut Pentagon-Chef Lloyd Austin müsse der Krieg solange weitergeführt werden, bis Russland zu einem militärischen Vorgehen gegen andere Staaten nicht mehr in der Lage ist. Im Vergleich dazu wird Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz als gemäßigter wahrgenommen mit seinen beiden vagen Formulierungen „Russland darf nicht gewinnen, die Ukraine darf nicht verlieren“ sowie „die Ukraine wird bekommen, was sie benötigt“.

Damit vermeidet der Bundeskanzler aber bislang jede konkrete Festlegung auf ein Ziel der militärischen Unterstützung für die Ukraine. Solange aber die westlichen Regierungen sich nicht auf das militärische und politische Ziel ihrer Waffenlieferungen einigen und es dann auch deutlich kommunizieren, bestimmt die Regierung Selenskyj mit ihren immer weiterreichenden Forderungen die internationale Debatte. Alle anderen hecheln hinterher – und stets wird eine angeblich „rote Linie“ nach der anderen überschritten. Bleibt es bei der Dynamik, dürften schon sehr bald westliche Bodentruppen zur Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte erbeten werden. Denn bei der Zahl der verfügbaren Kämpfer ist Russland der Ukraine um das mindestens Zehnfache überlegen. Die Regierung Selenskyj kann rund 350 000 Soldaten in den Krieg schicken, die Regierung Putin mindestens 3,5 Millionen, selbst wenn die Mobilisierung zusätzlicher Soldaten sich für Putin innenpolitisch zunehmend schwieriger erweisen dürfte. Bereits anlässlich des NATO-Gipfels im Juli in Vilnius plädierte Estlands Außenminister Margus Tsahkna als erster Regierungsvertreter eines Mitgliedslandes der Militärallianz für die Entsendung von Bodentruppen in die Ukraine: „Die Nato und alle Staaten, wir müssen bereit sein, auch unsere Söhne in Zukunft in den Krieg für die Ukraine zu schicken“, erklärte Tsahkna in einem Interview mit der „tageszeitung“ vom 15. Juli 2023.

Politischer Druck von außen nötig

Es wird nur zu einem Waffenstillstand kommen, der dann auch die Chance von Friedensverhandlungen zwischen den Regierungen in Kiew und Moskau eröffnet, wenn äußere Akteure ihre Einfluss- und Druckmöglichkeiten auf die beiden Kriegsparteien ausüben. Mit Blick auf die Regierung Putin sind das China und die von schwerwiegenden weltweiten Auswirkungen des Krieges (Ernährungskrise, Energiepreiserhöhungen etc.) hauptbetroffenen Staaten des globalen Südens. Letztere müssten Putin gemeinsam auffordern, den Krieg zu beenden. In der Führung in Peking müssten sich diejenigen durchsetzen, die das Interesse des Exportweltmeisters China an wieder funktionierenden internationalen Handelsbeziehungen und Lieferketten sowie am Erhalt der beiden für chinesische Produkte wichtigsten Absatzmärkte Nordamerika und Europa höher gewichten als ein noch engeres Bündnis mit dem Juniorpartner Russland.

Das derzeit in den Hauptstädten und Medien der NATO- und EU-Staaten vorherrschende Narrativ, beim Ukrainekonflikt und möglicherweise für viele künftige Jahrzehnte gehe es um einen „globalen Konflikt zwischen westlichen liberalen Demokratien“ und „der Allianz der Autokratien/Diktaturen Russland und China“ ist nicht nur arrogant, sondern auch undifferenziert, analytisch falsch und vor allem kontraproduktiv. Denn es stärkt die Hardliner-Fraktion in Peking, die für einen konfrontativen Kurs gegen den Westen plädiert. Selbstverständlich sind Russland und China keine Demokratien. Aber davon abgesehen gibt es zahlreiche gewichtigere Unterschiede zwischen beiden Staaten mit Blick auf ihre innere Verfasstheit, ihre Geschichte, ihre Interessenlage, ökonomische Bedeutung, Ressourcen etc. Es gilt, diese Differenzen zu erkennen und für eine Beendigung des Ukrainekrieges zu nutzen.

