Das Bundeskabinett hat am 30. August 2023 seinen 29. Subventionsbericht verabschiedet. Der Bericht erscheint alle zwei Jahre und stellt die jeweilige Entwicklung der Finanzhilfen und der Steuervergünstigungen des Bundes dar, diesmal für den Zeitraum 2021 bis 2024. Gleichzeitig gibt es jedoch noch einen zweiten Subventionsbericht, nämlich den des Kieler Instituts für Weltwirtschaft. Er erscheint ebenfalls alle zwei Jahre, wertet den Regierungsbericht aus und ergänzt ihn. Das dort dokumentierte Subventionsvolumen ist überraschenderweise deutlich höher als das der Regierung, zumeist mehr als doppelt so hoch. Wie kann das sein?

Laut Bundesregierung ist der diesjährige Bericht „geprägt durch die Maßnahmen, die die Bundesregierung im Zuge des russischen Angriffskrieges ergriffen hat, um die Energieknappheit zu überwinden, die Inflation einzudämmen und die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu sichern.“ Weitere Schwerpunkte sind die digitalen und klimapolitischen Ziele der Regierung. Erstmals bilden die umweltpolitischen Finanzhilfen die größte Position, bis dahin war das der Verkehrssektor. 83 von 138 Finanzhilfen dienten Umwelt- und Klimazielen und erhielten 60 % der Hilfen.

Das ausgewiesene Volumen an Finanzhilfen und Steuervergünstigungen betrug 2021 38 Mrd. € und 2022 41,5 Mrd. Danach erfolgte ein Sprung auf 66 Mrd. in 2023 und (geplante) 67 Mrd. in 2024. Dabei haben sich die Finanzhilfen mehr als verdoppelt, während die Steuervergünstigungen gleich blieben. In den Vorjahren, die im 28. Subventionsbericht dargelegt wurden, betrugen die Subventionen 24,5 Mrd. € (2019) und 27 Mrd. € (2020). – Nachrichtlich werden im Bundessubventionsbericht auch die Finanzhilfen der Länder, der Gemeinden und der Europäischen Union dargelegt.

Das angesehene wirtschaftswissenschaftliche Kieler Institut sieht das allerdings ganz anders. Es ermittelt seit 1998 den Umfang der Subventionen des Bundes nach eigenständigen Kriterien und erfasst deutlich mehr Subventionen als der Bund. 2) So gibt Kiel das Subventionsvolumen für 2019 mit 57 Mrd. € an, der Bund mit 24,5 €. Das sind nur 43 % des Kieler Wertes. Ähnlich unterschiedlich sind die Zahlen für 2020 (67,5 statt 27 Mrd. €) und 2021 (87 statt 38 Mrd. €). – Eine Stellungnahme der Kieler Forscher zum 29. Subventionsbericht gibt es noch nicht da dieser erst Ende August 2023 erschienen ist.

Das Institut für Weltwirtschaft ist ein Zentrum weltwirtschaftlicher Forschung und wirtschaftspolitischer Beratung mit Sitz in Kiel. Rund 180 Mitarbeiter/innen sind dort tätig. Das IfW zählt zu den sechs führenden deutschen Wirtschaftsforschungsinstituten, die zu gleichen Teilen vom Bund und den Ländern finanziert werden. Rechtsform ist eine Stiftung.

Der letzte Kieler Subventionsbericht analysiert wie gewohnt die Finanzhilfen des Bundes 2020 und 2021, untersucht aber zusätzlich, inwieweit in diesen Jahren Ausgaben im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie Subventionscharakter zukommt. Ergebnis ist, dass die Finanzhilfen 2021 auf den historischen Höchststand von 87,2 Mrd. € gestiegen sind. Das ist ein Anstieg um 52,4 % gegenüber dem Istwert von 57,2 des Jahres 2019. Hauptsächlicher Anlass sind die Ausgaben des sogenannten Zukunftspakets von 50 Mrd. €, das der Bund im Zuge der Coronakrise aufgelegt hat. 21 Mrd. € davon fallen nach Ansicht der Kieler Forscher unter den Subventionsbegriff.

