“News Avoidance” soll das Virus heissen, das mich miterfasst hat, und gesellschaftlich eine ähnliche Verbreitung hat, wie die Nichtteilnahme an Parlamentswahlen. Otfried Jarren hat darüber bei epd-Medien geschrieben und bruchstuecke hat das hier übernommen: “Nachrichten meiden: Viele Ursachen, vielfältige Auswirkungen”. Ich kenne den Autor aus der Zeit, als ich wenige Jahre der Medienkommission der Landesanstalt für Medien NRW angehörte. Meine ehemalige Arbeitskollegin und damalige Kommissionsvorsitzende Frauke Gerlach hatte ihn eingeladen. Beiden gemeinsam ist ihre Abneigung gegen aufgeblasenen PR-Wind- und Lärm, was sich bei Jarren in trockener Analyse ausdrückt, und Frauke Gerlach heute gerne als Unauffälligkeit angelastet wird. Eine falsche Sicht, aber ich schweife ab.
Jarren hat einen präzisen Blick für einen dialektischen gesellschaftlichen Prozess. Die Medien-Geschäftsmodelle sind nicht massen- sondern renditeorientiert. Sie bekämpfen also nicht, sondern begünstigen Blasenbildung. Die maschinelle algorithmengetriebene, also billige!, Personalisierung und Individualisierung für die*den Nutzer*in sorgt für preisgünstige Vervielfältigung des Immergleichen. Und das Publikum, bei weitem nicht so doof, wie seine Konzernlieferant*inn*en denken, merkt es und reagiert verstimmt. Also ungefähr so wie ich. Der von Jarren zutreffend konstatierte “Rückbau im Fachjournalismus” ist mein zentrales Hassobjekt, weil er insbesondere von den von mir bezahlten öffentlichen Medien radikal mitvollzogen wurde.
Eskapismus ist Teil des Problems
Ich neige selbst dazu, und habe darum mit Interesse Thomas Knüwers “Eine Kreuzfahrt als Vorbote von Instant Reality Social Media” gelesen. Er ist nicht selbst mitgefahren, sondern hat nur die Mediendefekte beobachtet und analysiert. Wie immer lesenswert. Und da will mann nicht dazwischen sein, ich jedenfalls nicht.
Lektüreperle: Doppelwumms gegen das Empire
Da wäre ich auch nicht gerne dabeigewesen: bei der Besteigung des Mount Everest 1953. Eine Jan Morris, damals noch James, war dabei – ein exklusives Journalisten-Abenteuer, das Rainer Winters (der heisst schon so)/telepolis in Erinnerung ruft: “Expedition zum Mount Everest: Zwei Mann sicher zum Gipfel bringen – Der letzte große Tag des britischen Imperiums: Die Geschichte eines Scoops. Der Times-Reporter James Morris und seine Wandlung.” Ein tolles, ein herausragendes Stück, dessen Story mir noch nicht bekannt war – es sollte noch vier Jahre dauern, bis ich meine Augen öffnete.
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