Vorbedingungen zu Verhandlungen prüfen

Die Unterstützerstaaten der Ukraine in NATO und EU sollten der Regierung Selenskyj zwei Dinge klarmachen: Er muß seine bisherige Vorbedingung für die Aufnahme von Verhandlungen, nämlich den vollständigen Rückzug der russischen Truppen von sämtlichen derzeit völkerrechtswidrig eroberten oder annektierten Territorien der Ukraine (Krim, Teile des Donbas, Küstenstreifen am Asowschen Meer) fallen lassen. Selbstverständlich soll die Forderung nach vollständigem Rückzug und Wiederherstellung der territorialen Integrität der Ukraine in ihren seit 1991 international (auch von der Regierung in Moskau) anerkannten Grenzen auf dem Tisch künftiger Verhandlungen bleiben, aber eben nicht als Vorbedingung. Dieses Verlangen sollte auch am Anfang jedes Aufrufs aus der Friedensbewegung stehen. Damit macht man sich keineswegs die Vorbedingung Selenskyjs zu eigen, wie einige in der Friedensbewegung behaupten.

Zum Zweiten muß Selenskyj seine per Regierungsdekret festgeschriebene Weigerung, direkt mit Putin zu verhandeln, aufgeben. Der ukrainische Präsident rechtfertigt seine Weigerung mit dem Verbrechen des von Putin befohlenen russischen Angriffskrieges sowie mit den zahlreichen Kriegsverbrechen, die russische Soldaten und Söldner seit Kriegsbeginn an der ukrainischen Bevölkerung verübt haben. Emotional ist Selenskyjs Haltung sehr gut nachzuvollziehen. Aber politisch ist sie nicht haltbar. Das sollten die Regierungen der NATO- und EU-Staaten dem ukrainischen Präsidenten klarmachen. In der Geschichte von Verhandlungen zwischen Kriegsgegnern gibt es keinen Fall, bei dem eine Seite der anderen Seite vorschreiben konnte, wer ihre Verhandlungen führt.

Hätte die Regierung in Hanoi 1967, als bereits über eine Million Nordvietnamesen dem US-amerikanischen Aggressionskrieg zum Opfer gefallen waren, erklärt „Wir verhandeln nicht mit den Kriegsverbrechern und Völkermörder Henry Kissinger“, so wäre der Vietnamkrieg nicht sechs Jahre später durch das Abkommen von Paris beendet worden. Ähnliches gilt für die innerjugoslawischen Zerfallskriege 1991-1995: Wenn der muslimische Präsident Bosnien-Herzegowinas, Alija Izetbegović, im Oktober 1992 der Einladung von UNO und EU zu den Genfer Verhandlungen mit den Führern der bosnisch-serbischen Nationalisten , die bis dahin bereits zehntausende bosnische Muslime vertrieben, in Internierungslager gesperrt oder ermordet hatten, nicht gefolgt wäre.

Sicherheitsgarantien

Wer in den vergangenen anderthalb Jahren seit Beginn des russischen Angriffskrieges im Februar 2022 für einen Waffenstillstand und Verhandlungen plädierte, wurde häufig mit dem Vorwurf überzogen, er sei für eine Kapitulation der Ukraine. Das ist Unsinn. Für ein Schweigen der Waffen und für Gespräche einzutreten, um das Töten und die Zerstörungen zu beenden, heißt überhaupt nicht, dass man sich anmaßt, der ukrainischen Regierung vorzugeben, worüber sie zu verhandeln, welche Angebote oder gar welche Konzessionen sie zu machen hätte.

Die relevanten Themen sind spätestens seit dem letzten Treffen von Regierungsdelegationen aus Kiew und Moskau am 29. März 2022 in Istanbul bekannt. Damals erklärte die Regierung Selenskyj in einem 10-Punkte-Dokument schriftlich ihren Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft und sprach sich für einen Neutralitätsstatus der Ukraine aus – ohne ausländische Militärstützpunkte auf ihrem Territorium und mit verbindlichen Sicherheitsgarantien durch die Staaten USA, Großbritannien, Kanada, Russland, Polen, Israel und Deutschland. Mit Blick auf den Territorialkonflikt über die von Russland im März 2014 völkerrechtswidrig annektierte Krim schlug Kiew ein bis zu 15jähriges Moratorium vor, um die Zeit für eine Einigung mit Moskau über eine endgültige Lösung zu nutzen. Und über die Zukunft der umstrittenen Donbas-Gebiete wollte Selenskyj laut dem in Istanbul vorgelegten 10-Punkte-Dokument direkt mit Putin verhandeln.

