KiTa-Beschäftigte schlagen Alarm
Der Atem der KiTa-Beschäftigten zeichnete weiße Wolken in die klirrende Kälte vor dem Kanzleramt in Berlin. Es ist früh am Morgen des 30. Novembers und noch nicht ganz hell. Der frische Schnee schimmert blau in der aufsteigenden Dämmerung und die roten ver.di-Westen leuchten – doch die eisige Kälte kann die Entschlossenheit der Berliner und Brandenburger Erzieher*innen nichts anhaben. Sie sind hier, um mit einer Mahnwache auf die erschreckenden Zustände für Beschäftigte in Kindertagesstätten hinzuweisen.
Die wöchentlichen Mahnwachen, gestartet am 19. Oktober, vor verschiedenen politischen Institutionen in ganz Deutschland, sind ein lauter Ruf nach dringend notwendigen Verbesserungen in Deutschlands KiTas.
Fachkräftemangel und politisches Schweigen
Die Situation ist prekär: Es mangelt an Fachkräften, Betreuungsplätzen und die Überlastung führt dazu, dass Mitarbeiter*innen krank werden, kündigen oder in andere Regionen abwandern. In Bremen beispielsweise klagen Erzieher*innen über einen sich stetig verschlechternden Betreuungsschlüssel und steigende Qualifikationsanforderungen, während versucht wird, mit Quereinsteiger*innen den Personalmangel zu kompensieren. Der Ausbildungsnachwuchs reicht bei weitem nicht aus, um den steigenden Bedarf zu decken.
Christine Behle, stellvertretende ver.di-Vorsitzende, verweist auf die Dringlichkeit der Problematik: „Von Jahr zu Jahr nimmt der Fachkräftemangel zu, ohne dass sich die Politik rührt und endlich gemeinsam und systematisch vorgeht.“ Der Bund müsse sich dauerhaft finanziell am Betrieb der KiTas und der Ausbildung sozialpädagogischer Fachkräfte beteiligen. „Ein Gute-KiTa-Gesetz nach dem anderen hilft da nicht weiter. Die Kommunen brauchen eine verlässliche Unterstützung“, so Behle weiter.
Ihr Appell richtet sich an die Regierung, die Verantwortung zu übernehmen und bei einem bundesweiten KiTa-Gipfel Lösungen zu erarbeiten, unterstützt von Bundesministerien, Ländern und Kommunen.
Denn die schlechten Bedingungen und der Fachkräftemangel erstrecken sich bundesweit – die aktuellen Zahlen des Ländermonitors der Bertelsmann Stiftung zeigen die erschreckenden Engpässe. In Deutschland, vor allem im Westen, fehlen laut der aktuellen Studie rund 430.000 Kita-Plätze. Im Osten wiederum ist eine Fachkraft für zu viele Kinder zuständig. Doch obwohl Sachsen über dem Bundesdurchschnitt liegt, wenn es um die Betreuungsquote von Kindern geht, besteht immer noch ein Defizit an verfügbaren Plätzen, insbesondere für die jüngeren Kinder. Laut dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) benötigen in Sachsen 59 Prozent der Kinder unter drei Jahren und über 95 Prozent der Kinder ab drei Jahren einen Betreuungsplatz, was einen zusätzlichen Bedarf von 6.100 Kita-Plätzen ergibt, basierend auf den Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung.
Eine Frage des Geldes
„Es kann nicht sein, dass das jedes Bundesland anders handhabt, abhängig von den finanziellen Ressourcen, und dass es keinen vernünftigen Standard für frühkindliche Bildung gibt“, betonte Behle vor dem Hintergrund der fragmentierten Vorgehensweisen.
Das Dilemma: Es würden zwar viele neue KiTas gebaut, aber es seien praktisch keine Beschäftigten da. Die Leidtragenden seien die Erzieherinnen und Erzieher, die diesen Notstand auffangen müssten, aber natürlich auch Kinder und Eltern, weil die Öffnungszeiten reduziert würden, erklärt Behle.
ver.di fordert deshalb dringend Maßnahmen: die Stabilisierung und der Ausbau des KiTa-Systems, einen KiTa-Gipfel zur ernsthaften Problemlösung durch Bund und Länder sowie eine finanzielle Beteiligung der Bundesregierung zur Sicherstellung verlässlicher Betreuungsangebote für Kinder. Ein detaillierter Stufenplan zur Schaffung von Fachpersonal und die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Eltern stehen dabei im Mittelpunkt.
Mit diesen Forderungen haben sich die Erzieher*innen am Morgen des 30.Novembers im Anschluss an die Mahnwache zunächst in Richtung Bildungsministerium bewegt und sie in Form eines Briefes übergeben. Ebenfalls erhalten haben den Brief Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Watzinger und Bundesfinanzminister Christian Lindner, beide FDP. An die Bundesfamilienministerin Lisa Paus, Bündnis 90/Die Grünen, ging der Brief bereits bei der ersten Mahnwache am 19. Oktober 2023.
SOS Kita
30 leere Bücher schickte die Landesfachgruppe Erziehung, Bildung und Soziale Arbeit von ver.di Hessen im Mai 2022 auf die Reise, von einer Kita zur nächsten. Unter dem Titel „Die unendliche Geschichte des Personalmangels“ sollten die Kolleg/innen ihre eigene Geschichte über den Personalmangel zu Papier bringen oder mit Bildern und Zeichnungen ihren pädagogischen Alltag, das Arbeiten ohne Pause, die ständigen Überstunden oder das aus Pflichtgefühl krank zur Arbeit zu gehen illustrieren.
Aus den Ergebnissen dieser Aktion hat das Fototeam Hessen die Wander-Ausstellung „SOS Kita“ geschaffen. Zudem gibt es eine Broschüre mit weiteren ergänzenden Beispielen. Sie kann für 10 Euro inklusive Versand bestellt werden.
Dieser Beitrag ist eine Übernahme von ver.di-publik, mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
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