… ist immer gut – Zur schwindenden Bündnisfähigkeit
Es ist eine beliebte Debatte, ob etwas “gut genug” ist. Nora Guthrie, eine erfahrene linke Kulturmanagerin in den USA und meine Beueler Nachbarin, kennt hitzigste nächtelange Debatten, die sie Pragmatismus lehrten. Jeder Schritt, der die Welt besser macht, ist gut. Egal, wie gross oder klein er ist. In diesen Zeiten kehrt Noras Gedanke in meinem Kopf immer wieder, wie ein Ohrwurm (an einigen besitzt sie lukrative Urheber*innen*rechte). Wie kommichdrauf? Florian Rötzer/overton gab einen nützlichen Hinweis auf etwas Nützliches.
“Appell gegen die Entmenschlichung von Palästinensern und Muslimen und von Juden und Israelis – Eine Koalition will die Entmenschlichung im Nahostkonflikt mit Ausgewogenheit bekämpfen, es fehlt aber an Biss.” Ich schätze Rötzer, langjähriger Chefredakteur bei telepolis und als Rentner regelmässiger Autor bei overton, als unabhängig denkenden kritischen Autor sehr. Seine Kritik vom “fehlenden Biss” lässt freilich erkennen, dass er mehr Journalist als Aktivist ist. Auch unter heutigen Aktivist*inn*en gibt es nicht mehr viele, die politik- und bündnisfähig sind. Leider. Stattdessen überwiegen die Zellteilungen, und zwar überwiegend unter den Guten, und kaum noch unter den Bösen.
Politikwirksame Bündnisse entstehen, wenn (sehr) verschiedene gesellschaftlich relevante Kräfte, ob es nun Einzelpersonen oder Organisationen/Initiativen/Gruppen sind, ein oder mehrere gemeinsame Anliegen entdecken, die ihnen aktuell so wichtig erscheinen, dass sie dafür andere weniger wichtige Anliegen vorübergehend zurückstellen, um mit den Andersdenkenden/Andersartigen an einem gemeinsamem Strang zu ziehen. Natürlich ist es umso besser, je dicker dieser Strang ist, also je umfangreicher die gemeinsamen verbindenden Interessen sind.
Wenn sich also nun bei dem von Rötzer dankenswerterweise bekannt gemachten Appell diese Unterzeichner*innen analog oder digital getroffen haben, haben sie gewiss untereinander kontrovers diskutiert, und jede*r musste wichtige eigene Gedanken zurückstellen, um einem gemeinsamen Text möglich zu machen. Mann nennt das Politik. Und in diesem Fall ist es eine, die die Welt ein kleines bisschen besser macht.
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