Laut IfW hat die Neigung der politisch Verantwortlichen, Subventionen zu verteilen, im Zuge der Coronapandemie deutlich zugenommen. Das aktuelle Volumen entspreche fast dem Doppelten des Verteidigungsetats und dem mehr als Vierfachen der Ausgaben für für Bildung und Forschung. Das IfW warnt daher davor, dass immer mehr Subventionen mittelfristig den Staatshaushalt überfordern und Verteilungskonflikte auslösen würden.

Die Steigerung des Subventionsvolumens hat auch bei der Bundesregierung zu Nachdenklichkeit geführt. Künftig soll es keine Steigerung mehr geben. Statt dessen soll geprüft werden, wo Subventionen abgebaut werden können. Den geltenden Leitlinien zufolge sollen Subventionen ohnehin nur als Anpassungshilfen befristet und übergangsweise gewährt werden. Immerhin sind laut Ministerium 109 von 138 Finanzhilfen befristet. Allerdings sind im Berichtszeitraum 25 neue Finanzhilfen eingeführt worden, vor allem in den Sektoren Mikroelektronik und Wasserstoff.

In seinem Prüfbericht zum 28. Subventionsbericht der Bundesregierung befasst sich der Bundesrechnungshof kritisch mit den staatlichen Subventionen und wirft der Bundesregierung vor, “seit Jahren die überfällige Reform zahlreicher Steuervergünstigungen zu vernachlässigen“. Er zitiert ein Gutachten einer Gruppe von Finanzwissenschaftler/innen, die im Auftrag der Bundesregierung 33 Steuervergünstigungen untersucht haben. 17 davon wurden als ausreichend bewertet, doch mit deutlichem Reformbedarf. 10 wurden als schwach bezeichnet, dort wurde dringender Anpassungsbedarf bzw. sogar die Notwendigkeit der Streichung gesehen.

Das Kieler Institut traut sich, Kürzungsvorschläge zu machen und schlägt dafür die „Rasenmähermethode“ vor. Alle (von ihm) als gesamtwirtschaftlich schädlich eingestuften Subventionen sollten um 20% gekürzt werden. Erwartet wird eine Ersparnis von 10 Mrd. €, und zwar in jedem Jahr. Dazu werden vor allem Klientelzahlungen gerechnet, vor allem in der Landwirtschaft, aber auch die Steuerermäßigung für Hoteliers. Besonders schädliche Investitionen sollen dann in jedem Jahr um weitere 10% des Ursprungsvolumens beschnitten werden. So hätten die Betroffenen rund zehn Jahre Zeit, sich auf ein subventionsloses Handeln einzustellen. Das IfW hält sein Kürzungsverfahren für politisch leichter durchsetzbar als die (komplette) Streichung einzelner Subventionen, weil dies unmittelbar zum Protest der Betroffenen führen würde.

Seit 2017 wird in Kiel eine Kategorisierung der wichtigsten Finanzhilfen und der umfangreichsten Steuervergünstigungen des Bundes im Hinblick auf deren graduelle Schädlichkeit vorgenommen – nach einem „Rot-gelb-grünen“-Ampelschema. „Rot“ bedeutet, aus gesamtwirtschaftlicher Sicht ersatzlos zu streichen; “gelb-orange” kennzeichnet widersprüchliche Subventionen; “gelb” sind begründbare Subventionen, bei denen aber Sparpotentiale bestehen; “grün” sind die aus verschiedenen Gründen unvermeidlichen Subventionen. Von den Steuervergünstigungen über 100 Mill. € erhielten 2021 22,3% ein rotes, 10,8% ein gelb-oranges, 63,4% ein gelbes und nur 3,5% ein grünes Ampelsignal. Bei den Finanzhilfen des Bundes über 100 Mill. Euro steht die Ampel bei 11,9% auf Rot, bei 74,0% auf Gelb und bei 14,2% auf Grün.

