Leserin-Brief

Sehr ehrenwerter Herr Böttger!

Es ist mir (erneut) ein Anliegen, bösen Gerüchten und auch Anschuldigungen, die gegen unser großartiges Nordrokea, besonders aber unsere alles überstrahlende Außenministerin hervorgebracht werden, entgegenzutreten.

Unsere überall gern gesehene Ministerin Anle-Bear-Crook wird immer wieder von der bösartigen Presse im Ausland angefeindet. Dies ist nicht ungewöhnlich. Auf die Erleuchtung folgt der Neid, wie unser Weiser Denk-Lau sagt. Und schon allein die Tatsache, dass sich unsere Außenvertreterin dem stellt, ist bereits ein Ausweis ihrer überragenden Persönlichkeit. Allen Neidern und bösartigen Attacken zum Trotz stellt sie sich für die einzig gute Sache ins Feuer. Sie will Frieden und Gleichheit für alle Völker!

Da wird lamentiert, sie wolle andere Länder „ruinieren“. Aber ist es nicht die Voraussetzung für den Weltfrieden, dass jedes Land seinen Platz in der Völkerfamilie findet? Wie sonst könnte eine weltweite Harmonie entstehen? Und wenn ein Land einen nicht zugewiesenen Platz in der Hierarchie beansprucht, muss es wieder auf seinen angestammten Platz gerückt werden. So sind die Regeln in jeder Familie: jeder an seinem Platz. Sonst bricht das System zusammen. Frau Anle-Bear-Crook will nur die natürliche Ordnung wieder herstellen. Und da müssen einige uneinsichtige Familienmitglieder auf ihren Platz verwiesen werden, wenn sie übermütig geworden sind. Nichts anderes wünscht unsere weitsichtige und weise Ministerin.

Eine weitere Anschuldigung betrifft ihre Aussage, auch gegen den Willen des Volkes das boshaft von dem bösen und hinterhältigen Usurpator Wlad-Tin-Pu überfallene Nachbarland ewig zu unterstützen. Aber wurde sie nicht gerade dafür auserwählt? Das Volk hat sie beauftragt, stellvertretend für das Volk Entscheidungen für unser aller Wohl zu treffen. Anle-Bear-Crook besitzt eine höhere Weisheit als das Volk. Da ist es verantwortlich, die richtigen Entscheidungen zu treffen – auch und gerade wenn das Volk noch nicht die gleiche Einsicht erreicht hat.

Ein weiterer Einwand gegen sie betrifft die vermeintliche „Belehrung“ anderer Staatenlenker. Es wird bemängelt, dass sie einen Staatschef über seine Staatsform belehrt habe. Dies sei keine Diplomatie. Diplomatie ziele auf den Ausgleich unter verschiedenen Partnern. Aber kann es einen richtigen Ausgleich geben, wenn der Partner über seine eigene Staatsform Illusionen hat? Nein!

Das rechte Wort am rechten Platz ist einer der Vorzüge unserer wunderbaren Außenministerin. Wie kann ein Volk in der Völkerfamilie bestehen, wenn seine Führer einer Illusion anhängen? Hier sind die klaren Worte von Anle-Bear-Crook eine wahre Wohltat. Sie mögen den Völkern zu Selbstkritik und Einsicht verhelfen.

Wenige wenden ein, dass sie mit ihren Einsichten nicht vor alle Staatenlenker tritt. Das mag sein. Aber: auch sie ist begrenzt und muss sich auf die wesentlichen Feinde beschränken.

Neben diesen größeren Anschuldigungen gibt es nur noch Kleinigkeiten:

Unsere Außenministerin habe in einer geometrischen Frage daneben gelegen. 180 Grad, 360 Grad. Wen interessiert das? Geometrie, Mathematik. Ist das für eine Ministerin relevant? Nein!

Es geht um das Wohl der Menschheit! Da ist Mathematik irrelevant. Es geht um: richtig oder falsch, Gut oder Böse! Und da ist Anle-Bear-Crook (und wir mit ihr!) eindeutig auf der Seite des Guten. Gut so!

Noch einige Anmerkungen zur Vorgeschichte unserer glorreichen Ministerin Anle-Bear-Crook:

nicht wenige Menschen in unserem Volk hatten sie als die Nachfolgerin der überaus beliebten Ange-Kel-Merk gesehen. Aber auch hierzulande hat sich – offenkundig – die Emanzipation durchgesetzt. Nach Jahren der Regentschaft unserer überaus erfolgreichen Führerin Ange-Kel-Merk hat das Volk, welches die Gleichstellung von Frau und Mann achtet, entschieden, dass nun auch einmal ein Mann an der Reihe ist, unser glorreiches Volk zu führen. Der über alle Zweifel erhabene Lent-Do-In erweist sich als kraftvoller und tatkräftiger Führer. Frau Anle-Bear-Crook hat sich entschieden, dem Volk aus der zweiten – und nicht weniger wichtigen – Reihe als Außenministerin zu dienen. In beider Gleichklang wird das Volk überaus erfolgreich in der Welt vertreten. Und das ist gut so! Alle Welt respektiert und bewundert uns!

Dennoch behaupten einige böse Stimmen, dass unser Land von unserem großen Bruder und seinem Außenminister Anto-Ken-Bling gesteuert würde. Nichts wäre falscher! Unsere Regierung geht mutig voran, anstehende Probleme zu lösen. Und wenn wir vermeintlich einen Schritt schneller als unsere Familienmitglieder sein sollten, halten wir ein und beraten uns mit unseren Brüdern und Schwestern im Geiste. Daran ist nichts falsches! Und – wie in jeder Familie – hat der Bruder möglicherweise wichtige Hinweise, um uns auf den richtigen Weg zu führen. Das ist gut so!

Noch ein kleiner Hinweis auf einige billige Bemerkungen in Bezug auf das Äußere unserer Außenministerin. Niemand kann leugnen, dass sie eine ansehnliche Person ist. In all ihrer Schlichtheit tritt sie vor die Kameras dieser Welt. Es wird kleingeistig darauf hingewiesen, dass sie eine teure Visagistin beschäftige, um ein positives Bild abzugeben. Ist das falsch? Seien wir ehrlich: weltweit werden Bilder produziert und die schönen verbreiten sich besser. Ist es da nicht richtig, unsere Außenministerin Anle-Bear-Crook mit all ihren richtigen und wichtigen Anliegen in ihrem wahren und natürlichen Glanz erscheinen zu lassen?

Zum Schluss noch das aller niederträchtigste Gerücht, das mir zu Ohren gekommen ist: ein Flug unserer Außenministerin soll sabotiert worden sein, um ihre Teilnahme an einer wichtigen Konferenz zu verhindern. Wer erfindet solche Lügen? Wer außer dem überaus boshaften und hinterhältigen Usurpator Wlad-Tin-Pu hätte Interesse an solch einer Aktion?

Immerhin zeugen auch solche Gerüchte von der überragenden Bedeutung unserer über alle Zweifel erhabenen und überall gern gesehenen Außenministerin Anle-Bear-Crook.

Ergebene Grüße aus Nordrokea!