Die Vorschläge der Regierung Selenskyj vom März 2022 sind alle nach wie vor relevant für künftige Verhandlungen. Ohne Verzicht auf eine künftige Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO werden etwaige Gespräche nicht zu einer Verständigung führen. Denn dieser Punkt ist aus Sicht Moskaus von zentraler Bedeutung, spätestens seitdem die Militärallianz auf ihrem Gipfeltreffen 2008 auf Drängen der USA erstmals die Absicht zur Aufnahme der Ukraine (und Georgiens) bekundete. Dass Präsident Putin auch andere Motive für den Überfall auf die Ukraine hatte und dass er in seiner Rede zur Rechtfertigung des Überfalls am 24. Februar 2022 die NATO-Frage nicht erwähnte, ist kein Gegenbeweis. Die zentrale Bedeutung der NATO-Frage für Moskau verdeutlichten auch die Vorschläge und Forderungen, die er am 16. Dezember 2021 der NATO und der US-Regierung vorgelegt hat.

Wären nicht nur Bundeskanzler Olaf Scholz und der französische Präsident Emmanuel Macron bei ihren Gesprächen mit Putin im Kreml am 15. und 7. Februar 2022 bereit gewesen, zumindest ein mehrjähriges Moratorium in der NATO-Frage zu signalisieren, sondern ebenso die Biden-Administration und damit auch die NATO, dann hätte der russische Überfall möglicherweise nicht stattgefunden. Beweisen lässt sich das natürlich nicht. Doch ist die Haltung der US-Regierung, sich nicht auf ein Moratorium einzulassen und damit eventuell den drohenden Krieg in Kauf zu nehmen, scharf zu kritisieren.

Mit den politischen Bekenntnissen des NATO-Gipfels 2023 in Vilnius zu einer künftigen Mitgliedschaft der Ukraine ist eine Kurskorrektur in diesem Punkt noch schwieriger geworden, da die Sorge vor einem Gesichtsverlust der Regierungen in Kiew und in den Hauptstädten der NATO-Staaten gewachsen sein dürfte. Möglicherweise wird die Regierung Putin überhaupt erst zu einem Waffenstillstand und zu anschließenden Verhandlungen bereit sein, nachdem die NATO und die Regierung Selenskyj ihr die Bereitschaft zu dem Verzicht auf eine Mitgliedschaft der Ukraine vorab in geheimen Sondierungen signalisiert haben. Ähnlich verhält es sich mit den Sicherheitsgarantien, die Kiew in Istanbul im März letzten Jahres verlangt hatte. Auch sie müssten der Regierung Selenskyj möglicherweise vorab signalisiert werden, um ihre Bereitschaft zu einem Waffenstillstand und zu Verhandlungen herbeizuführen. Dabei gibt es noch eine Reihe offener Fragen.

Müssen die Garantien, um für die Ukraine verlässlich zu sein, einen Beistandsautomatismus enthalten entsprechend Artikel 5 des NATO-Vertrages, wie es die Regierung Selenskyj verlangt hat? Bedeuten Sicherheitsgarantien – wie bislang von Kiew erwartet und von NATO-Regierungen sowie von westlichen Rüstungskonzernen in Aussicht gestellt – zwangsläufig eine massive Aufrüstung der Ukraine zur Abschreckung auch über das Ende des Krieges hinaus? Oder ist ein friedenspolitisches Modell wechselseitiger Sicherheit im Rahmen der OSZE mit Russland als Teilnehmer wieder vorstellbar? Das dürfte auch davon abhängen, wie weit die NATO-Staaten bereit sind, die legitimen Sicherheitsinteressen Russlands anzuerkennen. Ein wichtiges Signal an Moskau wäre zum Beispiel der garantierte Stationierungsverzicht für Marschflugkörper in der Ukraine. In diese Richtung argumentierte Jens Plötner, der außenpolitische Chefberater von Bundeskanzler Scholz, Ende Juni dieses Jahres am Rande der informellen Ukraine-Konferenz zwischen G7- und BRICS-Staaten in Kopenhagen.