Die ZEIT stellt dem Subventionsvolumen von 67 Mrd.€ für 2024 eine Summe von 65 Mrd. für umweltschädliche Subventionen gegenüber. Diesen Betrag an Vergünstigungen, die die Klimaziele direkt konterkarieren, habe das Umweltbundesamt für 2018 ermittelt. Beispielhaft werden die niedrige Dieselbesteuerung (8,2 Mrd. €), die Steuerbefreiung für Flugzeugtreibstoff (8,7 Mrd.), die Pendlerpauschale (6 Mrd.) und das Dienstwagenprivileg (3,1 Mrd.) genannt. All diese Vergünstigungen kommen im Subventionsbericht der Bundesregierung nicht vor, weil dieser auf einer sehr engen Definition von Subventionen basiert. Die Definition des UBA ist allerdings wirklichkeitsnäher und entspricht auch an den Subventionsdefinitionen internationaler Organisationen. Änderungen bei diesen schädlichen Subventionen sind wohl nicht zu erwarten, solange die FDP an der Regierung beteiligt ist.

Subventionen sind laufende Zahlungen an Unternehmen oder private Haushalte ohne Gegenleistungen aus öffentlichen Mittel. Dabei kann man Anpassungs-, Produktivitäts- und Erhaltungssubventionen (Landwirtschaft, Bergbau, Schiffbau) unterscheiden. Für die Auszahlung werden unterschiedliche Verfahren und Bemessungsgrundlagen gewählt. Subventionen sind ein Eingriff in das Marktgeschehen und sollen ein bestimmtes Verhalten der Marktteilnehmer/innen fördern bzw. ermöglichen. Von der klassischen Wirtschaftstheorie werden sie skeptisch gesehen, weil sie zu Fehlallokationen führen können.

Im Sprachgebrauch und in der Wirtschaftswissenschaft zählen alle diese Produktions- oder Investitionszuschüsse, Beihilfen, Steuer- und Gebührenermäßigungen, aber auch garantierte Abnahmepreise als Subvention. Haushaltsrechtlich sind manche dieser Leistungen jedoch keine Subventionen. In Deutschland gilt das z.B. für die Einspeisevergütung bei erneuerbaren Energien oder für sozialstaatliche Transferzahlungen wie Hartz IV, Bafög oder Rentenkassenzuschüsse. Auch allgemeine Staatsaufgaben wie die Förderung der Grundlagenforschung gehören nicht dazu.

Subventionen im Sinne des Gesetzes sind „Leistungen aus öffentlichen Mitteln nach Bundes- oder Landesrecht an Betriebe oder Unternehmen, die wenigstens zum Teil ohne marktmäßige Gegenleistung gewährt werden und der Förderung der Wirtschaft dienen sollen.“ Dies gilt auch für öffentliche Unternehmen.

Subventionen können eine Vielfalt von Zielen verfolgen, z.B. Schaffung von Wettbewerbsvorteilen oder Ausgleich von Wettbewerbsnachteilen, Stützung inländischer Produzenten, Preissenkung aus sozialen oder gesellschaftlichen Gründen, Förderung bestimmter Produkte (z.B. in Kultur, Bildung und Forschung), Standort- und Arbeitsplatzförderung, Steuerung des Investitions- und Konsumverhalten des privaten Sektors zur Umsetzung staatlicher Ziele (z.B. Abwrackpämie, energetische Gebäudesanierung).

Die unterschiedliche Definition der Subventionen erklärt also die großen Unterschiede zwischen den Zahlenangaben der Bundesregierung und des Kieler Instituts. Während der Bund aus politischen Gründen (öffentliche Wirkung, Wählerstimmen) daran interessiert ist, sein Subventionsvolumen gering auszuweisen und bestimmte Subventionen gar nicht zu erwähnen, legt das Kieler Institut wissenschaftliche Maßstäbe an. So zählen Sozialleistungen, Gebührenermäßigungen und staatliche Zuschüsse an Krankenhäuser oder Kindergärten beim IfW zu den Subventionen,

Über Heiner Jüttner:

Der Autor war von 1972 bis 1982 FDP-Mitglied, 1980 Bundestagskandidat, 1981-1982 Vorsitzender in Aachen, 1982-1983 Landesvorsitzender der Liberalen Demokraten NRW, 1984 bis 1991 Ratsmitglied der Grünen in Aachen, 1991-98 Beigeordneter der Stadt Aachen. 1999–2007 kaufmännischer Geschäftsführer der Wassergewinnungs- und -aufbereitungsgesellschaft Nordeifel, die die Stadt Aachen und den Kreis Aachen mit Trinkwasser beliefert.