Hass auf Reiche? – An der Trennlinie der Klassen
Mit 16-25 Jahren habe ich mich direkt an dieser Trennlinie bewegt – ich war FDP-Mitglied. Aus dieser Erfahrung ziehe ich den Schluss, grossen Respekt für diejenigen zu empfinden, die sich dort bewegen und politisch und sozial arbeiten. Aber nicht jeder Mensch braucht das – weder für sein Lebensglück, noch dafür, etwas gesellschaftlich Nützliches zu tun. Wie kommichdrauf?
Ich habe mir diesen ZDF-Film über die “Superreichen” angesehen (jahrelang mnediathekverfügbar). In mir bestätigte sich ein Gefühl, das ich hier schon ausgedrückt habe. Meine katholische Kindererziehung lässt mich mit diesen Wichten Mitleid empfinden. Ein Leben voller Verlustangst braucht kein Mensch. Und diese widerliche Arroganz schreckt Mitmenschen ab. Ein Leben ohne ehrliche Freundschaft. Das ist schrecklich.
Dennoch bleibt ein politisches Problem: die Machtausübung dieser Krüppelexistenzen. Bekannteste Figur dieses Typus ist der Hamburger Kühne (86), der derzeit darauf wartet, dass ihm die Elbtower-Ruine von René Benko und Olaf Scholz billig – und vom Hamburger Senat als Geschenk verpackt – in den Schoss fällt. Als Lufthansa-Grossaktionär will er 700.000 € “Schadensersatz” bei Klimaaktivist*inn*en abkassieren. Und als Reeder beansprucht der die Dienste der Bundesmarine – als wenn seine Schiffe unter deutscher Flagge fahren würden, was sie selbstverständlich nicht tun – der ist ja nicht blöd.
Das ZDF und die bild-und-ton-fabrik-Ehrenfeld haben sich in der abgelaufenen Woche mit einem Nadelstich verdient gemacht, und diese wenig beleuchtete Welt dieser Ekelpakete ein wenig ausgeleuchtet. Publizistischen Wind machten sie mit einer Filmaufnahme einer Finanzministeriumsbeamtin, die vor dem Bund zur Vermeidung des Steuerzahlens ein Referat zu exakt diesem Thema hielt. Inhaltlich keine Sensation – aber dass sie sich dabei filmen liess, ist natürlich echt dumm gelaufen. Vor allem für ihren Chef Christian Lindner. Aber der ist längst für nix zu fies.
Genervt an diesem Film hat mich dieser elende Presenter-Stil. Überall Jochen Breyer, herrjeh. Muss das sein? Nein, aber die was-mit-Medien-Nasen leiden unter ihrer Eitelkeit, und wir müssen ihnen dabei zusehen.
Der Film gibt den “Massen” an Superreichen recht, die die was-mit-Medien-Szene meiden. Die wenigen, die sich mit Breyer ablichten liessen, sind wahrlich keine Sympathieträger (alles Männer), die alle dem Typus Kühne entsprechen. Die brauchen professionelle Hilfe, was sie sich glücklicherweise ja alle leisten können.
Die Trennlinie in unseren Strassen
Um einiges unterhaltsamer und amüsanter finde ich diese taz-reportage von Malene Gürgen: “Radikaler Klimaprotest: Mit Linsen gegen SUVs – Stefan schleicht durch die Reichenviertel Berlins und lässt bei teuren Autos die Luft aus den Reifen. Warum tut er das? Ein nächtlicher Streifzug.”
Diese Aktionsform ist ja nun schon Jahrhunderte alt. Wenn ich das jemals gemacht habe, kann ich mich nicht mehr erinnern, weil ich wahrscheinlich betrunken war. Heute, fürchte ich, bin ich zu alt dafür, weil ich im Fall des Falles nicht mehr schnell genug renne. Aber ich wüsste hier in Beuel eine Menge Strassen, wo diese Typen mal durchstreifen könnten – mich stört vor allem das breitreifige Parken auf meinen Bürgersteigen. Was mich allerdings auch sehr stört, sind die insbesondere an fast jedem Wochenende nachts um 2 oder 3 laut aufheulenden Diebstahlssirenen, die mich unmittelbar aus meiner Tiefschlafphase rausholen. Dagegen wäre so ein Reifenzischen wie Einschlafmusik. Und eine recht gemässigte Form von Kriminalität.
Schreibe einen Kommentar