Die Rückkehr beziehungsweise Aktualisierung und Neuvereinbarung wichtiger Rüstungskontrollabkommen (ABM, INF, KSE, Open Skies), die in den letzten zwanzig Jahren zunächst von den USA und danach zum Teil auch von Russland aufgekündigt oder suspendiert wurden, wäre ebenfalls ein wichtiger Schritt zu einer neuen gemeinsamen europäischen Sicherheitsordnung mit Russland.

Bereits im Mai letzten Jahres hat der Vatikan erste Vorschläge zur Überwachung und Durchsetzung eines Waffenstillstands durch eine internationale Präsenz (z.B. UNO-Militärbeobachter oder Blauhelmtruppen), zu vertrauensbildenden Maßnahmen (durch die Schaffung von Pufferzonen, den Abzug schwerer Waffen etc.), humanitärer Hilfe für die vom Krieg betroffene Bevölkerung sowie ersten Wiederaufbaumaßnahmen vorgelegt. Noch detailliertere Empfehlungen zum Anbahnen eines Waffenstillstandes und von Verhandlungen veröffentlichten Ende August 2023 der frühere Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat gemeinsam mit dem ehemaligen außenpolitischen Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl und langjährigen Direktor der Münchner Sicherheitskonferenz, Horst Teltschik, sowie den Politikprofessoren Peter Brandt und Hajo Funke.

Behandlung der territorialen Streitfragen

Die territorialen Streitfragen zwischen Moskau und Kiew (Krim, Donbas) werden im günstigsten Fall zunächst einmal eingefroren, um sich danach auf ein Verfahren über ihre Lösung zu verständigen. Das beste Verfahren wären von der UNO und/oder der OSZE organisierte, überwachte und ausgezählte Referenden auf der Krim und in den Donbas-Provinzen. Unter der wichtigen Voraussetzung, dass seit März 2014 bzw. seit Februar 2022 aus diesen Regionen vertriebene oder geflohene Menschen an diesen Referenden teilnehmen können. Und anders als bei dem 2014 von Moskau organisierten Referendum auf der Krim müsste bei künftigen Abstimmungen auch die Option für einen weitreichenden Autonomiestatus (Sprache, Kultur, Finanzen/Steuern etc.) der Krim und des Donbas innerhalb der Ukraine auf dem Stimmzettel stehen.

Das Zeitfenster für eine solche Lösung könnte schmal sein: Kommt es bis zum Beginn der Vorwahlkämpfe in den USA im Frühjahr 2024 nicht zu einem Waffenstillstand und dem Beginn von Verhandlungen, besteht die Gefahr, dass die Biden-Administration aus Sorge vor einer Niederlage bei den Präsidentschafts- und Kongresswahlen im November umschwenkt und Putin signalisiert, dass er die Krim oder auch Teile des Donbas behalten kann. Mit derartigen territorialen Konzessionen würde die Pandorabüchse mit militärischer Gewalt erzwungener Grenzveränderungen in Europa, die die NATO im Jahr 1999 mit ihrem völkerrechtswidrigen Luftkrieg gegen Serbien und der nachfolgenden Abspaltung des Kosovo aufgebrochen hat, noch weiter geöffnet – ein fatales Ergebnis für die hauptbetroffene Zivilbevölkerung der Ukraine und ein fatales Signal mit Blick auf Konflikte in anderen Teilen der Welt.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Zeitschrift “Luxemburg”, hier mit freundlicher Genehmigung des Autors.

Über Andreas Zumach:

Andreas Zumach ist freier Journalist, Buchautor, Vortragsreferent und Moderator, Berlin. Von 1988- 2020 UNO- Korrespondent in Genf, für "die tageszeitung" (taz) in Berlin sowie für weitere Zeitungen, Rundfunk- und Fernsehanstalten. Seine Beiträge sind in der Regel Übernahmen von taz.de, mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag.