Nur mal ein Beispiel

mit Update 4.11.

Ich bekenne mich als Medienjunkie. Nachrichten, öffentliche Diskurse und Propaganda sind allesamt zentral für die Frage, wer die Macht hat, oder besser: wer sie mit wem teilen muss. Darum war ich schon als Kind daran interessiert, wie das zustande kommt. Schnell kapierte ich: wer sich auf ein einzelnes Medium verlässt, ist verlassen. Auch, wenn es durchaus in einem einzelnen Medium eine Breite verschiedener Meinungen geben kann. Als Jugendlicher kannte ich schnell den Unterschied zwischen ARD und ZDF (“CDF”, 70er/80er). Das hat sich nivelliert, im Guten wie im Schlechten.

TV hat seine zentrale Relevanz verloren. Das ist ein (grosser) Fortschritt. Der allerdings für die Alten (mein Alter und älter) nicht gilt – und die sind viele, anders als die Jungen. Es stirbt also langsam.

Die privatwirtschaftliche, also kapitalistisch verfasste Erzeugung von Druckwerken hat die Chance, die ihr durch das Internet gegeben wurde, verpasst. Es gibt keine wirtschaftlich tragfähige Plattform, die ich als Konsument besuchen und mir dort die Texte zu einem zumutbaren Preis (“Micropayment”) kaufen kann, die ich lesen will. Ich muss immer irgendein Paket (“Abonnement”) mit jeder Menge unnützem Zeugs dazu kaufen, was ich grundsätzlich ablehne. Ich habe kein einziges Abo mehr, ausser der gesetzlichen TV-Haushaltsabgabe, meine Vereinsmitgliedschaften und meinen Internetanschluss.

Täglich besuche ich mehrere Dutzend Onlineportale, die quantitativ mehr anbieten, als ein Mensch lesen kann. Gegen Paywalls lasse ich mich mit Werkzeug versorgen. Wo das nicht hilft, verzichte ich. Eben habe ich gelesen: die Lesedauer der Menschen sinkt. Andererseits: Lesen bildet. Wir werden also dümmer, im Durchschnitt.

Wie kommichfrauf? Diät – wie verhindere ich, dass ich von dem Übermaß an schlechten Nachrichten erkranke?

Morgens weckt mich das Radio zu seiner Primetime. Die ist zwischen 6 und 9. Mich weckt der DLF. Die Mehrheit seiner rechtsreaktionären Interviewpartner*innen und deren nicht selten hetzendes Geschwätz schreckt mich dagegen ab. Ich schalte also spätestens um 8 um auf WDR3 “Mosaik” – für eine gute halbe Stunde. Die beginnt mit den akustisch grotesk aufgeblasenen WDR-Nachrichten (auf allen Wellen gleich), dann folgt klassische Musik und zwei kulturjournalistische Beiträge (davon einer gemäss Senderkommando “serviceorientiert”), und um Halb dann Superkurznachrichten + Kulturnachrichten. Das ist kurz, quält nicht, und ich verpasse nichts Wichtiges,

Danach ist die vermaledeite DLF-Morgensendung auf der Zielgeraden. und fasst noch mal kurz zusammen, was sie in den letzten 4 Stunden alles an Stuss verbreitet hat. So verpasse ich nichts, und wenn eine Qualitätsrosine dazwischen ist, kann ich sie nachhören. Gerne höre ich im Anschluss zur Horizonterweiterung schnell noch “Europa heute”, bevor mich dann die Religionssendung zum Aufstehen unter die Dusche treibt.

Wenn das Gequatsche anfängt zu nerven – zu reaktionär, oder Call-Ins mit schlecht gerasteten Anrufer*inne*n, oder blecherne Videoleitungen (im Radio! – es lebe das Studiogespräch!) – dann weiche ich zu WDR-Cosmo aus. In den aktuellen Kriegen hat das die Überhand gewonnen.

Beim Premiumsender deutschen Radioschaffens DLF müssen Sie mit einer gewissen Dialektik rechnen. Die “Aktuelles”-Abteilungen hetzen allem hinterher, was für wichtig gehalten wird. Darunter leidet die Qualität, wie überall im Journalismus. Der Sender unterhält aber, was andere ARD-Stationen vernichtet haben, Fachredaktionen. Dazu möchte ich einige mit ihrer Sendezeit hervorheben.

Sport: 7.55h, 22.50 h, samstags und sonntags 19.10 h, sonntags 23.30 h

Die DLF-Sportredaktion ist im Radio das, was in der Glotze Sport inside/WDR ist: die letzte Bastion des Journalismus gegen die “Produktpräsentation”, die “unsere” Sender den Mafiosi von Fifa, Uefa und DFL sogar vertraglich zusichern.

@mediasres – Mo.-Fr. 15.35 h

Pflichtprogramm für alle was-mit-Medien-Menschen, die an Qualität ihrer eigenen Arbeit interessiert sind. Nicht wenige in dieser Redaktion und ihrem “freie” Mitarbeiter*innen-Stab sind richtig gute Leute.

Forschung aktuell – täglich 16.35 h

Dieses Programm war ein sicherer Kompass durch die Coronapandemie und ist es auch in der Klimaforschung. Meinungsverschiedenheiten werden nicht unterschlagen, ohne sie polemisch aufzublasen. Dito in der Glotze: nano/3sat, werktags 18.30 h. Und dito der Wetterbericht in der “Aktuellen Stunde”/WDR-Drittes, immer um 19.25 h, inkl. Klimainformationen für das vergreisende Massenpublikum.

17-Uhr-Tagesschau

Mo.-Fr. meine erste Wahl. Sie enthält das Gleiche wie die 20-Uhr-Ausgabe – nur eben drei Stunden früher. Danach verlasse ich das TV-Programm und wende mich meinen Videoaufzeichnungen zu. Sie programmiere ich jeden Morgen nach dem Espresso, und schütze mich vor schlechtem TV, indem ich alles, was ich des Guten verdächtigte, aufgezeichnet habe, z.B. während ich schlief (vor allem: “Better Call Saul”). Es ist qualitativ mehr, als ich gucken kann (s. “Mediathekperlen” in diesem Blog) – ich habe also immer Vorrat für schlechte Zeiten. Das meiste wird nach dem Gucken gelöscht – 1 TB Speicher im LP-Modus reicht aus für meine mittlere Lebenserwartung.

Live glotze ich also nur noch Tagesschau, Sportschau (nur in den seltenen Fällen, in denen meine Borussia gewonnen hat) und das eine oder andere WM/EM-Spiel verbunden mit einer Spende an Amnesty International.

Leitmedium: Fazit/DLF, täglich 23.05 h/0.05 h

Täglich vor dem Einschlafen mein kulturpolitsches Leitmedium, randvoll mit Journalismus und guter Musik. “Mosaik”/WDR3 war früher zwischen 8 und 9 auch mal so gut, bis eine der berüchtigten WDR-“Programmreformen” es journalistisch enteiert hat.

Update 4.11.

Ich vergass: “Unterhaltung am Wochenende/WDR5”, samstags 15.05 h

Sehr unterschiedliche Qualität. Aber bei Fritz Eckenga, wie heute, bin ich auf der sicheren Seite. “Wir warten auf die Bundesliga-Endergebnisse” – ausser die BVB-Fans wie er, die fangen nach der Sendung erst mit dem Zittern an. Da die Sendung eine Aufzeichnung ist, wird er es sicher ins Westfalenstadion schaffen. Ich drücke ihm die Daumen.

Über Martin Böttger:

Martin Böttger ist seit 2014 Herausgeber des Beueler-Extradienst. Sein Lebenslauf findet sich hier...
Sie können dem Autor auch via Fediverse folgen unter: @martin.boettger@extradienst.net